Was ist dran?

Die Gerüchte um die Polizeiakademie im Faktencheck

| Lesedauer: 7 Minuten
Alexander Dinger und Martin Nejezchleba
Junge Polizeibeamte bei der Vereidigung

Junge Polizeibeamte bei der Vereidigung

Foto: Bernd von Jutrczenka / dpa

In anonymen Briefen und Beiträgen ist von Massenschlägereien, organisierter Kriminalität und frauenfeindlicher Stimmung die Rede.

Neben vielen Vorfällen, die sich bestätigt haben, gab es in den vergangenen Wochen auch viele Gerüchte, die bis heute nicht oder nur zum Teil verifiziert werden konnten. Trotzdem halten sich die Behauptungen hartnäckig – auch, weil sie immer wieder gestreut werden, anonym und ohne konkret zu werden.

Organisierte Kriminalität: Der schwerwiegendste aller geäußerten Vorwürfe ist die Unterwanderung der Berliner Polizei durch die organisierte Kriminalität. Dass es diese Versuche gibt, ist unbestritten – vor allem durch Angehörige krimineller Gruppierungen, insbesondere polizeibekannter arabischer Großfamilien. Nur heißt es aus der Behörde, dass es Schutzmechanismen gebe und diese auch funktionierten. Dazu zählten etwa Auskünfte über die Bewerber aus dem Bundeszentralregister, Prüfungen durch das Landeskriminalamt (LKA), Personalakten und Auskünfte über finanzielle Verhältnisse. Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers räumte kürzlich aber ein, dass es Bewerbungen „relevanter Personen“ gegeben habe, die aber erfolglos geblieben seien. Laut einer aktuellen Einschätzung des LKA gebe es derzeit keine Erkenntnisse, dass Gruppen der organisierten Kriminalität damit begonnen haben, die Polizei zu unterwandern.

Kriminelle bei der Polizei: Anders als bei der organisierten Kriminalität verhält es sich mit Polizisten, die selbst schon einmal straffällig geworden sind. „Es ist nicht auszuschließen, dass Personen in den Polizeidienst eingestellt worden sind, die wegen einer Straftat verurteilt wurden“, heißt es im Sonderbericht zu Polizeiakademie. Das sei dann der Fall, wenn die Tat sehr lange zurückliege, keinen Rückschluss auf die persönliche Eignung mehr zulasse oder entsprechende Einträge im Bundeszentralregister und den polizeilichen Datensammlungen bereits gelöscht wurden.

Disziplinarmaßnahmen: An der Polizeiakademie gibt es immer mehr Disziplinarverfahren, lautet ein weiterer Vorwurf. Das stimmt. Allerdings weist die Anzahl der eingeleiteten Disziplinarverfahren im Verhältnis zur Anzahl der Auszubildenden und Studierenden keinen überproportionalen Zuwachs auf. Waren es 2007 noch 18 Disziplinarmaßnahmen, stieg die Anzahl auf 35 in diesem Jahr. Allerdings hat sich im gleichen Zeitraum auch die Zahl der Einstellungen mehr als verdoppelt. Die Bandbreite, weswegen die Disziplinarmaßnahmen eingeleitet wurden, ist allerdings groß. Sie reicht von Täuschungen in Prüfungen, Fernbleiben vom Dienst über Diebstahl, Nötigung, Trunkenheit im Straßenverkehr bis gefährliche Körperverletzung. Laut Akademie liege der Anteil des Fehlverhaltens der Auszubildenden aus Zuwandererfamilien nicht höher als der der Herkunftsdeutschen.

Massenschlägereien: Seit Anfang dieses Jahres halten sich hartnäckig Gerüchte, dass es an der Polizeiakademie eine Massenschlägerei zwischen Polizeianwärtern türkischer und arabischer Herkunft gegeben habe. Auch die Berliner Morgenpost erreichten damals entsprechende Botschaften. Recherchen erhärteten die Berichte über Verletzte und den Einsatz einer Hundertschaft zur Beruhigung der Lage nicht. Bis heute hält sich das Gerücht aber hartnäckig. Allerdings ist auch bis heute die Herkunft der Botschaft unklar. „Nach bisherigen Ermittlungen kann ein derartiges Ereignis ausgeschlossen werden“, heißt es dazu im Sonderbericht zur Polizeiakademie.

