Streit um Schulleiter

Bergius-Rektor muss gehen: Staatssekretär greift Kritiker an

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Gudrun Mallwitz
Inzwischen ein Politikum: der unfreiwillige Abschied von Michael Rudolph, Leiter der Friedrich-Bergius-Schule in Friedenau.

Inzwischen ein Politikum: der unfreiwillige Abschied von Michael Rudolph, Leiter der Friedrich-Bergius-Schule in Friedenau.

Foto: Anikka Bauer

Der Schulleiter der Bergius-Schule darf nicht bleiben. Nun attackiert Staatssekretär Mark Rackles die Kritiker in einer E-Mail.

Berlin. Ein erfolgreicher Schulleiter, der gerne noch ein Jahr weiter machen möchte, von den Behörden aber gegen seinen Willen in den Ruhestand geschickt wird – diese jüngst zuerst durch die Berliner Morgenpost bekannt gewordene Entscheidung hat mächtig für Wirbel gesorgt.

War Michael Rudolph, der durch klare Regeln bekannt gewordene Rektor der Friedrich-Bergius-Schule in Friedenau, einfach nur zu unbequem geworden? Womöglich, weil er sich öffentlich dagegen wehrte, dass die „Bergius“ von der Schulinspektion – trotz der nachgewiesenen guten Resultate – als schlechte Schule abgestempelt wurde?

Empörte Reaktionen

Die Frage wurde zum Teil sehr emotional öffentlich diskutiert. In Leserbriefen und in den sozialen Medien äußerten viele Berliner ihren Unmut, aber auch Politiker auf Landes- und Bezirksebene zeigten sich empört über den Umgang mit dem verdienten Schulleiter.

Nicht an der Diskussion beteiligt hatte sich die Senatsschulverwaltung unter Sandra Scheeres (SPD). Sie schwieg zu dem im Raum stehenden Vorwurf. Mittlerweile aber hat ihr Staatssekretär Mark Rackles (SPD) reagiert. In einem der Berliner Morgenpost vorliegenden Schreiben an vier Schulpolitiker auf Landes- und Bezirksebene verteidigt er die Entscheidung, Rudolphs Antrag auf Verlängerung der Dienstzeit über das 65. Lebensjahr hinaus abzulehnen. Zugleich teilt er in scharfem Ton gegen die Kritiker aus.

Politiker: „Erfolgreichen Schulleiter abserviert“

„Senatorin Scheeres serviert mit Michael Rudolph einen erfolgreichen, für sie unbequemen Schulleiter ab“, so lautete einer der Vorwürfe aus der Politik an die Senatsschulverwaltung. Auch: „Schulleitungen, die Defizite des Berliner Bildungssystems nicht einfach hinnehmen, sondern hinterfragen, werden entweder strafversetzt oder bei der erstbesten Gelegenheit aufs Abstellgleis geschoben.“

Rackles: „Demokratisches System beschädigt“

Der Staatssekretär machte deutlich, wie er solche Sätze findet: Diese Zitate empfinde er „schlicht als unseriös“. Damit werde „das demokratische System in Gänze beschädigt“, kritisiert Rackles in der E-Mail an vier Bildungspolitiker, die sich empört über das unverständliche Vorgehen der Senatsverwaltung gezeigt hatten. Die Abgeordneten und Bezirksverordneten „skandalisierten Verwaltungshandeln“, so der Staatssekretär. Das Gleiche treffe auf die Medienberichterstattung zu.

„Das nennt man Pensionsgrenze“

„Es ist absolut normal und sogar gesetzlich vorgesehen, dass eine Dienstkraft des Landes nach 41 Dienstjahren in den Ruhestand wechselt“, schreibt Rackles. „Das nennt man Pensionsgrenze und die kommt für keine Seite überraschend.“

Der Staatssekretär verweist darauf, dass der Schulleiter den Antrag auf Nachbesetzung seiner Stelle mit ausreichend Vorlauf selbst im November 2017 beantragt habe.

Daraufhin habe man die Schulleitungsstelle am 2. Februar 2018 förmlich ausgeschrieben. Für die Stelle gebe es geeignete Kandidat/innen. „Eine Auswahl wird bis zum Schuljahresende somit erfolgen können“, kündigte Rackles an.

