Berlin. Gleich zwei Bezirke setzen sich für gleichgeschlechtlichen Ampelfiguren ein. Sie sollen ein leuchtendes Zeichen für Toleranz sein.
Es soll ein gut sichtbares, sogar leuchtendes Statement für mehr Toleranz und Diversität sein. Als zweiter Berliner Bezirk möchte Tempelhof-Schöneberg queere Ampelfiguren einführen. Auf Vorschlag der SPD-Fraktion der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) sollen die händchenhaltenden, gleichgeschlechtlichen Figuren im weit über Berlins Grenzen hinaus für seine Schwulenszene bekannten Regenbogenkiez um den Nollendorfplatz in Schöneberg zu sehen sein.
„Gleichgeschlechtliche Ampelpärchen rücken die Vielfalt von Lebensentwürfen stärker in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung und setzen ein Zeichen für mehr Toleranz gegenüber queeren Menschen”, kommentiert Manuela Harling, Sprecherin für Frauen-, Queer- und Inklusionspolitik der SPD-Fraktion den Beschluss. Im Fokus habe ihre Fraktion die Kreuzung südlich des Nollendorfplatzes. Jene, die sich am Konzerthaus „Metropol“ befindet.
Erstes Ampelfiguren-Pärchen solle zum nächsten Sommer kommen
Schon zu Beginn des „Pride Months“ in Berlin Ende Juni 2023 sollten die Figuren an Ampeln des Regenbogenkiezes zu sehen sein. Die Berliner Senatsverkehrsverwaltung reagiert zwar positiv auf den Vorschlag. „Die Überlegungen zu queeren Ampelfiguren sind durchaus interessant, in einer Stadt, die wie kaum eine andere für gelebte Vielfalt steht“, schreibt eine Sprecherin auf Anfrage.
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Über die konkrete Machbarkeit bleibt sie jedoch zurückhaltend und argumentiert mit der bundesweit geltenden Straßenverkehrsordnung (StVO). So müssten Ampellichter für Fußgänger auch mit einer Darstellung eines Fußgängers versehen sein, um eindeutig zuzuordnen zu sein. „Darstellungen, die nicht mehr mit dem Sinnbild ,Fußverkehr‘, welches in § 39 StVO abgebildet ist, in Einklang gebracht werden können, lösen also keine Verhaltensvorgabe nach der StVO aus“, so die Sprecherin.
Queere Ampelfiguren – viele andere deutsche Städte machen es vor

Ein Fußgängerpärchen widerspricht dieser Regelung jedoch nicht, wie der Blick in andere deutsche Städte zeigt. Während in Berlin zwar schon häufiger über die queeren Ampelfiguren diskutiert wurde, sich die Verwaltung aber noch nicht dazu durchringen konnte, lassen sich diese in München, Göttingen, Braunschweig, Münster, Hamburg, Frankfurt am Main, Köln, Hannover, Marburg oder auch Wien schon seit einigen Jahren finden. In München waren sie zuerst im Glockenbachviertel zu sehen, ein Kiez, in dem sich viele queere Bars und Cafés befinden.
Im Jahr 2015 führte die österreichische Hauptstadt die gleichgeschlechtlichen Piktogramme an seinen Lichtsignalanlagen ein. Statt der normalen Figuren waren damals an 49 Stellen heterosexuelle, schwule und lesbische Figurenpaare eingebaut worden. Und auch andere Abweichungen findet man: In Mainz etwa gibt es Ampeln mit Mainzelmännchen, in manchen Städten sind „Ampelmädchen“ vertreten.
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Friedrichshain-Kreuzberg wünscht sich auch queere Ampelfiguren
Doch Tempelhof-Schöneberg ist nicht der erste Berliner Bezirk, der den Wunsch nach den gleichgeschlechtlichen Lichtfiguren äußert. Zuvor hatte in diesem Sommer Friedrichshain-Kreuzbergs Bezirksbürgermeisterin Clara Hermann (Grüne) diesen Vorschlag für ihren Bezirk unterbreitet.

Auf Berlins Ampeln gibt es indes zwei Versionen des Ampelmännchens. Das typische Ost-Berliner Ampelmännchen entstand im Jahr 1961. Besonders daran ist der Strohhut, den die Figuren tragen. Angelehnt ist dieses Merkmal an den damaligen Staatschef Erich Honecker, der einst mit einem solchen Hut zu sehen war. Nach der Wende wurden immer mehr der Ost-Ampelmännchen gegen die Westversion getauscht.
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Verschwunden ist es jedoch nicht. Noch immer sind unzählige Ampeln damit versehen – auch im ehemaligen Westteil Berlins. Bis heute bewahrt die Marke „Ampelmann“ das Design des Erfinders Karl Peglau, hat Produkte wie T-Shirts und Tassen in die ganze Welt getragen. Die gleichgeschlechtlichen Figuren sollen dabei keineswegs zur Verdrängung der bekannten Ampelmännchen führen, wie Manuela Harling betont.
Rollstuhlfahrer statt Ampelmännchen
„Es geht nicht um flächendeckenden Einsatz der gleichgeschlechtlichen Ampelfiguren“, sagt die SPD-Politikerin. Dass die traditionellen Lichtsignale verdrängt werden, halte sie bei gut 2100 Ampelanlagen, die Berlin betreibt, eh für unwahrscheinlich und zudem nicht angestrebt. „Die dürfen nebeneinander existieren“, so Harling.
Bislang habe man andere mögliche Darstellungen wie ältere Menschen oder Rollstuhlfahrer auf Ampeln in ihrer Fraktion noch nicht in den Blick genommen, so die SPD-Politikerin. „Wir haben das erst mal nur im queer-politischen Zusammenhang diskutiert.“ Auf Bezirksebene gebe es zudem wenig, was man machen könnte, um etwa auf queer-feindliche Angriffe, die es nicht nur im Regenbogenkiez, sondern auch berlinweit immer wieder gebe, tun könnte. Dass Berlin auf diesem Weg darauf reagiert, halte sie für längst überfällig. „Es ist an der Zeit“, so Harling.