Die rechtsextreme NPD konnte bislang nicht richtig Fuß fassen in Brandenburg, dafür wächst jedoch die Neonazi-Szene außerhalb von Parteistrukturen. Diese Entwicklung sei Besorgnis erregend, warnten Innenminister Dietmar Woidke (SPD) und Verfassungsschutzchefin Winfriede Schreiber am Donnerstag in Potsdam. Beide stellten den Verfassungsschutzbericht 2011 vor.
Weniger NPD-Mitglieder, mehr Neonazis
Demnach sank die Zahl der NPD-Mitglieder im Jahr 2011 im Vergleich zu 2010 um 20 auf 350. Die Übernahme der einst 150 Mitglieder der rechtsextremen DVU sei praktisch gescheitert, sagte Schreiber. Dabei habe die NPD heftig um die ehemaligen DVU-Leute geworben. Übergetreten seien nur wenige.
Dafür stieg laut Schreiber die Zahl der Neonazis um 30 auf 410. Die Zahl der Neonazi-Gruppen erhöhte sich um eine auf neun. Nach Angaben von Schreiber zeigen Neonazis eine „eindeutige Wesensverwandtschaft“ zur früheren NSDAP. Der Schwerpunkt der Aktivitäten liege im Süden Brandenburgs. Dort macht vor allem der „Widerstand Südbrandenburg“ verstärkt auf sich aufmerksam. Mit seinen Kampagnen „Volkstod“ und „Werde unsterblich“ seien unangemeldete Aufmärsche und ideologische Schulungen verbunden.
Neu ist laut Schreiber die Verbindung zwischen Rechtsextremismus und Kampfsport. Dieses neue gesellschaftliche Phänomen sei eine Herausforderung für die Zivilgesellschaft. Der brandenburgische Verfassungsschutz habe das Thema als erste Länderbehörde in seinem Bericht aufgegriffen und informiere bereits Sportvereine über den Trend. Zwei Neonazis seien im Jahr 2011 von Sportvereinen ausgeschlossen worden.
Körperkult und Agitation beim Kickboxen
Besonders beliebt bei den Rechtsextremisten ist das Kickboxen. Das Netzwerk „Widerstand Südbrandenburg“ organisiert „Nationale Kampfsportturniere“. Bekannt ist dem Verfassungsschutz auch die in Lübben gegründete „Northsidecrew“, die sich als „nationale Kampfsportvereinigung“ versteht. Die Mitglieder haben dem Bericht zufolge enge Kontakte zu Hooligans in Cottbus. Als „erschreckend“ bezeichnen die Verfassungsschützer die von der „Northsidecrew“ beabsichtigte Nähe zur früheren SA. So erinnere das Wappen mit zwei Dolchen an die Bewaffnung der SA.
Schreiber sprach angesichts des neuen Trends von einer „gefährlichen Entwicklung“. Es bilde sich ein rechtsextremistisches Kampfsportmilieu heraus. „Die Neonazis wollen sich selbst zur Waffe formen und diese dann auch einsetzen.“ Die Szene werde aggressiver.
Doch den Rechtsextremisten gehe es nicht nur um Körperkult. Bei den Kämpfen trügen sie auch öffentlichkeitswirksam ihre Gesinnung zur Schau. So sei der bekannte Rechtsextremist Markus Walzuck bei einem Kickbox-Kampf im südbrandenburgischen Lauchhammer bei rechtsextremistischer Hassmusik in den Ring gestiegen. Die Kämpfe würden als Plattform für die Agitation genutzt. Die Eröffnungsrede eines Kampfes gleiche einer Kampfansage an den demokratischen Rechtsstaat.
Zudem verdienen die Neonazis dem Bericht zufolge Geld mit dem Kampfsport. Neben Ein- und Antrittsgeldern bei Turnieren kassieren sie auch für bedruckte Shirts oder Videos von inszenierten Kämpfen.