Alles am Fluss

Schwimmen in Deutschlands einzigem Pool auf dem Wasser

| Lesedauer: 7 Minuten
Paul Hertzberg

Foto: Martin U. K. Lengemann

Das Badeschiff in Treptow ist Deutschlands einziger Swimmingpool auf einem Fluss. Abends wird das Areal an der Spree zu einem Ort des Nachtlebens. DJs legen auf, der Sand ist die Tanzfläche.

Einfach das Handtuch ausbreiten. Sich hinlegen, die Augen schließen und die Zehen im warmen, weißen Sand vergraben. Im Hintergrund das Lachen der Badenden und das Plätschern des Wassers. Später einen Drink holen, einen Caipirinha vielleicht, an der Bar, deren Holz in der Hitze einen intensiven Geruch verströmt. Den Eiswürfeln beim Klirren zuhören, wenn der Barkeeper das Glas mit seiner beschlagenen Oberfläche auf den Tresen stellt. Und zufrieden feststellen, dass das einzige Problem gerade darin besteht, das Getränk nicht aus den von Sonnencreme schmierigen Fingern rutschen zu lassen.

Urlaubsfantasien leben von ihrem Klischee. Deswegen versuchen wir auch ständig, sie selber zu kreieren. Beachclubs am Kanal, Beachvolleyballfelder im Hinterhof, Topfpalmen zwischen den Plastikstühlen eigentlich ziemlich deutscher Imbissbuden. Meistens wirkt das dann doch eher bemüht. Kann man also Strandgefühl mitten in die Stadt holen? In Berlin kann man. Zumindest wenn man sein Handtuch am Badeschiff am Treptower Spreeufer ausbreitet.

Mitten in der Stadt am Strand

Es ist heiß hier am Mittag. Strandheiß. Dieses Detail stimmt schon einmal. Über den Handtüchern, die Kante an Kante auf dem Sand und dem Holzsteg liegen, flimmert die Luft. Ein Bademeister in einem weißen T-Shirt schlängelt sich zwischen den Gästen hindurch und ruft: „Vergesst nicht, euch einzucremen, Leute, sonst wird’s übel!“ An einer Holzwand hängt ein blau-weiß gestreifter Rettungsring. Auf dem Schild in der Mitte steht: „Sonnencreme 2,90 Euro“. Zumindest um Madeline, Maud und Anne muss sich der fürsorgliche Bademeister keine Gedanken machen. Zum dritten Mal in einer Stunde schmieren sich die drei Studentinnen aus Holland Arme und Beine ein. „Ist doch irre“, sagt Madeline. „Wir sind mitten in der Stadt – am Strand.“ Sie springt auf und tapst auf Flip Flops zur Bar. Der Sand ist zu heiß, um barfuß zu gehen.

Sie kommt wieder mit drei Coronas, in den Flaschenhälsen stecken Limonenschnitze. Die drei Freundinnen haben Urlaub und reisen durch Europa. Ein paar Tage waren sie in Berlin. Reichstag, Checkpoint Charlie, der Dom. Das Badeschiff war das letzte Muss auf ihrer Liste. „Man könnte hier wirklich vergessen, dass man in Berlin ist“, sagt Madeline.

Pool war mal Mittelteil eines Binnentransporters

Von ihrem Platz aus schauen die drei über Hunderte Besucher. 1000 sollen hier insgesamt Platz haben. Die wenigen Liegestühle sind schon lange besetzt. Schatten gibt es kaum. Irgendwo weiter hinten staucht ein großer Mann einen Freund zusammen, als zwei Frauen versuchen, sich neben ihn zu quetschen. „Macht doch mal Platz für die Ladys!“, ruft er mit in die Hüfte gestemmten Armen. Hinter ihm führt ein breiter Holzsteg ins Wasser. An seinem Ende liegt türkisblau der berühmte Pool.

