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In Berlin-Spandau haben mehr als 4100 Mietwohnungen den Besitzer gewechselt. Sie sind Teil der Großsiedlung Heerstraße Nord und gehörten früher dem einst städtischen Wohnungsunternehmen GSW. Sie wurde 2004 vom Land Berlin an private Investoren verkauft und 2013 vom börsennotierten Unternehmen „Deutsche Wohnen“ übernommen.
Und das trennte sich nun, wie die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Immobilien-Experten und der „Alternative Mieter- und Verbraucherschutzbund“ (AMV) übereinstimmend bestätigen, von dem Spandauer Immobilienpaket.
Nach Informationen der Berliner Morgenpost handelt es sich beim Käufer um einen in Berlin ansässigen internationalen Investor mit Verbindungen nach Israel. Die „Deutsche Wohnen“ selbst wollte einen Verkauf weder bestätigen noch dementieren. Ende März werde der Geschäftsbericht veröffentlicht, vorher äußere man sich nicht zu Verkäufen oder Ankäufen, sagte Unternehmenssprecherin Manuela Damianakis.
Nach Angaben des weltweit tätigen Immobiliendienstleisters CB Richard Ellis (CBRE) gehören sogar mehr als 5700 Wohnungen zu der Portfolio-Transaktion in Spandau. Sie ist neben dem Veräußerung von mehr als 800 Wohnungen in westlichen Bezirken durch die Mähren Gruppe an Akelius der erste größere Verkauf in diesem Jahr.
Objekte für 4,3 Milliarden Euro verkauft
Für das vergangene Jahr nennt CBRE Portfolio-Verkäufe von insgesamt mehr als 11.000 Wohnungen, wobei nur Pakete mit mehr als 500 Wohneinheiten berücksichtigt wurden. Rackham Schröder vom international tätigen Immobilienmakler Engel & Völkers bezifferte die Zahl der im vergangenen Jahr in Berlin bei Transaktionen verkauften Objekte auf 1382, die umgesetzte Summe auf 4,3 Milliarden Euro. Dazu gehörten allerdings keine Share-Deals oder Übernahmen kompletter Firmen wie im Fall der GSW im Herbst 2013.
Zu den aktivsten Käufern zählten neben den börsengelisteten Unternehmen die städtischen Wohnungsbaugesellschaften. So erwarben zum Beispiel die Howoge 2014 in Marzahn knapp 2500 Wohnungen und die Degewo in südlichen Ortsteilen knapp 2300 Wohnungen. Letztere liegen vor allem in Lichtenrade, Marienfelde und Gropiusstadt.
Land kauft mehr als 20.000 Wohnungen
Über seine sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften hat das Land Berlin in dieser Legislaturperiode bereits weit mehr als 20.000 Wohnungen aufgekauft – nachdem Jahre zuvor viel Tafelsilber verkauft worden war. Senat und Regierungskoalition hatten nach der Wahl 2011 das Ziel vorgegeben, den Wohnungsbestand in landeseigenen Gesellschaften durch Ankäufe und Neubauten von 270.000 bis zum Herbst 2016 auf 300.000 zu erhöhen.
„Der Weg, den wir seit einigen Jahren mit der Rekommunalisierung einschlagen, ist richtig. Berlin ist selbstbewusster geworden beim Rückkauf von wesentlichen Teilen der Daseinsvorsorge. Das gilt auch für den Wohnungsmarkt. Die Privatisierung in der Vergangenheit war falsch“, sagte Raed Saleh, SPD-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, der Berliner Morgenpost. Das zeige sich auch bei den ehemaligen Beständen der GSW. Der erste Verkauf habe bereits negative Auswirkungen auf die Mieter gehabt. „Hausmeister wurden abgeschafft, es wurde seltener gereinigt und die Grünanlagen wurden nicht mehr richtig gepflegt“, kritisierte Saleh, der in Spandau lebt und in dem Bezirk aufwuchs.
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Er schlägt daher vor, eine Privatisierungsbremse in die Landesverfassung aufzunehmen, ähnlich wie in Bremen. „Dann dürfte in den Bereichen Gesundheit, öffentlicher Nahverkehr, Energie, Wasser und Wohnen nur öffentliches Eigentum verkauft werden, wenn die Mehrheit der Berliner dem zustimmt“, so Saleh. „Die Daseinsvorsorge ist so zentral, die muss geschützt werden – auch vor der Politik.“
Käufer bietet 30 Prozent mehr als Berlin
Städtische Gesellschaften hätten auch gern die mehr als 4000 Wohnungen im Gebiet Heerstraße Nord übernommen, bestätigte Stadtentwicklungsstaatssekretär Engelbert Lütke Daldrup. Sie seien allerdings vom Käufer letztlich stark überboten worden. Lütke Daldrup betonte, die landeseigenen Unternehmen dürften keine Gebote abgeben, die nicht durch die Mieteinnahmen gedeckt seien. Nach Morgenpost-Informationen lag das Angebot des privaten Investors 30 Prozent darüber.
„Es ist bedauerlich, dass das Land Berlin die Wohnungen in Spandau nicht erwerben konnte“, sagte SPD-Fraktionschef Saleh. Das hätte mietpreisdämpfend gewirkt, weil die städtischen Gesellschaften nicht das Prinzip der Gewinnmaximierung verfolgten. Saleh geht davon aus, „dass der Investor die Wohnungen als Spekulationsobjekt betrachtet“. „Wir werden das im Blick behalten“, kündigte er an.
Neben den städtischen Gesellschaften seien nach wie vor Investoren aus dem Ausland am Kauf größerer Wohnungspakete in Berlin interessiert, sagte ein Immobilien-Experte der Morgenpost. Das Preisniveau sei dabei häufig „sehr sportlich“. Börsennotierte Unternehmen hätten es dann schwer, ihre Renditeerwartungen und den geforderten Kaufpreis in Übereinstimmung zu bringen und würden zunehmend eher in Städten wie Leipzig, Magdeburg, Hannover und Braunschweig kaufen.
Aufräumen mit zwei Gerüchten
Der Experte erteilte allerdings gleich zwei Gerüchten eine Absage: Es stimme nicht, dass russische Investoren derzeit besonders aktiv am Berliner Immobilienhandel mit größeren Paketen teilnähmen. Und es sei auch nicht zu belegen, dass die börsengelisteten Firmen die Mieten nach einem Ankauf stärker anheben als die städtischen Gesellschaften. Die „typische Heuschrecke“ sehe er derzeit nicht am Berliner Markt. Auch Rackham Schröder vom Maklerhaus Engel & Völkers sieht ein wieder wachsendes internationales Interesse am Berliner Immobilienmarkt. Die Investoren kämen aber eher aus dem angelsächsischen und dem skandinavischen Raum als aus Russland.
Doch diesen und den städtischen Gesellschaften will die börsennotierte „Deutsche Wohnen“ keinesfalls kampflos das Feld überlassen. „Wir sind immer interessiert, sinnvoll zu wachsen“, sagte Sprecherin Manuela Damianakis. Und Berlin sei der „Heimatmarkt“ des Unternehmens, „wir glauben an diese Stadt.“ Mit gut 100.000 Wohnungen ist die „Deutsche Wohnen“ vor der Degewo bereits jetzt Berlins größter Vermieter.