Berlin . Ein Jahr ist der Beschluss der Bezirkspolitiker alt, doch passiert ist nichts. Jetzt haben Familien demonstriert.

Radfahren auf dem Tempelhofer Damm - das ist nicht gerade zu empfehlen. Deshalb haben die Bezirksverordneten in Tempelhof-Schöneberg vor etwa einem Jahr einem Einwohnerantrag zugestimmt, zwischen Alt-Tempelhof und Ullsteinstraße einen geschützten Radweg zu schaffen. Allerdings erst einmal nur im Zuge eines Verkehrsversuchs. Aus Protest gegen die viel zu langsame Umsetzung haben das Netzwerk "Fahrradfreundliches Tempelhof-Schöneberg" und die lokalen Stadtteilgruppen des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs ADFC am Sonnabend, 6. Oktober, zu einer Fahrraddemonstration über neun Kilometer aufgerufen.

"In kinder- und familienfreundlichem Tempo wollen wir dafür demonstrieren, dass der Einwohnerantrag für sichere Radverkehrsanlagen auf dem Tempelhofer Damm und der Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung dazu schnell umgesetzt werden", kündigte ein Sprecher des Netzwerkes an. "Nach wie vor ist Fahrradfahren auf dem Tempelhofer Damm lebensgefährlich."

Vorwurf: Aufgeblähtes Beteiligungsverfahren

Die Bezirksverordnetenversammlung hatte dem Bezirksamt im September vorigen Jahres empfohlen, sich bei den zuständigen Stellen des Landes dafür einzusetzen, dass der mehrjährige Verkehrsversuch möglichst bald beginnt. Er soll bis zur geplanten Sanierung der Wasserleitungen und Neugestaltung des Tempelhofer und Mariendorfer Damms etwa im Jahr 2025 laufen. Die gewünschten Vorgaben: Die Radverkehrsanlagen sollen im Regelfall so breit sein, dass sich die Radfahrer überholen können und gegen den Auto- und Lkw-Verkehr geschützt sind. Aber auch die Belange der Anlieger, ansässiger Gewerbetreibenden und sonstigen Beteiligten seien zu berücksichtigen.

Anfang Juni dieses Jahres startete die Planung. Und damit auch der Beteiligungsprozess. Das Vorhaben soll wissenschaftlich begleitet werden. "Es gab seit einem Jahr lediglich zwei Treffen im Rahmen der Bürgerbeteiligung und ein Ingenieurbüro wurde mit einer Machbarkeitsstudie beauftragt", kritisiert Norbert Michalke vom Netzwerk.Sein Vorwurf: „Mit dem aufgeblähten Beteiligungsverfahren wird aus einer Mücke ein Elefant gemacht – wir wollen aber einfach nur sicher und unfallfrei auf dem T-Damm Radfahren."

Vorwurf: "Bezirksstadträtin kapituliert"

Allein die Ausschreibungsvorbereitungen und der Vergabeprozess für die Prozesssteuerung im Beteiligungsverfahren sowie die Verkehrsanlagenplanung dauerten mit rund 10 Monaten viel zu lange, kritisiert das Netzwerk. Die Aktivisten äußern Zweifel daran, ob die zuständige Stadträtin Christiane Heiß (Grüne) und der Bezirk es wirklich ernst mit der angestrebten Verkehrswende meinen. Statt engagiert nach neuem Planer-Personal zu suchen, gestalte das Bezirksamt deren Stellenausschreibung derart anspruchsvoll, dass praktisch keine neuen Kräfte gewonnen werden können.

"Ich möchte endlich sicher auf dem Tempelhofer Damm Rad fahren können – und nicht meine Kinder und mich tagtäglich in Lebensgefahr bringen müssen“, fordert Felix Althaus vom Netzwerk Fahrradfreundliches Tempelhof-Schöneberg. „Wenn die Stadträtin vor Problemen kapituliert und sie in die nächste Legislaturperiode verschiebt, anstatt sie zu lösen, dann ist Frau Heiß offensichtlich nicht die richtige Person in ihrem Amt“, findet Althaus.

Die zuständige Stadträtin hingegen verweist darauf, dass bei dem Verkehrsversuch viele Interessen abgewogen werden müssen. Deshalb sei ein umfassendes Beteiligungsverfahren nötig.