Tempelhof-Schöneberg

„An der Maaßenstraße wird es Veränderungen geben“

| Lesedauer: 9 Minuten
Brigitte Schmiemann
In der Maaßenstraße wurde eine "Begegnungszone" eingerichtet. Nicht jeder hält die Idee für gelungen

In der Maaßenstraße wurde eine "Begegnungszone" eingerichtet. Nicht jeder hält die Idee für gelungen

Foto: Amin Akhtar

Angelika Schöttler (SPD) muss in ihrer zweiten Amtszeit viele Probleme in den Griff bekommen - auch das der "Begegnungszone".

Bayerisches Viertel, Viktoria-Luise-Platz oder Wittenbergplatz – Tempelhof-Schöneberg hat eine ganze Reihe beliebter Wohngegenden, die zudem höchst unterschiedlich sind, das ruhige Lichtenrade ist eben anders als der Regenbogenkiez rund um den Nollendorfplatz. Mehr als 345.000 Menschen leben im Bezirk. Eine bunte Mischung. Für Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD) ist es die zweite Amtszeit. Sie wird wieder mit den Grünen zusammenarbeiten.

Frau Schöttler, sehen Sie es als Glück an, dass die AfD keinen Stadtratsposten besetzen kann?

Angelika Schöttler: Ja. Grundsätzlich ist es einfacher, sich im Bezirksamtsgremium auf eine Lösung zu verständigen, wenn nur drei Parteien vertreten sind, als wenn es noch weitere Parteien gibt. Außerdem weiß im Moment niemand, wohin die AfD in Tempelhof-Schöneberg politisch tendiert. So ist es für uns deutlich einfacher, wenn sie nur in der BVV und nicht im Bezirksamt vertreten ist.

25 Seiten hat die Zählgemeinschaftsvereinbarung zwischen SPD und Grünen. Was haben Sie dort denn alles geregelt?

Die meisten Seiten füllen gemeinsame inhaltliche Projekte aus fast allen Bereichen. Ein Blick hinein lohnt sich. Wir wollen Themen wie die Zusammenarbeit mit der bezirklichen Wirtschaft und eine sozial verträgliche Stadtentwicklung weiterentwickeln und eine sehr aktive Personalentwicklungs- und -gewinnungsstrategie auf den Weg bringen.

Wie wollen Sie die Probleme mit den überlasteten Bürgerämtern und maroden Schulen lösen?

Beides sind Themen, die nicht von einem Bezirk alleine gelöst werden können. Hier sind Konzepte und Lösungsstrategien für alle Bezirke gemeinsam gefragt. Daran wird zurzeit gearbeitet.

Ein weiteres Problem, das einer schnellen Umsetzung und Verbesserung im Weg steht, ist das fehlende Personal.

Dazu werden wir das Thema Personalmanagement noch intensiver angehen. Die Stellen müssen deutlich schneller als jetzt besetzt werden. Derzeit dauert ein Stellenbesetzungsverfahren im Idealfall acht bis neun Monate. Das Verfahren ist immer komplizierter geworden, und sehr viele Instanzen müssen beteiligt werden. Auch der Fachkräftemangel in Berlin führt öfter wegen fehlender qualifizierter Bewerbungen zu mehrfachen Ausschreibungen. Das alles kostet viel Zeit, und so lange ist die Stelle unbesetzt.

Wie schnell könnte es denn gehen, wenn die Formalien wie bei den Ausschreibungen verkürzt werden? Könnten drei Monate reichen?

Nein, aber ich halte die Hälfte der jetzt benötigten Zeit für machbar, wenn wir an der einen und anderen Stelle verwaltungsinterne Vorgaben ändern.

Tempelhof-Schöneberg hat mit rund 2000 Beschäftigten im Bezirksamt, wie Sie sagen, berlinweit die wenigsten Mitarbeiter gemessen an den Einwohnern. Muss ich deshalb wochenlang auf einen Termin im Bürgeramt warten?

Wie gesagt: Hier muss berlinweit eine Verbesserung eintreten, damit es funktioniert. In Tempelhof-Schöneberg werden in den Bürgerämtern die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerade eingearbeitet. Die Organisation der Wahl hat zusätzlich Personal aus den Bürgerämtern gebunden. Jetzt wird sich die Situation aber langsam verbessern. Wenn Sie ein kurzfristiges Anliegen erledigen müssen, lohnt sich auf jeden Fall, morgens ins Bürgeramt zu gehen und dort direkt nach einem Termin zu fragen. Durch nicht wahrgenommene Termine sind über den Tag verteilt immer Termine frei, die dann direkt vergeben werden. Dafür braucht man wie früher an diesem Tag dann aber etwas Zeit.

Ist die Verwaltung auch in Tempelhof-Schöneberg überaltert?

Auch in Tempelhof-Schöneberg ist das Durchschnittsalter noch sehr hoch, was bedeutet, dass viele Mitarbeiter demnächst altersbedingt in den Ruhestand eintreten. In den kommenden fünf Jahren werden uns alleine aus diesem Grund etwa 250 Beschäftigte verlassen. Durch die dann folgenden Neueinstellungen wird das Durchschnittsalter deutlich sinken.

Statt Personalabbau plädieren Sie für den Ausbau der Angebote und mehr Mitarbeiter. Sie wollen die Öffnungszeiten in den Bürgerämtern erweitern, in den Jugendfreizeiteinrichtungen, in den Bibliotheken. Aber wie kommen Sie zu mehr Fachkräften?

