Berlin. Die Nachricht, dass der Leiter der Bergius-Schule gehen muss, sorgt für Enttäuschung. So heftig reagieren Eltern und Politiker.

Auch für das kommende Schuljahr kann die Friedrich-Bergius-Schule in Friedenau einen Anmeldeerfolg verbuchen – und das im zehnten Jahr in Folge. Am Mittwoch endete die diesjährige Frist. Das Ergebnis: 131 Anmeldungen bei 100 zur Verfügung stehenden Plätzen.

Es handelt sich dabei laut Schulleiter Michael Rudolph um Erstwünsche der Eltern. Viele Eltern wählen die Sekundarschule ohne gymnasiale Oberstufe wegen der klaren Regeln, die dort herrschen. Dieser Schultyp ist sonst nicht besonders nachgefragt. Die Nachricht, dass der Rektor nun nach den großen Ferien nicht wieder kommen wird, hat daher bei vielen für Enttäuschung und Unverständnis gesorgt.

Direktor Michael Rudolph wollte weiteres Jahr an Friedrich-Bergius-Schule bleiben

Der ungewöhnliche Pädagoge leitet die Schule seit 14 Jahren erfolgreich und hatte angeboten, noch ein weiteres Jahr – über sein 65. Lebensjahr hinaus – zu arbeiten. Doch die Personalstelle der Schulsenatsverwaltung lehnte das ab. „Die Schulaufsicht legte dar, kein dienstliches Interesse an einer Weiterbeschäftigung zu haben“, so die dürre Begründung. Schüler und Eltern zeigen sich nun enttäuscht.

„Ich wünsche mir, dass die Entscheidung überdacht wird“, sagte die Elternsprecherin der Klasse 6b, Christina Biskupski, am Donnerstag der Berliner Morgenpost. „Herr Rudolph hat an der Schule für klare Regeln gesorgt, ohne autoritär zu sein.“

Sie habe ihn immer als sehr engagiert erlebt, auch in der Schulkonferenz, betonte die Mutter. „Ich hoffe sehr, dass er doch noch ein weiteres Jahr bleiben darf.“

CDU: Erfolgreicher Schulleiter wird abserviert

Auch Politiker kritisieren die Entscheidung aus der Schulsenatsverwaltung scharf. Die Empörung geht quer durch die Parteien. „Senatorin Scheeres serviert mit Michael Rudolph einen erfolgreichen, für sie unbequemen Schulleiter ab“, sagte die bildungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Hildegard Bentele. Dabei brauche Berlin Pädagogen wie ihn dringend, ganz abgesehen davon, dass es viel zu viele unbesetzte Schulleiterstellen in Berlin gibt.

Die Friedrich-Bergius-Schule in Friedenau liegt am Perelsplatz.
Die Friedrich-Bergius-Schule in Friedenau liegt am Perelsplatz. © Anikka Bauer

„Den sehr erfolgreichen Schulleiter der Friedrich-Bergius-Schule nicht ein weiteres Jahr freiwillig über das Ruhestandsalter zu beschäftigen, offenbart einmal mehr das mangelhafte Personalmanagement der Senatsbildungsverwaltung“, befand der schulpolitische Sprecher der FDP im Abgeordnetenhaus, Paul Fresdorf.

Bei 400 nicht besetzten Funktionsstellen an Berliner Schulen, bei einem Lehrermangel und einer steigenden Quereinsteigerquote sei es unverantwortlich, das Angebot des erfolgreich arbeitenden Schulleiters abzulehnen. „Wer unbequem ist, wird trotz des Mangels freigesetzt“, stellt Fresdorf fest. Er fordert: Die ideologische Personalführung in der Senatsverwaltung für Bildung muss endlich beendet werden.“

Friedrich-Bergius-Schule fiel bei jüngsten Schulinspektionen durch

Der Verdacht liegt tatsächlich nahe, dass der Schulleiter zu unbequem geworden war. Denn die Schule passt mit ihrer Art zu unterrichten, nicht in den Zeitgeist. Schon bei der jüngsten Schulinspektion fiel die „Bergius“ 2018 durch, ihr wurde „erheblicher Entwicklungsbedarf“ bescheinigt.

Dabei sind die Erfolge nicht wegzureden: Über die Hälfte der Mädchen und Jungen schaffen am Ende einen Mittleren Schulabschluss (MSA), mit dem sie in die gymnasiale Oberstufe aufrücken können.

Die Zahl der Jugendlichen, die ohne Abschluss die Schule verlassen, liegt mit zuletzt neun Prozent weit unter dem Berliner Durchschnitt von 13 Prozent. Rudolph äußerte sich damals in der Öffentlichkeit verwundert und kritisch über die negative Bewertung der Schulinspektion. Ein hoher Beamter habe ihn daraufhin sein Missfallen ausgesprochen, berichtet Rudolph.

„Schulleitungen werden strafversetzt oder aufs Abstellgleis geschoben“

„Dies ist ist ein weiterer Fall eines unwürdigen Vorgehens der Senatsbildungsverwaltung mit erfolgreichen und verdienten Lehrkräften und Schulleitungen“, zeigt sich der schulpolitische Sprecher der CDU-Fraktion in Tempelhof-Schöneberg, Christian Zander verärgert. „Schulleitungen, die Defizite des Berliner Bildungssystems nicht einfach hinnehmen sondern hinterfragen, werden entweder strafversetzt oder bei der erstbesten Gelegenheit aufs Abstellgleis geschoben.“

Er befürchtet: „Der Fokus der Senatsbildungsverwaltung wird vermutlich weiter darauf liegen, dass der Weg das Ziel ist – also die dem Senat genehme Unterrichtsmethode - und nicht der Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler.“

Zwei Bewerbungen auf Schulleiter-Stelle an der Bergius-Schule

Selbst die Grünen schätzen Rudolph für sein Unterrichtskonzept. „Kein Beamter hat ein Anrecht darauf, über das Pensionsalter hinaus beschäftigt zu werden“, sagte die Bildungsexpertin der Grünen-Fraktion im Bezirk, Martina Zander-Rade. „Doch die Nichtverlängerung dieses Dienstverhältnisses ist eine platte Disziplinierung, die Ausschaltung eines Pädagogen, dessen Methoden zwar erfolgreich, aber nicht gewünscht sind.“ Angesichts des Berliner Lehrkräftemangels sei das Agieren der Senatsverwaltung „absolut verantwortungslos.“

Die Chancen stehen in diesem Fall gut, dass die Schulleiter-Stelle wieder besetzt werden kann. Nach Morgenpost-Informationen liegen für die Schulleiter-Stelle an der Bergius-Schule bislang zwei Bewerbungen vor.

Schulstadtrat bedauert Ausscheiden von Michael Rudolph

Der zuständige Schulstadtrat von Tempelhof-Schöneberg, Oliver Schworck (SPD) bedauerte auf Anfrage der Berliner Morgenpost ebenfalls das Ausscheiden des Bergius-Schulleiters. „Ich finde das sehr schade, denn eine solche konsequente Haltung zu Werten wie Rudolph sie zeigt, erfordert Mut und findet sich sehr selten.“ Michael Rudolph habe es in Teamarbeit geschafft, klare Regeln gemeinsam an der Schule zu verabreden.

„Es ist bemerkenswert, dass die Schule so gefragt ist, wenn man bedenkt, welchen Ruf sie vor der Amtszeit von Rudolph hatte“, resümiert Schworck. Von der Senatsschulverwaltung war bislang keine Stellungnahme zu dem Vorgang zu erhalten.