Berlin. Im Hauptzollamt Berlin wird die Berliner Morgenpost offenbar genau gelesen. So kam es, dass ein Bericht dieser Zeitung einen bürokratischen Vorgang auslöste, der einerseits von der wachen Aufmerksamkeit der Steuereintreiber zeugt, andererseits aber auch einige Wissenslücken über die Energiewende und die Digitalisierung offenbart.
In der ruhigen Zeit zwischen den Jahren hatte die Morgenpost über die Bestrebungen im Gewerbegebiet Motzener Straße in Marienfelde berichtet, den Energiebedarf der dort ansässigen Firmen zunehmend über Solarstrom und weitere erneuerbare Quellen zu decken. Das umtriebige Unternehmensnetzwerk hat an einem der größten Gewerbegebiete Berlins ganz im Süden der Stadt ein virtuelles Kraftwerk aufgebaut.
Im virtuellen Kraftwerk werden erzeugte Ökostrommengen gemeinsam digital erfasst
Darin werden die in mehr als 20 verschiedenen Anlagen der Firmen erzeugten sauberen Energiemengen digital erfasst und gemeinsam messtechnisch ausgewiesen. Ein nicht unübliches Verfahren, um den Effekt von vielen kleineren dezentralen Anlagen zu bündeln, sichtbar zu machen und um weitere Mitstreiter zu werben.
Das Hauptzollamt jedoch wurde misstrauisch. Hat da ein Verein ein neues Kraftwerk gebaut und vermeidet es, die fälligen Stromsteuern zu bezahlen? Ein entsprechendes Schreiben ging Ende Januar bei Ulrich Misgeld, dem Sprecher des Netzwerkes ein. Der Beamte argwöhnte, Misgelds beteiligte Unternehmen könnten dem Verein die „Verfügungsgewalt“ eingeräumt haben. Folglich übe dieser die „unmittelbare Sachherrschaft“ aus und nehme somit den „Realakt der Stromerzeugung“ vor. „Sie erfüllen daher die Betreibereigenschaft und sind Träger der steuerlichen Pflichten“, schlussfolgert der Beamte und verlangt ausführliche Stellungnahmen zu den verwendeten Anlagen, der erzielten Leistung und technischen Details.
Unternehmensnetzwerk erklärt Beamten, was es mit einem solchen Projekt auf sich hat
Misgeld antwortete kurz darauf mit einem Brief und klärte auf, was es mit einem „virtuellen Kraftwerk“ auf sich habe, dass das Projekt vom Berliner Senat gefördert sei, dass der Strom von den Firmen verbraucht oder ins Netz eingespeist und nicht untereinander ausgetauscht werde. Seitdem habe er nichts mehr vom Zollamt gehört, sagte Misgeld. Er gehe aber davon aus, dass sich noch weitere Anlagen dem virtuellen Kraftwerk zuschalten werden.