Vattenfall will sich aus dem Tagebau in Brandenburg und Sachsen zurückziehen. Bis zu 30.000 Arbeitsplätze in der Region hängen von der Braunkohle ab. Steigt das Land Brandenburg nun selbst ein?

Tausende von Beschäftigten in der Lausitz sind geschockt. Vattenfall erwägt, seine Kraftwerke und Braunkohletagebaue in Brandenburg und Sachsen zu verkaufen. Mehr allerdings, sagte Magnus Hall, Chef des schwedischen Energiekonzerns, nicht. Die Regierung in Brandenburg hätte sich eine deutlichere Aussage gewünscht.

„Offenbar bestehen in der Unternehmensführung als auch beim Eigentümer weiterhin nur vage Vorstellungen zur zukünftigen Ausrichtung des Unternehmens“, kritisierte Regierungschef Dietmar Woidke (SPD). „Das finde ich nach den vielen Diskussionen in den vergangenen Jahren unbefriedigend.“

Der Ministerpräsident forderte, dass „vor allem innerhalb der neuen schwedischen Regierung rasch Klarheit über die zukünftige Unternehmensstrategie in Deutschland geschaffen wird“. Die Kraftwerke und Tagebaue sind für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt in der Lausitz weiter von größter Bedeutung.

Warnung vor „Systembruch“

Die genauen Pläne Vattenfalls kennen Brandenburgs Politiker nicht – trotz der Gespräche, die eine Delegation der brandenburgischen und sächsischen SPD bis Dienstag in Stockholm mit Vertretern der schwedischen Regierung führte. Die dortige Koalition aus Sozialdemokraten und Grünen hatte Anfang Oktober erklärt, Vattenfall solle den Braunkohleabbau stoppen.

Seither gingen in Stockholm jede Menge Briefe ein – von Befürwortern wie Gegnern des Braunkohleabbaus in der Lausitz. Regierungschef Woidke und sein sächsischer Amtskollege Stanislaw Tillich (CDU) warnten in einem Schreiben an den schwedischen Regierungschef Stefan Löfven vor einem „Systembruch“ durch einen Verkauf der Sparte, von der rund 30.000 Arbeitsplätze in Brandenburg und Sachsen abhängen, rund 9000 davon bei Vattenfall.

Die Grünen, eine Gruppe von Kommunalpolitikern und der Bauernverband hingegen forderten, keine neuen Tagebaue mehr zu schaffen. Bisher ist im Braunkohleplan die Ausdehnung des Tagebaus in der Lausitz für künftige Jahre geregelt. Südwestlich von Cottbus sollen für den weiteren Abbau durch Vattenfall im künftigen Tagebau Welzow-Süd II mehrere Orte abgebaggert und rund 800 Menschen umgesiedelt werden.

Vattenfall kündigte einen „engen Dialog mit Brandenburg und Sachsen“ an. Woidke erwartet jetzt, „dass die Unternehmensführung zügig zu Beratungen in die Lausitz kommt“. Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) warf Vattenfall „Unzuverlässigkeit“ vor. „Das Unternehmen muss endlich eine Entscheidung treffen. Die Beschäftigten der Region, aber auch die von Umsiedlung Betroffenen wollen wissen, wie es weiter geht. Der unerträgliche Zustand der Ungewissheit muss endlich beendet werden.“ Auch bleibe die Braunkohleverstromung nach dem Atomausstieg ein unverzichtbarer Baustein der deutschen Energiewende.

Übernahme der Kraftwerke: Landesregierung erwägt Kaufangebot

Die Sorge ist groß, dass Vattenfall sich aus der Lausitz zurückzieht, ohne einen Nachfolger gefunden zu haben, der die Braunkohlegruben und die beiden Kraftwerke Jänschwalde und Schwarze Pumpe weiter betreibt. Bis 2040 reicht die Braunkohle in den bestehenden Tagebauen mit den geplanten Erweiterungen in der Lausitz.

Ob das Land Brandenburg Anteile von Vattenfall übernimmt? Ministerpräsident Woidke hatte im Januar eine Übernahme der Kraftwerke und Tagebaue durch das Land nicht kategorisch ausgeschlossen, sagte aber auch, dass es keine konkreten Planungen der Landesregierung gebe, die Lausitzer Vattenfall-Sparte zu erwerben. Wirtschaftsminister Christoffers wollte damals eine Beteiligung des Landes oder eben den Kauf in seinem Haus prüfen lassen. Jetzt sagten Christoffers und SPD-Fraktionschef Klaus Ness unisono: „Ein Einstieg des Landes steht derzeit nicht zur Debatte.“

Ness war mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Ulrich Freese und dem sächsischen SPD-Landeschef Martin Dulig zu Gesprächen in Stockholm. Freese, der als Arbeitnehmervertreter im Vattenfall-Aufsichtsrat sitzt, nannte die Verkaufsabsichten „längst überfällig“. Er gehe davon aus, dass es Interessenten gebe. Vor allem die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft Mibrag wird nach Morgenpost-Informationen genannt.

Der CDU-Energieexperte Steeven Bretz verlangte von der Landesregierung, den Landtag umgehend aufzuklären. Die Geheimniskrämerei und Hinterzimmerpolitik muss ein Ende haben.“ Grünen-Fraktionschef Axel Vogel forderte, angesichts des ungeklärten Unternehmenskurses alle Genehmigungsverfahren für neue Tagebaue auszusetzen. Die Grünen-Fraktion ist gegen einen Verkauf durch Vattenfall. Das Unternehmen müsse sich seiner Verantwortung stellen – und mit Brandenburg und Sachsen einen sozialverträglichen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung in der Lausitz auf den Weg bringen.