So wohnt Berlin

Treptow-Köpenick ist ein Szenebezirk „light“

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Patrick Goldstein

Foto: Sergej Glanze / Glanze

Wer aus einem Szenekiez auszieht, entscheidet sich häufig für Treptow-Köpenick. Hier gibt es Hipster-Viertel mit menschlichem Antlitz. Und: Es ist grüner als anderswo.

Für viele jüngst Zugezogene ist der Bezirk eine „Art Szenekiez light“. Alt-Treptow und der Plänterwald sind Hipster-Viertel mit menschlichem Antlitz. Das genießt etwa die junge Mutter Silke Brunner. „Wir haben bis vor zwei Jahren in Prenzlauer Berg gelebt.“ Was sie in Treptow-Köpenick seitdem besonders vermisst? Brunner lacht. „Gar nichts.“

Es ist hier grüner als anderswo, Arm und Reich leben dicht beieinander und Industriebauten zeugen nicht selten als Ruinen von vergangener Vitalität und Wirtschaftskraft: Kunst und Glamour mögen fehlen, sonst aber ist Treptow-Köpenick insgesamt überraschend repräsentativ für Berlin. Der aktuelle Wohnmarktreport Berlin 2015 von Bankhaus Berlin Hyp und Immobiliendienstleister CBRE fasst es treffend zusammen: Das Bild sei geprägt vom „bunten Nebeneinander“ hochwertiger, mittlerer und eher einfacher Lagen.

Silke Brunner schiebt ihre zweijährige Tochter im modernen Dreiradwagen durch die teuerste Lage im Bezirk. In der Straße Am Treptower Park fahren die Autos so laut, dass die Arbeiter am Rand der drei Spuren zwischen Laub und Bäumen ihre eigenen Motorsägen kaum hören. Aber hier, im Areal mit der Postleitzahl 12435, zahlen die Anwohner dennoch 8,75 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter. Das liegt über dem Berliner Durchschnitt von 8,55 Euro, über dem Bezirksmittel sowieso (7,40 Euro).

>> Interaktive Grafik: Wie stark die Mieten in den Kiezen steigen

„Für Menschen mit Kindern ist das hier perfekt“, sagt Silke Brunner. Die Miete ist deutlich geringer als im alten Viertel in Prenzlauer Berg. „Für uns war jetzt die Nähe zum Park ausschlaggebend. Zudem die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung.“ Wie ihr Partner ist sie im Bereich Catering beschäftigt. Zum Arbeitsplatz - wo während der Berlinale momentan viel zu tun sei - gelangt man per Ringbahn oder Fahrrad. Und wenn die ehemaligen Prenzlauer Berger wirklich wieder Sehnsucht nach Nachtleben oder Coffee-to-go haben, seien sie in wenigen Minuten in Kreuzberg.

Die nordwestliche Spitze des Bezirks prägen Bedürfnisse und Gewohnheiten, die man aus dem angrenzenden Kreuzberg kennt. Wo die Stadt einst geteilt war, heißen Geschäfte heute Lillahopp und bieten ökologische Babykleidung. Die Spezialbäckereien sichern eine ausreichende Versorgung mit Vollkornware und um die Ecke von den Ost-Mietskasernen der Lohmühlenstraße sitzt man mit Laptop und Latte im Café „Zimt und Mehl“.

Rund ein Drittel teurer

Claudia Krieg und ihre Wohngemeinschaft haben ebenfalls einen Szenebezirk verlassen. „Wir sind wegen Eigenbedarfs aus der alten Wohnung hinausgeflogen“, sagt sie, während sie ihr neun Monate altes Kind gen Park steuert. Die Gemeinschaft wollte nicht auseinanderbrechen. „Aber wir mussten uns arrangieren“, sagt Claudia Krieg. Dies bedeutete, dass die Mitbewohner für ihr neues Domizil auf der anderen Seite der Bezirksgrenze mehr ausgeben mussten. Rund ein Drittel teurer ist jetzt der Wohnungsanteil der Journalistin. Doch die Gegend ist es ihr wert. Sie hebt die „wahnsinnig ruhigen“ Seitenstraßen hervor. Dort, wo die Kronleuchter aus Wohnungen mit reich verzierten Decken strahlen, haben sich Psychotherapeuten, Naturheiler und Ingenieure niedergelassen. Zum Einkaufszentrum sind es nur ein paar Schritte.

Benachbarte Viertel im Bezirk stoßen bei den neuen jungen Bewohnern von Treptow-Köpenick dagegen auf weniger Begeisterung. Silke Brunner und ihr Partner etwa hatten sich bewusst gegen Ober- und Niederschöneweide entschieden. Dort kostet die Kaltmiete aller Marktsegmente nur 6,60 und 6,87 Euro, heißt es in Wohnmarktreport. Beide Gebiete werden darin als „einst große Industriegebiete“ bezeichnet, die aber inzwischen von Durchgangsverkehr stark belastet seien.

Reiche Haushalte in Rahnsdorf

Das Regionalmanagement Schöneweide bemüht sich um eine Aufwertung der Gegend. Dabei setzt man auf die Ansiedlung von Wirtschaft und Kultur. Leiter Thomas Niemeyer prognostiziert für seinen Aufgabenbereich höhere Mieten. Dies brächte allein schon die zunehmende Errichtung von Studentenunterkünften mit sich. Bereits jetzt habe er auf einer Diskussionsveranstaltung von der Sorge der Anwohner vor einer Gentrifizierung des Kiezes erfahren.

Von einer solchen Entwicklung weit entfernt ist Baumschulenweg. Nirgendwo im Bezirk ist die Kaufkraft pro Haushalt niedriger. 2305 Euro stehen dort monatlich zur Verfügung, Berlins Durchschnitt liegt bei 2951 Euro, das Mittel von Treptow-Köpenick sind 2757 Euro. Die Spitzenverdiener lokalisiert die Studie in Rahnsdorf. 3668 Euro hat man dort pro Monat. Als Mietmarkt (88 Angebote) spielt das Stadtrandviertel keine Rolle. Es dominieren Einfamilienhäuser. Noch geringer sei das Angebot in Bohnsdorf (77). Es befinde sich zwar nahe dem künftigen Großflughafen, liege allerdings „fast vollständig außerhalb seiner Einflugschneisen“.

Für Adlershof wurde eine durchschnittliche Kaltmiete von 7,25 Euro ermittelt. Im Künstlerviertel Friedrichshagen zahlt man 7,52 Euro. Langfristig scheinen Investoren viel Potenzial in Treptow-Köpenick zu erkennen. Im Ranking der Neubauvorhaben steht der Bezirk mit 2040 Wohnungen berlinweit an vierter Stelle. Positiv für die Berliner: Die geplanten Verkaufspreise und Miethöhen zählen zu den niedrigsten der Stadt.

Die interaktive Grafik der Berliner Morgenpost zeigt, wie die Mieten in den Kiezen steigen: morgenpost.de/mieten-in-berlin. Unter morgenpost.de/sowohntberlin finden Sie alle Teile der Wohnserie