Tatsächlich hatte Schulleiter Rudolph erst Ende Mai 2018 die Dienstzeitverlängerung bis 31. Juli 2020 schriftlich beantragt. Bleibt jedoch die Frage, ob man die Ausschreibung nicht noch hätte stoppen können, im Sinne der Schüler und Eltern, und auch angesichts des Schulleiter-Mangels in der Hauptstadt. Mit Stand Ende Februar waren laut Senatsschulverwaltung rund 40 Schulleiterstellen in Berlin nicht besetzt, zudem fehlten 119 stellvertretende Schulleiter.

Mail geht an vier Kritiker

„Ich halte die Äußerungen für unverantwortlich und als ein Teil der „Fake-News-Problematik“ und steigenden Politikverdrossenheit“, fasst Rackles seine Kritik an den Politikern zusammen. Die E-Mail ging an die bildungspolitischen Sprecher im Abgeordnetenhaus Hildegard Bentele (CDU) und Paul Fresdorf (FDP) sowie an die schulpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion in Tempelhof-Schöneberg Martina Zander-Rade, und den Schulexperten der CDU-Fraktion, Christian Zander.

FDP-Abgeordneter Fresdorf kontert

„Es gehört zum Wesen der Demokratie, dass das Parlament die Regierung kontrolliert“, schrieb daraufhin der FDP-Abgeordnete Paul Fresdorf an Rackles zurück.

Fakt sei, dass dem Wunsch Rudolphs, über die Pensionierungsgrenze hinaus als Schulleiter tätig zu sein, nicht nachgekommen wurde. „Dies können wir uns bei der aktuellen Fachkräftesituation in Berlin nur schwer erlauben“, betonte Fresdorf. „Ihnen müsste bekannt sein, wie viele Schulleiter- und Funktionsstellen in Berlin nicht besetzt sind“, wandte er sich an den Staatssekretär.

Es sei die Pflicht als Opposition, auf diesen Umstand hinzuweisen und ihn zu kommentieren. Es gehöre aber nicht zu den Aufgaben der Regierung, dem Parlament für seine Arbeit Kopfnoten zu erteilen oder demokratisch und frei gewählten Abgeordneten zu unterstellen, diese würden sich der Demokratie abträglich verhalten, weil die getätigten Aussagen nicht in das eigene Weltbild passen, so der FDP-Abgeordnete.

Mäßigungsgebot angemahnt

Die Politiker haben nach Ansicht von Scheeres Staatssekretär in ihren Reaktionen über die Stränge geschlagen. Und umgekehrt? „Als Staatssekretär unterliegt Rackles dem Mäßigungsgebot“, unterstreicht Fresdorf. „Dem ist er mit dieser Kritik nicht gerecht geworden.

Die CDU-Abgeordnete Hildegard Bentele konterte mittlerweile in einem Brief an Rackles: „Meine Güte, Mangel und Improvisation ist doch überall offensichtlich, und Sie leisten es sich aus Unsouveränität einen verdienten Schulleiter gegen seinen Willen in den Ruhestand abzuschieben?“ Selbst wenn schon ein Nachfolger/eine Nachfolgerin in den Startlöchern stehen sollte, dann könnte doch eine andere Schule – in Schieflage – hervorragend von den Erfahrungen Rudolphs profitieren, führt Bentele an.

Inzwischen haben auch die Bezirkspolitiker reagiert, denen Rackles demokratieschädigendes Verhalten vorgeworfen hat.

Kurios: Beide erfuhren darüber erst über die Berliner Morgenpost, denn seine Beschwerde-Mail hatte sie gar nicht erreicht. Die E-Mail-Adressen waren falsch geschrieben.

Der schulpolitische Sprecher der CDU-Fraktion in Tempelhof-Schöneberg, Christian Zander, wundert sich über die Bewertung der Kritik an der Entscheidung der Senatsschulverwaltung. „Dieses Beispiel zeigt doch gerade, dass das demokratische System funktioniert.“ Wenn Rackles auf die Pensionsgrenze hinweist, so müsse er sich die Frage gefallen lassen, weshalb andere Schulleitungen den Antrag auf Verlängerung genehmigt bekommen und Rudolph nicht.

„Diese E-Mail offenbart ein fragwürdiges Verhältnis des Staatssekretärs zum demokratischen Meinungsstreit und zur Pressefreiheit", urteilt die schulpolitische Sprecherin der Grünen, Martina Zander-Rade. Sie betont: „Im Interesse unserer Schulen hoffe ich, dass diese Haltung des Staatssekretärs nicht auch noch von der verantwortlichen Senatorin Sandra Scheeres gestützt wird, sondern diese Einstellung vielmehr den entschiedenen Widerspruch des gesamten Senats hervorruft.“