Schwimmunterricht: Ein weiteres Gerücht, dass über mehrere Nachrichten gestreut und bislang nicht verifiziert werden konnte, sind gesonderte Schwimmzeiten für Muslime. Laut Polizei gibt es keine gesonderten Schwimmzeiten für muslimische Polizeischüler. Auszubildende, gleich welcher Herkunft, würden nur vom Sportunterricht befreit, wenn ein ärztliches Attest vorliege oder die Sportlehrer vor Unterrichtsbeginn eine gesundheitliche Einschränkung feststellen würden. „Die behaupteten Vorfälle – Verweigern des Unterrichts oder des Schwimmens in von Frauen „verunreinigtem“ Wasser – konnten nicht erhärtet werden“, heißt es im Sonderbericht.

Rockerverbindung: Etwas differenzierter stellt sich ein Vorfall dar, wonach ein Polizeianwärter in einer Bar in Spandau verkehrte, die auch als Treffpunkt der „Guerilla Nation“ gilt. Bei einer Polizeikontrolle in der Bar soll der Polizeischüler seinen Dienstausweis gezückt und die Maßnahme in Frage gestellt haben. Anwesend in der Bar soll auch der Kopf einer bekannten libanesischen Großfamilie gewesen sein. Der Vorfall hat sich tatsächlich zugetragen und führte zu einer internen Untersuchung. Laut LKA lasse sich aber nicht beweisen, dass der Polizeischüler Kenntnis von der Anwesenheit des Clan-Chefs besaß und seinen Dienstausweis habe er zur Identifikation benutzt. Das sei zwar verboten, überschreite aber nicht die Schwelle eines Dienstvergehens.

Schlagzeilen

Sexfilm Weil er in einem Pornofilm mit dem Titel „Pimmel Bingo“ mitgewirkte, bekam im Januar dieses Jahres ein Polizeianwärter Ärger. Verbeamtet wurde der junge Mann später trotzdem.

Diebesgut Ein Polizeischüler bot im März auf dem Akademie-Gelände Hehlerware an. Festgenommen wurde der 20-Jährige, als er verdeckten Ermittlern eine gestohlene Kamera aus dem Kofferraum seines Autos heraus verkaufen wollte. Der Polizeischüler wurde suspendiert.

Drogen Zwei Auszubildende sollen ihre Mitschüler an der Akademie mit Drogen versorgt haben. Als Ende März Anzeige erstattet wurde, quittierte einer von beiden sofort den Dienst. Was dran ist an den Vorwürfen, ist immer noch nicht vollends aufgeklärt. Ein Strafverfahren ist noch anhängig.

Hetze Im September dieses Jahres wurde bekannt, dass ausländerfeindliche Parolen auf die Türen der Toiletten in der Polizeischule geschrieben wurden. Zu lesen waren Sprüche wie „Fuck Islam, Refugees not welcome! Deutsche, stoppt die Islamisierung“. Wenige Wochen später schaltete sich der Staatsschutz in ein anderes Verfahren ein. Über einen Netzwerkdrucker der Akademie wurden volksverhetzende Schriftstücke ausgedruckt.

Geheimnisverrat Eine Studentin der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR) absolvierte bei der Polizei Berlin im Oktober ein Pflichtpraktikum. Dort fotografierte sie einen Fahndungsaufruf und verschickte ihn per Whatsapp. Gegen die Studentin wurden strafrechtliche Ermittlungen wegen des Verdachts auf Verletzungen von Dienstgeheimnissen eingeleitet.

Kurier In Kreuzberg wurde Ende November ein 20-Jähriger von der Polizei mit Kokain am Steuer erwischt. Der junge Mann gab bei seiner Festnahme an, er habe sich bei der Berliner Polizei beworben. Allerdings stellte sich später heraus, dass der Möchtegern-Polizist bereits am Online-Test gescheitert war.

Anlagebetrug Gegen einen Polizeimeisteranwärter wird wegen des Verdachts des gewerbs- und bandenmäßigen Anlagebetrugs ermittelt. Der Mann wurde am 1. Dezember dieses Jahres mit einem Haftbefehl des Amtsgerichts Traunstein verhaftet.

Randale Anfang Dezember meldete ein Zeuge Randalierer in Haselhorst (Spandau). Der Mann beobachtete grölende Männer, die gegen Strom- und Telefonverteilerkästen traten und etwas mit „Hitler“ grölten. Die sieben Männer zwischen 19 und 25 Jahren waren Auszubildende der Polizeiakademie. In den Fall hat sich auch der Staatsschutz eingeschaltet. Die Ermittlungen dauern an.

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