Dutzende Besucher tummeln sich im Wasser, tauchen kurz unter, viel mehr ist in dem Gewimmel nicht möglich. Am Beckenrand macht man, was man halt so am Beckenrand macht. Zwei Jungs versuchen, eine Freundin ins Wasser zu schubsen, ein Pärchen küsst sich. Und um sie herum: die Spree. Man schaut auf die Bauten der Mediaspree, auf die Türme der Oberbaumbrücke, auf der die U-Bahn vorbeirauscht. Hin und wieder fährt ein Touristendampfer vorbei oder ein Boot der Wasserschutzpolizei.

Der Pool war einmal der Mittelteil eines Binnentransporters. Jetzt ist er vertäut, umgedreht, mit Folie bezogen und Wasser gefüllt. Seit seiner Gründung im Jahr 2004 ist es eines der Wahrzeichen des hippen und kreativen Berlin.

Wer in die Spree springt, hat Hausverbot

Dabei ist die Idee eines schwimmenden Pools nicht neu. Bis zur Jahrhundertwende erfreuten sich Badeschiffe in ganz Europa großer Beliebtheit. Das erste seiner Art wurde 1761 auf der Seine in Paris eröffnet. Dann kam die Industrialisierung, die Verschmutzung, Flüsse wurden immer brauner, und den Menschen verging die Lust am Schwimmen. In Deutschland ist das Berliner Badeschiff mit seinen 32 Metern Länge, zwei Metern Tiefe und 295 Kubikmetern Füllvermögen heute einzigartig, etwas Vergleichbares gibt es nur in Wien. Dort ist das Becken allerdings deutlich kleiner. Das Badeschiff in Berlin hat zudem sogar im Winter geöffnet. Ein isolierendes Gerüst wurde über dem Becken errichtet, Saunen installiert und das Wasser auf 24 Grad erwärmt. Ob man dieses Jahr auch wieder neben Eisschollen seine Bahnen ziehen können wird, steht noch nicht fest. Nach einem Betreiberwechsel wird die Organisation des Schwimmbads umgestellt.

Der Fluss sieht an diesem Hochsommertag übrigens erstaunlich verlockend aus, das grünliche Wasser glitzert in der Sonne. In die Spree springt dennoch niemand. „Das macht man einmal“, sagt eine Mitarbeiterin des Schwimmbads. „Dann heißt es Hausverbot.“

Um 21.18 Uhr geht die Sonne offiziell unter. Erst dann wird es auf dem Areal ein wenig ruhiger. Im Becken sind nur noch vereinzelt Menschen zu sehen. Zum ersten Mal an diesem Tag wird in ihm tatsächlich geschwommen.

Zweitschönste Beachbar der Welt

Langsam gehen auf dem Gelände bunte Lichter an. Die Badegäste werden abgelöst von Männern in Lederjacken und Frauen mit hohen Absätzen. Es wird Wein getrunken, aus den Boxen weht jetzt der sanfte Klang eines Saxofons über den noch warmen Sand. Das Badeschiff wird abends ein Ort des Nachtlebens. Der Club der Visionäre liegt direkt um die Ecke, die Straßen rund ums Schlesische Tor sind gesäumt von Bars und Kneipen. Am Wochenende legen DJs auf, der Sand wird zur Tanzfläche.

Die Bar des Badeschiffs wurde vor Kurzem übrigens von einem Online-Reiseportal zur zweitschönsten Beachbar der Welt gewählt. Noch schöner ist es demnach nur an einer Theke in Jamaika. Die Repräsentativität der Umfrage darf angezweifelt werden, doch um diese Zeit, wenn auf dem Gelände bunte Lichter angehen und das Holz des Stegs in eine Mischung aus Orange und Pink tauchen, kann man das gut verstehen. Auch der Pool ist um diese Zeit noch beleuchtet, bis Mitternacht bleibt er im Schnitt geöffnet. So lange muss der Bademeister noch Wache halten.

Pool, Bar und Strandbereich sind täglich ab 8 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet fünf, ermäßigt drei Euro, Kinder bis zwölf Jahre zahlen zwei Euro, unter sechs Jahren ist der Eintritt frei. Weitere Informationen unter arena-berlin.de/badeschiff