Spandau

Was die Spandauer zu den Plänen für ihre Altstadt sagen

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Isabel Metzger
Kathi Bembenick (l.) Freundin Yvonne Paal (M.) und deren Kindern sowie Freundin Nicki Mauroschat in Spandau

Kathi Bembenick (l.) Freundin Yvonne Paal (M.) und deren Kindern sowie Freundin Nicki Mauroschat in Spandau

Foto: Sergej Glanze / Glanze

Imbissbuden, Billigläden - und das Ende traditioneller Geschäfte musste Spandaus Altstadt zuletzt verkraften. Das soll sich nun ändern.

Mittwochnachmittag im Zentrum von Spandau: Senioren sitzen bei Kaffee und Kuchen. Mütter schieben ihren Kinderwagen über den Vorplatz der Reformationskirche. Hinter den Schaufenstern regt es sich, Kunden laufen zwischen Kleiderhaken, Parfümfläschchen, Geschenkartikeln. Doch der Schein trügt: In den Häuserreihen stehen einige Fensterläden leer. Ein paar Schritte abseits sind nur vereinzelt Menschen unterwegs: in Richtung S-Bahn-Station oder Arcaden.

Die Spandauerin Kathi Bembenick, 24, hat beobachtet, wie das Zentrum ihres Stadtteils in den letzten Jahren allmählich ausdünnte. Am Mittwoch geht sie mit ihren beiden Freundinnen und deren Kindern vorbei an Mobilfunkläden und Imbissbuden.

„Immer mehr alte Läden schließen“, sagt sie. „Viele die kommen, die machen auch schnell wieder dicht.“ In Spandau wohnt sie seit sechs Jahren. Besonders für Familien seien die Angebote immer weiter zurückgegangen. „Der Weihnachtsmarkt und die Havelfeste sind weniger geworden“, sagt sie. Und ihre Freundin Yvonne Paal, 33, zweifache Mutter, pflichtet bei: „Für die kleinen Kinder brauchen wir mehr Angebote.“ Zu wenig Spielplätze gebe es im Stadtteil, zu wenige Freizeitflächen.

Mehr touristische Angebote

Das könnte sich bald ändern: Der Berliner Senat beschloss am Dienstag, wie berichtet, die Altstadt Spandau in die Städtebauförderung aufzunehmen. Rund 165 Millionen Euro sollen in den nächsten zehn Jahren für die Sanierung von insgesamt fünf Gebieten locker gemacht werden.

Ein Teil des Budgets soll in die Spandauer Altstadt fließen: Renovierungsarbeiten, Marketingmaßnahmen, touristische Angebote. Der Spandauer Bezirksstadtrat Carsten Röding (CDU) zeigte sich erleichtert: „Schon seit fast vier Jahren beschäftigen wir uns damit, wie wir die das Zentrum sanieren können“, sagte er der Berliner Morgenpost. „Mit der Förderung haben wir eine riesige Chance, das Potential auszuweiten.“

Neue Beleuchtung

Konkret heißt das beispielsweise: die Brückenköpfe an der Charlottenbrücke ausbessern, den Zugang zur Zitadelle deutlicher sichtbar machen, mehr Gastronomie am Flussufer ansiedeln. „Der Reformationsplatz ist ein großes Thema“, sagte Röding. Viel zu dunkel sei es dort. Die Beleuchtung müsse dringend ausgetauscht werden. Die Pflastersteine: längst sanierungsbedürftig. „Momentan ist der Platz überhaupt nicht gestaltet. Wir brauchen ein Image aus einem Guss“, sagte Röding. „Die Kirchen werden für das Projekt mit uns zusammenarbeiten.“ Die Musikschule und die Stadtbibliothek bräuchten barrierefreie Zugänge. Unter dem Strich gebe es Projektideen im Umfang von rund 50 Millionen Euro. „Ob wir die alle mit den finanziellen Mitteln umsetzen können, weiß ich nicht“, so der CDU-Politiker. „Aber wir sind schon froh, dass wir das Geld überhaupt haben.“

Manche Relikte der frühen Berliner Moderne liegen noch heute abgeschnitten in den Seitenstraßen: ein Kurzwarenhandel mit Wolle und Strümpfen. Ein Schmuckgeschäft, das stolz „seit 1921“ im Namenszug trägt. In der Jüdenstraße neben dem Biergarten hat der Künstler Burhan Heja, 53, seine Bilder ausgebreitet. Vier Stunden täglich steht er vor der Kunstremise Spandau. Von den Projekten der Städtebauförderung hat er nichts gehört. Vor seiner Auslage in Spandau kommen nur selten Passanten vorbei. „Es läuft so mittel“, sagt er. Ob sich das in den nächsten Jahren ändern wird?

Planungsarbeiten dauern bis 2016

Ingrid Jahn von der Arbeitsgemeinschaft Altstadt Spandau e.V. ist noch skeptisch. Mit ihrem Verein setzt sie sich seit 1985 für die kulturelle und wirtschaftliche Belebung der Innenstadt ein. „Die Spandau Arcaden und die Traditionsgeschäfte haben sich nicht gegenseitig befruchten können“, sagt sie. Schuld sei niemand so richtig. Was also soll man jetzt schon tun? „Das einzig Sinnvolle wäre eine gesteuerte Gewerbestruktur. Nicht ein Bäcker am anderen, nicht zig Friseure“, sagt sie. Ingrid Jahn ist eine Spandauerin „mit Herzblut“, wohnt in ihrem Stadtteil in der fünften Generation.

Die Rentnerin hatte früher ihren eigenen Hobby- und Bastelladen in der Carl-Schurz-Straße. Sie hat zugesehen, wie immer mehr Mitglieder ihren Verein verließen und ihre Geschäfte verloren: Hannelore Müller mit ihrer Schokoladen-Confiserie, der Damen-Konfektions-Laden an der Fußgängerzone, sogar die Nordsee-Filiale könne sich nicht mehr halten. Sicherer und sauberer müsste die Innenstadt sein, sagt Jahn, befreit von dem staubigen Image einer Altstadt.

Mit den Projekten der Städtebauförderung könnte es aber noch dauern: „Bis ins Jahr 2016 werden wir erst mal mit Planungsarbeiten beschäftigt sein“, sagte Carsten Röding. In dieser Zeit können die Spandauer weiterhin ihre Ideen auf einer Webseite einreichen. Allein: „Die Beleuchtung in der Fußgängerzone werden wir schon bis zum nächsten Jahr austauschen“, sagte Röding. „Das ist aber ein separates Projekt, unabhängig von der Städtebauförderung.“

Zur Webseite:
www.zukunft-altstadt-spandau.de