Spandau. Seit fünf Jahren gibt es das „SpeiseGut“. Das Konzept des Landwirts Christian Heymann: Die Kunden finanzieren den Hof solidarisch.
Der Transporter ist gut gefüllt. Es stapeln sich Dutzende Kisten, unter anderem mit Kartoffeln, Möhren, Äpfeln und Salbei, der seinen Duft verströmt. Es ist Vormittag, und für die Mitarbeiterin vom Gatower „SpeiseGut“ steht gleich eine Tour durch die Hauptstadt und ins Umland an. Es geht nach Charlottenburg und Dahlem, nach Spandau und Falkensee. Noch ein paar Packungen Eier, Milch und Brot werden in den Laderaum gestellt, dann kann es losgehen. Erst kürzlich habe man den bisherigen Transporter gegen einen mit Elektroantrieb ausgetauscht, sagt „SpeiseGut“-Gründer Christian Heymann, als der Wagen abfährt. „Wenn man bei der Nachhaltigkeit konsequent sein will, dann gilt das von der Aussaat bis zur Ausfahrt.“
„SpeiseGut“ ist ein ökologischer Landwirtschaftsbetrieb, aber nicht nur das. Er funktioniert auch nach einem Prinzip, das deutschlandweit nur wenige verfolgen – solidarische Landwirtschaft. Das bedeutet: Eine Gruppe von Menschen zahlt auf Grundlage der geschätzten Jahreskosten für den Betrieb einen festen, meist monatlichen Beitrag. Dafür bekommen sie Anteile der Ernte. Bei „SpeiseGut“ erhalten die Beteiligten während der Saison wöchentlich eine Kiste mit Obst und Gemüse. Das Prinzip scheint anzukommen. „SpeiseGut“ ist seit seiner Gründung immer weiter gewachsen, inzwischen liefert der Betrieb rund 250 Kisten pro Woche aus. In diesem Jahr feiert er sein fünfjähriges Bestehen.
Einige Monate nach dem Start waren es schon 60 Kunden
Rückblende ins Jahr 2013: Heymann bezeichnet die Zeit als einen Wendepunkt in seinem Leben. Gerade hatte er seine Arbeit auf einem Berliner Hof beendet. „Ich stand vor der Frage, ob ich mit der Landwirtschaft weitermache“, erinnert er sich. Heymann entschloss sich dafür, stellte sich selbst aber eine Bedingung: „Ich wollte die Verbraucher mit in die Verantwortung nehmen.“
Damals gab es bereits einige Höfe in Deutschland, die nach dem Prinzip der solidarischen Landwirtschaft arbeiten. Das wollte Heymann auch versuchen. „Mit drei Hektar und elf Kisten ist ,SpeiseGut‘ gestartet“, erzählt er. Einige Monate darauf sind es bereits 60, ein weiteres Jahr später rund 80 teilnehmende Kunden. Nicht nur mit den monatlichen Beiträgen. Jeder Teilnehmer verpflichtet sich zudem, mindestens dreimal im Jahr auf dem Acker zu helfen. Heymann ist das wichtig. „Die Menschen merken so, was es bedeutet, bei 30 Grad Möhren zu ernten“, sagt Heymann. „Die meisten Teilnehmer kommen öfter.“
Neben der Zahl der Kunden ist auch der Betrieb gewachsen. In Gatow wird inzwischen ein Regionalladen betrieben, außerdem gibt es dort eine Ölmühle, in der regionales Sonnenblumen- und Rapsöl kalt gepresst wird. Die Ernte wird heute in 16 verschiedene Depots geliefert, wo die Kunden sich ihre Kisten abholen. Die Ackerfläche ist auf zehn Hektar gestiegen. Insgesamt baut Heymann laut eigenen Angaben 60 bis 70 Arten Obst und Gemüse an. In einem Gewächshaus wachsen knapp zehn verschiedene Tomatensorten: gelbe, orange, leuchtend rote. Manche sind so groß wie eine Fingerspitze, andere füllen die halbe Handfläche. Er wolle den Menschen damit klarmachen, wie groß die Vielfalt ist, sagt der 39-Jährige.
Gesicherte Einnahmen trotz Dürre und Missernten
Zeigen, wie man gute Lebensmittel produzieren kann: Das war auch ein Grund, warum es Heymann in die Branche gezogen hat. Dass er Landwirt werden wollte, das sei ihm schon in der zehnten Klasse klar gewesen. Heute ist die Arbeit auf dem „SpeiseGut“ mehr als ein Job. Heymann sagt, sie sei Berufung.
Der Vorteil an der solidarischen Landwirtschaft ist für ihn, dass er gesicherte Einnahmen hat. Wenn die Dürre, wie in diesem Sommer, bei einigen Gemüsearten zu einer geringeren Ernte führt, dann bleiben die monatlichen Beiträge der Kunden trotzdem konstant. Im Gegenzug verspricht Heymann ihnen Offenheit, zum Beispiel durch wöchentliche Newsletter.
Inzwischen, nach fünf Jahren, hat sich der Betrieb stabilisiert. Die Finanzierung läuft allein über die Monatsbeiträge – je nach Kistengröße 40 bis 80 Euro – und Spenden. Agrarsubventionen erhält Heymann nicht. Zusätzliche Investitionen seien daher nach wie vor eine Herausforderung. Als Nächstes steht der Bau eines Brunnens an. Außerdem möchte der 39-Jährige den Laden vergrößern und natürlich weiterwachsen. „SpeiseGut“, das bleibt für den Landwirt „ein Marathonprojekt“. Aber eines, für das sich die Arbeit lohne.
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