Rund um die Harzer Straße verkommt ein Kiez. Lumpen und Bauschutt liegen herum. Noch schlimmer sieht es auf einem Privatgrundstück aus.
Seit 37 Jahren wohnt Jürgen Gruber an der Harzer Straße in Neukölln, davon fast zehn Jahre mit Blick auf die Mauer. „Anfangs war es ein schönes ruhiges Wohnen hier im Kiez“, sagt der 82-Jährige. Wenn er jetzt durch den Kiez läuft, durch die Teupitzer, die Heidelberger und die Treptower Straße, ärgert er sich jeden Tag. Am Straßenrand und in den Grünanlagen liegen Lumpen, Bauschutt, Matratzen, alte Stühle, Eimer, Decken.
Rattenplage am U-Bahnhof Warschauer Straße
Noch schlimmer sieht es auf einem Privatgrundstück an der Ecke Treptower und Heidelberger Straße aus. Solange es warm war, hatten Sinti und Roma dort ihre Zelte aufgeschlagen. Die Zelte sind weg, aber der Rest, wie Hausrat, Decken, Kissen, Kinderwagen, ist geblieben. Jürgen Gruber hat sich vergeblich an die Ämter gewandt. Mittlerweile haben sich Ratten in dem Unrat angesiedelt. Die Verwahrlosung des Kiezes, so stellt sich heraus, liegt nicht zuletzt daran, dass sich keiner so richtig zuständig fühlt.
Seit der Wende liegt das Quartier quasi immer noch im Niemandsland. Um überhaupt herauszufinden, wer zuständig ist, müssen die Bezirksverwaltungen von Neukölln und Treptow-Köpenick genaue Hausnummern wissen. Die Bezirksgrenze zerschneidet manche Straßenzüge. Neukölln meldet sich zuerst mit der Auskunft, nicht zuständig zu sein. Es sei mit Sorge beobachtet worden, wie das Grundstück als Übernachtungsort für obdachlose Menschen aus Südosteuropa genutzt wurde, heißt es aus dem Bezirksamt.
Auch die Rattenplage sei bekannt, man verstehe jeden, der sich darüber beschwert. Doch das Grundstück liege an der Bezirksgrenze, Treptow-Köpenick sei zuständig. Dort heißt es, das Ordnungsamt habe mehrfach das Umweltamt wegen der Vermüllung, das Gesundheitsamt wegen der Sichtung von Ratten sowie die Polizeidirektion 6, zuständig für Hausfriedensbruch, informiert, sagt Bezirksstadtrat Rainer Hölmer (SPD). Der Grundstückseigentümer habe schon mehrere Anzeigen wegen Hausfriedensbruches bei der Polizei erstattet sowie eine Schädlingsbekämpfung wegen der Rattenplage veranlasst. Da das Ordnungsamt alle Beteiligten mehrfach informiert habe, sollen aktuelle Beschwerden und Beobachtungen nur noch direkt bei der Polizei angezeigt werden.
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Die Polizei gibt sich verwundert. Sie sei nicht zuständig, heißt es aus der Pressestelle. Die Zelte seien Anfang Dezember abgebaut worden. Mit Beschwerden über Müll oder Rattenbefall habe man nichts zu tun
Letzter Versuch: die Berliner Stadtreinigung (BSR). Sie ist zwar nicht für Privatgrundstücke zuständig, aber für den Dreck auf Gehwegen und in Büschen. Es habe in der Gegend Verzögerungen bei der normalen Straßenreinigung durch die BSR gegeben, also bei der Beseitigung von Kleinabfällen aus dem öffentlichen Straßenland, sagt Sprecher Sebastian Harnisch. Durch das anhaltende Winterwetter hätten die Reinigungskräfte auf Winterdienst umschalten müssen. Der habe stets Vorrang. Sobald sich die Wetterlage entspanne, könne die Straßenreinigung in vollem Umfang wieder aufgenommen werden. Für alle anderen illegalen Müllablagerungen sei aber das Ordnungsamt zuständig.
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