Lausitz

7000 Menschen protestieren gegen Braunkohle

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Marius Elfering

Foto: Patrick Pleul / dpa

Die Braunkohlebagger fressen sich immer weiter durch die Lausitz. Dafür werden auch Dörfer geopfert. Doch die Menschen setzen sich zur Wehr.

Wenn Elisa Hube von dem Tag im Jahr 2007 spricht, dann wird sie wütend. „Wir haben es über das Radio erfahren“, erzählt die 17 Jahre alte Schülerin. Sie wohnt mit ihrer Familie in Kerkwitz (Spree-Neiße), einem kleinen Dorf nahe der polnischen Grenze. Doch wenn es nach den Plänen des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall geht, soll hier bald ein neues Abbaugebiet für Braunkohle entstehen. Den etwa 500 Bewohnern der Gemeinde droht die Umsiedlung.

In Polen und Deutschland gibt es die größten Braunkohlevorkommen Europas, hierzulande vor allem im Rheinland, in Mitteldeutschland und in der Lausitz zu finden. Vattenfall, nach eigenen Angaben fünftgrößter Stromerzeuger Europas, baut diese in großem Maße ab. In der Lausitz hat der Braunkohleabbau eine lange Geschichte. Seit 1789 hat sich die Industrie in der Umgebung zu einem Hauptarbeitgeber entwickelt.

Vattenfall betreibt das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde nahe Cottbus. Die Energieversorgung in Deutschland soll laut dem Konzern sichergestellt werden. Deshalb will man an die enormen Braunkohlevorräte, die unter Kerkwitz liegen. Im Internet wirbt der Ort für sich mit dem Satz „Ein Dorf im Grünen“. Nun soll das Dorf abgebaggert werden.

7000 Menschen bilden Kette gegen Braunkohleabbau

Doch die Kerkwitzer geben nicht auf. Rund 7000 Menschen bildeten am Sonnabend eine über acht Kilometer lange Menschenkette von Kerkwitz bis ins polnische Grabice, das ebenfalls dem Braunkohleabbau zum Opfer fallen soll. Aus Deutschland und Osteuropa kamen Protestler in Autos, Bussen und Bahnen. Zu der Aktion gegen den Braunkohletagebau und für eine konsequente Energiewende hatten der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz sowie weitere Organisationen wie etwa Greenpeace aufgerufen, ebenso polnische Verbände. Mittendrin: Familie Hube.

Ines Hube, die Mutter von Elisa, redet nicht gern über das Thema. „Das ist mir viel zu emotional“, sagt die 48-Jährige. Im Jahr 1993 versprach der damalige brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe, nachdem in der DDR einige Lausitzer Orte zur Kohleförderung abgebaggert wurden: „Kein Dorf wird mehr abgerissen.“ Ein Versprechen, das nicht mehr gilt. Familienvater Steffen Hube fühlt sich hintergangen. „Die Landesregierung ist der größte Kohlefreund, den es gibt“, empört er sich. Die SPD in Brandenburg hält sich zurück, allen voran der amtierende Ministerpräsident Dietmar Woidke – am 14. September ist Landtagswahl.

Zwölf Milliarden Tonnen liegen in der Erde

Vattenfall argumentiert damit, dass der Abbau Arbeitsplätze in der Umgebung sichere. In einem Arbeitspapier des Konzerns heißt es, dass man die Menschen mit ihren Anliegen ernst nehme und so gut es gehe die Betroffenen zu Beteiligten mache. Laut dem Energieproduzenten förderten die Bergleute in der Lausitz 2012 über 60 Millionen Tonnen Braunkohle. Insgesamt sollen hier zwölf Milliarden Tonnen liegen.

Umweltschützer kritisieren die Branche jedoch massiv. Und tatsächlich gilt der Braunkohleabbau als besonders schädlich für die Natur. Eine Studie der Umweltschutzorganisation WWF aus dem Jahr 2007 kommt zu dem Ergebnis, dass das von Vattenfall betriebene Kraftwerk in Jänschwalde Platz vier der klimaschädlichsten Kraftwerke in der EU belegt. Am Sonnabend zeigte sich kein Vertreter des Konzerns in Kerkwitz.

„Diese Menschen nehmen mir meine Heimat“, sagt Elisa Hube. Die 17 Jahre alte Schülerin möchte nach dem Abitur nach Dresden oder Leipzig ziehen und eine Ausbildung zur Immobilienkauffrau machen. Kerkwitz aber soll einen Platz in ihrem Leben haben. „Vielleicht kann ich meinen eigenen Kindern dann später nie zeigen, wo ich aufgewachsen bin“, fügt sie traurig hinzu. Doch die Hoffnung will sie nicht aufgeben. Keiner der Dorfbewohner will das.