Berlin. Eine Serie von Angriffen auf hauptsächlich transgeschlechtliche Sexarbeiter hat im März dieses Jahres die Kurfürstenstraße in Schöneberg in Atem gehalten. Nun vermeldete Innen-Staatssekretär Torsten Akmann (SPD) in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des SPD-Abgeordneten Tom Schreiber die Aufklärung des Verbrechens. Sofort eingeleitete polizeiliche Maßnahmen hätten zur Namhaftmachung von tatverdächtigen Personen und Beendigung der Straftatenserie geführt, schrieb er.
Eigentlich ein toller Ermittlungserfolg - doch offenbar nur die halbe Wahrheit. Denn bei Polizei und Staatsanwaltschaft weiß man gar nichts von dem Erfolg. Dort hieß es auf Nachfrage der Berliner Morgenpost, dass die Ermittlungen eingestellt worden seien, ein Täter nicht ermittelt werden konnte. Das ganze Verfahren habe eine UJs-Akte - das heißt, dass das Ermittlungsverfahren die ganze Zeit gegen Unbekannt geführt wurde. Nun herrschen bei Staatsanwaltschaft, Polizei und Innenverwaltung Rätselraten, wie die Vermeldung des Ermittlungserfolges, der offenbar gar keiner ist, zustande kam. Nach Informationen der Berliner Morgenpost gab es tatsächlich mal Tatverdächtige, die die Polizei im Visier hatte. Der Verdacht hat sich aber nicht erhärtet.
Die Polizei vermutete hinter den Attacken im März ein Hassverbrechen, weshalb die Bearbeitung des Falles auch beim dafür zuständigen Landeskriminalamt liegt. Mehrere Prostituierte wurden damals mit einer Flüssigkeit bespritzt. Die Mehrzahl der Opfer waren transgeschlechtliche Sexarbeiter. Auch männliche und weibliche Prostituierte wurden attackiert.
Die Angriffe erfolgten auf offener Straße. Erst hieß es, dass es sich bei der Flüssigkeit um Säure gehandelt haben soll. Vor Ort berichteten Zeugen der Berliner Morgenpost, dass es Spülmittel gewesen sei. Im April stoppte die Serie. Weitere bekannte Attacken gab es laut Polizei nicht. Ermittler vermuten, dass die verstärkte Polizeipräsenz vor Ort und die Zeugenbefragungen die Täter verschreckt haben und die Serie deshalb zum Erliegen kam.
Penthouse für 1,6 Millionen Euro, nebenan Sex für 20 Euro
In der Vergangenheit gab es an der Kurfürstenstraße wie berichtet auch des Öfteren Revierkämpfe zwischen Zuhältern. Auch dieser Hintergrund sei bei der Polizei geführt worden. Um die Kurfürstenstraße gibt es aber schon seit vielen Jahren Diskussionen. Dort wo Prostituierte Sex für 20 Euro verkaufen, entstehen teure Penthouses für 1,6 Millionen Euro. Anwohner stören sich am Straßenstrich vor ihrer Haustür, wo sich Prostituierte zu jeder Tageszeit anbieten, um mit ihnen Sex im Freien zu haben. Anwohner berichten von zurückgelassenen Kondomen, Tüchern und Fäkalien. Der Bezirk hatte als eine Maßnahme mobile Komposttoiletten aufstellen lassen.
Kürzlich macht Mitte Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) den Vorschlag, Verrichtungsboxen nach dem Vorbild Kölns aufzustellen, wo Freier mit den Prostituierten mit dem Auto in carport-ähnliche Anlagen fahren können. Ergänzt werden solle das Konzept um vom Bezirksbürgermeister schon lange favorisierten Sperrbezirk. Für die Verrichtungsboxen brachte von Dassel auch Park- und Abstellflächen am Flughafen Tempelhof ins Gespräch.
Regenbogenkiez kein gefährlicher Ort mehr
In der Nähe der Kurfürstenstraße liegt auch der Regenbogenkiez. Das Gebiet zwischen. Nollendorfplatz, Winterfeldplatz, Viktoria-Luise-Platz und Wittenbergplatz galt viele Jahre als einer der Kriminalitätsschwerpunkte Berlins. Die Polizei erhöhte ihre Präsenz im Kiez, was wiederum zu einem Rückgang der Kriminalität führt. Seit Januar dieses Jahres ist der Kiez kein Kriminalitätsschwerpunkt mehr. Laut Polizei seien die Taten im Kiez weiter rückläufig. Die Behörde begründet das mit den vielen Schwerpunkteinsätzen. Allein Im Jahr 2017 waren es 42, im Jahr 2018 waren es 30 und in diesen Jahr sieben.
Laut exklusiven Zahlen, die der Berliner Morgenpost vorliegen, wurden in diesem Jahr (bis 20. Juli) 1442 Diebstähle registriert und 369 Tatverdächtige ermittelt - das ist ein Diebstahl alle 3.4 Stunden (siehe Infografik). Laut diesen Zahlen kommt es es auch alle zwei Wochen zu einem Sexualdelikt, aller 4 Tage zu einer Beleidigung, jeden dritten Tag zu einem Drogendelikt und mindestens einmal im Monat zu Straftaten gegen die sexuelle Orientierung.
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