Berlin . Finn Lehmann und Volker Kohl haben eine Weltneuheit entwickelt. Die App macht Sicherheitsplomben noch sicherer.
Im April 2016 zog Volker Kohl mit seiner Firma nova motum in das Goerzwerk in Lichterfelde. Er entwickelt Software, die in der Gerätesteuerung, der Medizintechnik und in der Telekommunikation zum Einsatz kommt. Einen Monat später zog Finn Lehmann ein. Seine Firma Vecturafast vertreibt Sicherheitsplomben, die zum Beispiel an Gaszählern, Containern oder Notfallkoffern zu finden sind. Einmal im Monat treffen sich die Goerzwerker, um sich über ihre Projekte auszutauschen. Schon beim ersten Treffen hat es zwischen den beiden Firmen gefunkt. Gemeinsam haben sie jetzt eine Weltneuheit entwickelt: die App Seal Capture, die Logistikprozesse digitalisiert. Anfang des nächsten Jahres wollen sie eine gemeinsame Firma gründen.
Die neue Smartphone App erleichtert die Erfassung und Überprüfung von Sicherheitsplomben, Papier und Arbeitszeit wird eingespart. „Eine Plombe ist immer an ein Versprechen gekoppelt“, sagt Finn Lehmann. Die Ware, die sie sichert, ist je nachdem neu, original, unbenutzt, nicht modifiziert und nicht ausgetauscht. Das garantiere die Plombe. Dafür werden im Moment noch jede Menge Frachtpapiere ausgefüllt und von Hand im Büro übertragen. „Das ist auch eine ständige Fehlerquelle“, so Lehmann. Die App macht nun Excel-Tabellen und Formulare überflüssig. Mit einer Server- und Cloud-Lösung werden alle notwendigen Informationen, etwa über den Zustand einer Ware, am Einsatzort mithilfe eines Barcodes fehlerfrei erfasst und in elektronische Daten umgewandelt.
Ein Arbeitszeitverkürzung um bis zu 95 Prozent verspricht die App. Die Erfassung über den Barcode mache zudem jede Manipulation, jede Veränderung unmöglich, so Lehmann. „Die App macht Sicherheitsplomben intelligent“, ergänzt Volker Kohl. Sie kann mehr Informationen übertragen und dadurch noch sicherer machen. Zudem könnten Firmen die Daten auswerten und Statistiken, zum Beispiel über Warenströme, führen. Analog und manuell sei das vorher ein erheblicher Aufwand gewesen.
Die Digitalisierung von Sicherheitsplomben ist für die beiden Unternehmer nur ein erster Schritt. Sie wollen Unternehmensprozesse, die immer noch viel manuellen und analogen Aufwand verursachen, „in die digitale Welt holen“, sagt Finn Lehmann. Sie sind vor allem auf der Suche nach neuen Lösungen für den Mittelstand, die zum Beispiel eine Papierdokumentation überflüssig machen. Diese Ideen wollen sie in der gemeinsamen Firma vorantreiben, wobei Volker Kohl für die technischen Abteilung und Finn Lehmann für die Vertriebsabteilung zuständig ist.
Die Firmenchefs sind nur ein Beispiel für den Wandel im Gewerbegebiet an der Goerzallee im Südwesten, das auf dem Weg ist, sich neu zu erfinden. Das 85 Hektar große Gelände zwischen Beeskowdamm und Lichterfelder Weg ist ein alter Industriestandort. Carl Paul Goerz ließ im Werk an der Goerzallee 299 ab 1917 optische Linsen und Lampen produzieren, später hatten dort verschiedene Firmen ihren Sitz. Im Jahr 2015, als es Silvio Schobinger mit seinem Bruder übernommen hatte, stand das Goerzwerk fast leer. Heute ist es nach Angaben von Schobinger zu 95 Prozent vermietet. Der Eigentümer denkt schon über einen Erweiterungsbau nach. Mieter sind vor allem junge Unternehmen und Start-ups.
Katrin Lange