Der Direktor der Anlage fordert jetzt ein Treffen mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller.
Zur Eröffnung der Lichtershow „Christmas Garden“ im vergangenen November ist der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) gern in den Botanischen Garten nach Dahlem gekommen. Auf vielen Fotos sieht man ihn plaudernd mit Schauspieler Dieter Hallervorden. Mehr als 100.000 zusätzliche Besucher zog das Weihnachtsevent an und bescherte auch dem Garten zusätzliche Einnahmen. Umso überraschender ist, dass Müller im jüngsten Wissenschaftsausschuss davon sprach, dass der Botanische Garten „Visionen“ bräuchte, um finanziell künftig auskömmlich zu überleben.
Wechselnde Ausstellungen, Halloweenpartys, Sommerkonzerte, Botanische Nächte, Staudenmarkt, Kakteenschau – das alles sind für Müller offenbar keine „Visionen“.
„Michael Müller war noch nie im Garten, um sich über die Situation zu informieren“, sagt Thomas Borsch, Direktor des Botanischen Gartens. Genau das aber fordert er. „Wir müssen uns vor Ort treffen und Sachinformationen austauschen.“
Anlass der Aussprache im Wissenschaftsausschuss war ein Antrag der CDU-Fraktion. „Der Senat darf den Botanischen Garten nicht sich selbst überlassen beziehungsweise die Verantwortung an die Freie Universität (FU) abschieben“, sagt Adrian Grasse, forschungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Vor mehr als vier Monaten sprach der Gartendirektor erstmals öffentlich über die angespannte finanzielle und personelle Situation der Dahlemer Einrichtung. 1995 wurde der Botanische Garten in die Freie Universität eingegliedert und wird seitdem über den Etat der Hochschule finanziert. Vorher gehörte die Einrichtung zur Senatsbildungsverwaltung. Seit 20 Jahren sei das Budget von 8,5 Millionen Euro nicht erhöht worden, kritisiert Borsch.
Dabei hätten die Aufgaben in allen Bereichen, wie Forschung, Lehre, Gartenpflege, Tourismus und Kultur, zugenommen. Der knapp bemessene Etat führt auch zu mangelndem Personal. Etwa 50 zusätzliche Stellen wären notwendig, um alle Aufgaben zu erfüllen, so der Direktor. Er hat erste Konsequenzen gezogen: Das Victoria-Gewächshaus ist zwar saniert, aber nicht bepflanzt. Besucher müssen noch darauf warten, bis sie die Riesenseerose wieder sehen können. Und einige Bereiche des Gartens wurden mit Planen abgedeckt und stillgelegt.
„Leere Gewächshäuser können keine Lösung sein“
„Leere Gewächshäuser können keine Lösung sein“, sagt Adrian Grasse. Die Sammlungen des Botanischen Gartens und Museums seien nicht nur eine wichtige Kultureinrichtung in Berlin, sondern auch wissenschaftlich von internationaler Bedeutung. Er mache sich Sorgen um die finanzielle Ausstattung. Der Garten hätte in der Vergangenheit immer mehr Drittmittel eingeworben und die Besucherzahlen mit zusätzlichen Veranstaltungsformaten erhöht. Dennoch sei das strukturelle Defizit nicht behoben.
Ina Czyborra, Sprecherin für Wissenschaft in der SPD-Fraktion, pflichtet ihm bei. „Für die Vielfalt der Aufgaben ist der Garten nicht in vollem Umfang finanziert“, sagt die Abgeordnete, die ihren Wahlkreis in Steglitz-Zehlendorf hat. Wichtig sei es jetzt, sich zusammenzusetzen. Es müsse klargemacht werden, wie die verschiedenen Aufgaben abgegrenzt, und welche Konzepte für die Finanzierung entwickelt werden könnten. Czyborra nennt als Beispiel das Naturkundemuseum, das in einer ähnlichen Situation gewesen sei und es mit dem Dinosaurier Tristan geschafft habe. Es sei richtig, dass der Botanische Garten schon eine Menge mache. „Aber beim Marketing und beim Auftreten ist noch viel zu tun“, sagt Czyborra. Auch sie plädiert für eine weitere Gesprächsrunde mit der FU und dem Botanischen Garten, um ein Konzept und damit eine Lösung zu finden. „20.000 Pflanzenarten hat der Garten heute. Diese Substanz darf nicht verloren gehen.“
Thomas Borsch verteidigt seine Anstrengungen. „Wir haben seit 2008 die Organisation erheblich weiterentwickelt, was auch zur deutlichen Steigerung eigener Einnahmen geführt hat.“ Dazu gehöre ein Masterplan zur Entwicklung der touristischen Infrastruktur, der umgesetzt wird.
Aufgrund des enormen Umfanges der historischen Anlagen mit ihren Sammlungen könne das Defizit nicht alleine durch ein Mehr an Veranstaltungen und Eintrittsgeldern aufgefangen werden. Zumal eine denkmalgeschützte Gartenanlage und der Auftrag, diese zu erhalten, Grenzen setzten für Großveranstaltungen.
Tourismusmagnet und Kulturgut im Südwesten
„Berlin sollte sich darüber bewusst werden, dass der Botanische Garten sich nicht nur für aktuelle gesellschaftliche Themen unserer Zeit engagiert, wie Umwelt, Vielfalt, Bildung für nachhaltige Entwicklung“, sagt Borsch.
Der Garten sei auch ein Tourismusmagnet im Südwesten der Stadt und müsse das Kulturgut an eine breite Öffentlichkeit vermitteln. Dies sei keine originär universitäre Aufgabe. Daher bleibe zu hoffen, dass gemeinsame Lösungen für eine angemessene Grundfinanzierung gefunden würden.