Berlin. Die in Tegel untergebrachten Gefährder können jetzt in Lichtenrade einziehen. Am Wochenende bekommt die Innenverwaltung die Schlüssel.
Autos und Lastwagen rauschen im Sekundentakt auf der Bundesstraße vorbei, auf dem Gelände neben dem Kirchhainer Damm 64-66 in Lichtenrade dagegen bewegt sich nichts. Ein paar Fahrzeuge parken hinter der Schranke, niemand geht hinein in den grau-weiß-gestreiften Flachbau mit der fensterlosen Fassade, niemand kommt heraus. Bislang mussten hier straffällig gewordene jugendliche Straftäter eine Arreststrafe absitzen, sie sind vor Wochen ausgezogen. Die Ruhe trügt, denn viele Anwohner sind besorgt: Ab kommendem Wochenende soll das Gebäude als Berliner Abschiebehaftanstalt für islamistische Gefährder genutzt werden.
"Am Sonnabend wird die Justizsenatsverwaltung die Schlüssel der Innenverwaltung übergeben", bestätigt Sebastian Brux, der Sprecher von Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) der Berliner Morgenpost. Die straffälligen Jugendlichen sind ab Montag vorübergehend in einem Gebäude vor den Mauern der Justizvollzugsanstalt Plötzensee untergebracht, wegen des Umzugs war ihr Arrest vorübergehend seit 9. September ausgesetzt. Im nächsten Jahr sollen sie an einen früheren Standort an der Lichtenrader Lützowstraße umziehen. Das Gebäude dort wird für rund 2,2 Millionen Euro umgebaut.
Jugendarrest, Flüchtlingsunterkunft und nun die Gefährder
Nun also auch noch die Gefährder. Mit dem Jugendarrest haben sich die Anwohner in Lichtenrade längst abgefunden. Neue Ängste waren dagegen schon mit den Flüchtlingen aufgekommen, die ins ehemalige Seniorenpflegeheim am Kirchhainer Damm 74 zogen. 250 Plätze stehen dort in der Gemeinschaftsunterkunft zur Verfügung, sie sind derzeit fast alle belegt.
Brigitte und Detlef Lutz, die seit 43 Jahren in Lichtenrade wohnen, sagen es unumwunden: "Wir sind gegen die Gefährder-Haftanstalt, aber wir wurden nicht gefragt." Vor einem halben Jahr wurden die Lichtenrader bei einer Bürgerveranstaltung im Ulrich-von-Hutten Gymnasium über die Pläne für die bisherige Jugendarrestanstalt informiert. Viele sind seither beruhigt, andere bleiben skeptisch bis ablehnend.

Acht bis zehn Plätze sollen in der neuen Anstalt für Gefährder entstehen. Deren Abschiebungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet, unter bestimmten Voraussetzungen kann sie um maximal ein Jahr verlängert werden
Dass das Gebäude am Kirchhainer Damm mit der fünf Meter hohen Stahlbetonmauer und Alarmmeldern sowie Nato-Stacheldraht geschützt sein wird und Polizisten es bewachen, überzeugt Detlef Lutz nicht. "Unserem Justizsenator Behrendt traue ich nicht zu, für die Sicherheit zu sorgen", sagt er und verweist auf die mehrfache Flucht von Straftätern in Berlin innerhalb nur mehrerer Monate.
Die neue Haftanstalt für Gefährder untersteht nur gar nicht dem Justizsenator, sondern der Innensenatsverwaltung unter Andreas Geisel (SPD). Dessen Sprecher Martin Pallgen versichert: "Niemand muss Angst haben." Das Gebäude sei technisch und personell bestens gesichert. Ein Probebetrieb bereitete die Mitarbeiter vor, das Landeskriminalamt und die Einsatztrainer schulte das vorgesehene Personal.
Abschiebehaftanstalt für drei bis vier Jahre
Wie viele Gefährder einziehen, wird aus Sicherheitsgründen nicht bekannt gegeben. Nur soviel: In Tegel standen drei Plätze zur Verfügung - und sie sind derzeit nicht alle belegt. Laut Innenstaatssekretär Torsten Akmann gibt es in Berlin rund 40 nicht-deutsche islamistische Gefährder.
Der Abschiebegewahrsam am Kirchhainer Damm soll drei bis vier Jahre für diesen Zweck genutzt werden. Später soll er der Justiz als „Drehscheibe“ dienen. Wie Martina Gerlach, Staatssekretärin in der Senatsjustizverwaltung, bei der Bürgerversammlung im März sagte, wird das Gebäude mit den 80 Haftplätzen dann dazu verwendet, den Sanierungsstau in den Justizvollzugsanstalten abzuarbeiten. In der Renovierungszeit kämen die Häftlinge nach Lichtenrade.
Für viele keine beruhigenden Aussichten. Doch nicht alle interessieren sich dafür. Eine junge Mutter, die ihren Kinderwagen an der Ampel über die Straße schiebt, sagt: "Ich habe davon nichts mitbekommen und es ist mir auch egal."
In einem der Nachbarhäuser ziemlich dicht an der Anstalt wohnt die 21-jährige Sanarja Abbas mit ihrer Mutter. Sie hat Vertrauen in die Sicherheitsbehörden und macht sich ganz andere Sorgen. "Ich hoffe nicht, dass sich der Frust auf uns überträgt." Sanarja Abbas ist deutsche Staatsbürgerin mit irakischen Wurzeln.