Ich werde den Bereich Personalgewinnung und -entwicklung im Bezirk deutlich stärken. Wir haben im Moment etwa hundert freie Stellen. Diesen Anteil zu verringern ist eines meiner Ziele. Das bedeutet, dass wir schneller werden und neben der Optimierung des Verfahrens noch stärker um potenzielle Mitarbeiter werben müssen. Es muss sie aber auch geben. Das Land Berlin muss deshalb die Platzzahlen bei der Ausbildung von Verwaltungsmitarbeitern, Sozialarbeitern und einigen weiteren Berufsfeldern noch weiter erhöhen. Und wir müssen die Zugangsvoraussetzungen zum öffentlichen Dienst verändern. Zurzeit ist es noch sehr stark reglementiert, welche Studiengänge von welchen Universitäten anerkannt werden. Hier benötigen wir mehr Spielraum. Ich hoffe sehr, dass die Veränderungen möglichst schnell umgesetzt werden.

Wie weit sind Sie mit der Sanierung der Rathäuser und der Schulen?

Ziel bei der Sanierung der Rathäuser ist es vor allem, mehr Büroräume zu schaffen und damit eine effektivere Auslastung der Gebäude zu ermöglichen. Im Rathaus Schöneberg wollen wir mit dem ersten großen Bauabschnitt im nächsten Jahr fertig werden. Insgesamt haben wir dann über fünf Millionen Euro investiert. Auch die Planungen für das Rathaus Tempelhof sind fertig. In vielen Schulen wurde in den letzten fünf Jahren gebaut, allerdings nicht in allen, die es dringend nötig haben. Um diesen Prozess zu beschleunigen, wird es für die Schulen eine landesweite Lösung geben für die Sanierung, den Aus- und Neubau, die auch die Bautätigkeit im Bezirk ausweiten wird. Tempelhof-Schöneberg wird sich auf jeden Fall sehr aktiv an dieser Lösung beteiligen.

Wann geht es im Rathaus Tempelhof mit der Sanierung los?

2017 soll es losgehen.

Die Bibliotheksgebäude in Tempelhof-Schöneberg sind weiter „Baustellen“. Wie sieht dort der Plan aus?

Die Bibliotheken sind unsere Problemkinder. Sie sind zurzeit sehr unwirtschaftlich. Es wurde lange nicht geschafft, gemeinschaftlich eine Lösung zu finden. Die Gebäude müssen saniert und ausgebaut werden. Für die Hauptstraße ist der Plan zur Sanierung und zum Ausbau weitgehend fertig, die Finanzierung aber noch nicht gesichert. Die Bibliothek in der Götzstraße steht in der Investitionsplanung, hier gibt es aber noch Abstimmungsbedarf über die Maßnahmen. Um im Rathaus Friedenau wieder eine Bibliothek einzurichten, verhandeln wir mit der Berliner Immobilienmanagement GmbH, die das Gebäude ja vom Bezirk übernommen hat.

Das Areal der Bibliothek neben dem Rathaus Tempelhof könnte doch auch für Wohnungsbau interessant sein. Lohnt denn eine Bibliothekssanierung dort überhaupt?

Das ganze Areal zwischen Rathaus Tempelhof und Götzstraße ist zurzeit in der Planung, und es ist noch nicht entschieden, ob wir die Bibliothek sanieren oder neu bauen. Bezirk und Senat planen dort zusammen. Es kann durchaus sein, dass wir uns gegen eine Sanierung der Bibliothek und für einen Neubau entscheiden. Aber Bauen geht nur mit einem Investor zusammen. Wir werden dort nicht als Bauherr auftreten. Derzeit wird eine Analyse durchgeführt, was dort gebaut werden kann. 2017 entscheiden wir, wie es mit der Bibliothek weitergeht.

Auch der Nollendorfplatz sollte neu gestaltet werden ...

Ja, das soll er immer noch. Aber auch beim Nollendorfplatz wissen wir nicht, wann und wie viel Geld zur Verfügung gestellt wird. Die Umgestaltung des Nollendorfplatzes wird kein Bezirksprojekt werden. Hier müssen alle Beteiligten – Bezirk, Senat, BVG – zusammenarbeiten. Die BVG hat ihre Maßnahmen der Tunneldecken-Sanierung verschoben, unter anderem damit nicht doppelt gebaut wird. Zunächst muss eine gemeinsame Planung erstellt werden. Aber da reden wir über Jahre, nicht über Monate.

Wird die Maaßenstraße zurückgebaut?

Ich glaube schon, dass es dort Veränderungen geben wird, aber wir müssen erst die Evaluierung abwarten.

Und warum dauert es so lange?

Es gibt den Zeitplan, dass wir Ende des Jahres die Evaluierung machen, sodass wir nächstes Jahr entscheiden, wie es dort weitergeht. Es war immer klar, dass wir ein Jahr verstreichen lassen, um es auszuprobieren. Es ist so umgebaut worden, dass es theoretisch zurückgebaut werden kann. Aber auch in der Maaßen­straße gibt es etliche Anwohner, die die Begegnungszone gut finden, jedenfalls genauso viele wie die, die sie ablehnen.

Bürgerbeteiligung ist ein schwieriges Geschäft ...

… aber wir werden daran festhalten und sie immer möglichst früh in Gang setzen. Auch wenn einem klar sein muss, dass es selten gelingt, dass am Ende alle zufrieden sind. Bürgerbeteiligung heißt auch nicht Bürgerentscheidung. Die Entscheidung wird trotzdem noch im Amt gefällt. Aber man versucht natürlich, über einen Kompromiss möglichst viele der Interessen zu berücksichtigen.