Berlin. Rund 8000 Künstler leben in Berlin, 400 Galerien gibt es. Sie tragen nicht unerheblich bei zum kreativen Flair der Hauptstadt bei. Dass Berlin sich verändert, sich die Stadt zunehmend verdichtet, spüren auch die Künstler. Ateliers im Stadtzentrum zu erschwinglichen Preisen zu mieten, ist kaum mehr möglich. Sie zu sichern, ist ein Kernpunkt in der Agenda von Kultursenator Klaus Lederer.
Nicht nur in der City, sondern auch die Außenbezirke sind zunehmend betroffen, hier werden Studios knapp, weil neu gebaut wird. Laut einer Berechnung durch den Kulturausschuss gehen jedes Jahr 350 bezahlbare Ateliers verloren. Bis 2020 bräuchte die Stadt 2000 neue Ateliers, um zumindest einem Drittel der Künstler einen Arbeitsraum zu sichern.
Kündigung für Ende nächsten Jahres
So geht es auch den 35 Künstler aus der Mörikestraße 4-12. Seit 2013 wird das 2000 Quadratmeter große, zweigeschossige Gebäude - ehemals eine Berufsschule - vom Eigentümer, einem Münchner Architekten, vermietet. Die Mietpreise der 15 bis 85 Quadratmeter großen Ateliers lagen damals unter vier Euro, heute sind es zehn Euro warm. Die ersten Künstler haben nun eine Kündigung für Ende nächsten Jahres erhalten. Peter Ottmann hatte den Künstlern zuvor überraschend verkündet, das Gebäude abreißen zu wollen, weil ein Gutachten belegt habe, dass sich eine Sanierung nicht lohne. Der Enttäuschung sitzt tief: „Hier hat sich doch über die Jahre etwas entwickelt“, erzählt Raik Hölzl. Im Kiez gäbe es eine Durchmischung, wie es sie in Prenzlauer Berg und Mitte nicht mehr zu finden wäre. Spürbar sei ein starker Zuzug aus Neukölln, viele junge Leute würden in den Bezirk kommen.
Unterstützung erhalten die Künstler von Katalin Gennburg, Linke-Abgeordnete, die zum Vor-Ort-Termin geladen hat. Für sie ist die Mörikestraße ein Aufwertungsprojekt des Eigentümers, ein klarer Fall von Gentrifizierung. Sie erinnert sich noch gut an den Kulturtreff Treptopolis an der Rinkartstraße, eine frühere DDR-Kaufhalle, die 2014 schließen musste, weil auf dem Gelände Wohnungen gebaut werden sollten. Jetzt wollen die Künstler die Nachbarschaft mobilisieren und Kontakt zum Kultursenator und zum Atelierbeauftragten aufnehmen.
Bau eines separaten Atelierhauses
Ottmann hat den Künstlern zwar in Aussicht gestellt, neben mehreren Neubauten auch ein separates Atelierhaus zu bauen. Das Gebäude würde aber wesentlich kleiner ausfallen. Doch so lange es weder konkrete Pläne noch Verträge dafür gibt, herrscht große Unsicherheit in der Mörikestraße. „Wohin sollen wir in der Zwischenzeit, ehe so ein Neubau überhaupt fertig würde?“, fragt Sebastian Körbs. So ein Umstand wäre für viele von ihnen finanziell eine Katastrophe.
Bezirksbürgermeister Oliver Igel hat Ende November einen Brief nach München geschickt, mit der Bitte um eine „gute Lösung“. Ottmann, so ist auf seiner Website zu lesen, hat zahlreiche Projekte öffentlicher wie privater Bauherren in Zusammenarbeit mit Künstlern realisiert. Bleibt zu hoffen, dass der Architekt auch die Künstler aus der Mörikestraße in seine Pläne miteinbezieht.