Berlin. Das Verfahren um die Verkehrsberuhigung in Hermsdorf hat begonnen. Anwohner und Gewerbetreibende sind skeptisch.

Reinickendorfs Verkehrsstadträtin Korinna Stephan (Grüne) sieht im Kiez um die Heinsestraße in Hermsdorf „ein echtes Kleinod, ein lebendiges Ortsteilzentrum.“ Sie gehe dort auch selbst gern flanieren. Aber es gebe eben Verkehrsprobleme: zu viel Durchgangsverkehr, Fahrradfahrer auf dem Bürgersteig, weil die Straße gepflastert ist. Die Bezirksverordnetenversammlung von Reinickendorf hatte Anfang des Jahres die notwendigen Mittel für eine Machbarkeitsstudie in Höhe von 90.000 Euro im laufenden Haushalt bereitgestellt. Das Team der Interlink GmbH lud nun am Donnerstagabend zur ersten Veranstaltung.

Kern des digitalen Events ist, gemeinsam Ideen zu sammeln um die Themenblöcke Verkehr und Mobilität, Grünflächen und Aufenthaltsqualität. Die Ergebnisse der Veranstaltung sollen dann in die Studie einfließen. Laut Stephan träfen in der Heinsestraße zahlreiche Themenkomplexe aufeinander: man wolle den Einzelhandel stärken, Aufenthaltsqualität und Schulwegsicherheit verbessern und die Straße für den Klimawandel fit machen.

Skepsis bei Anwohnern und Gewerbetreibenden

Klingt alles gut. Aber bei den Teilnehmern, darunter Anwohner und Gewerbetreibende, gibt es Skepsis. Eine Teilnehmerin schreibt, dass aus den Eingangsbemerkungen hervorgehe, „dass das Ergebnis bereits feststeht. Wofür also diese Veranstaltung?“. Verkehrsberuhigung und Kiezblocks sind oft Reizthemen. Im benachbarten Dianakiez in Waidmannslust gibt es ein neues Beruhigungsansinnen, in der Schildower Straße hingegen schon lange. Kritiker fragen: Wie hermetisch will Hermsdorf sein?

Die Feuerwache Hermsdorf steht im südlichen Teil der Heinsestraße. Anwohner machen sich bei einer Beruhigung Sorgen um die Verkehrswege der Einsatzfahrzeuge.
Die Feuerwache Hermsdorf steht im südlichen Teil der Heinsestraße. Anwohner machen sich bei einer Beruhigung Sorgen um die Verkehrswege der Einsatzfahrzeuge. © Berliner Morgenpost | Susanne Kollmann

Aber die Moderatorin der Veranstaltung, Diplom-Geographin Susanne Thomair, versichert, dass es das Ziel sei, das Quartier weiterzuentwickeln, den öffentlichen Raum ansprechender, grüner und nutzbarer zu gestalten und so auch den Einzelhandel zu stärken. „Es ist ein offener Prozess, ich weiß nicht, wie er ausgeht“, versichert Thomair im Gespräch am Tag nach der Veranstaltung. Aber sie gibt auch lachend zu, dass ein Ziel ausgeschlossen werden könne: noch mehr Autoverkehr in die Heinsestraße zu bringen. „Der Fokus ist, dass die Heinsestraße eine attraktive und schöne Geschäftsstraße bleibt – welche Rolle der Autoverkehr spielt, wird sich zeigen.“ Denkbar wäre zum Beispiel, die Straße in der Mitte zu teilen, eine Einbahnstraße aus ihr zu machen oder die Geschwindigkeit stark zu beschränken.

Ältere Anwohner und die Feuerwache sollen keine Probleme bekommen

Im südlichen Teil der Heinsestraße befindet sich die Feuerwache Hermsdorf und viele ältere Anwohner seien beim Einkaufen aufs Auto angewiesen, lauten wiederholt vorgebrachte Einwände in der Veranstaltung. Heiner von Marschall, Landesvorsitzender Nordost des Verkehrsclubs Deutschland, beeindrucken diese nicht mehr. Er ist bei der Veranstaltung nur als Zuhörer dabei, aber sein VDC hat bereits erste Ideen skizziert. So soll die Heinsestraße am Max-Beckmann-Platz für die Autodurchfahrt gesperrt werden, der Platz quasi auf die andere Straßenseite rübergezogen. Nur noch Fußgänger und Fahrräder sind erlaubt. „Und Einsatzfahrzeuge von Feuerwehr und Polizei.“

Trotzdem würden alle Häuser weiterhin noch mit dem Auto erreichbar sein. „Es geht nur darum, den Durchgangsverkehr zu verhindern, der zwei Drittel des Gesamtverkehrs ausmacht“, erklärt von Marschall. „Von dem hat auch der Einzelhandel gar nichts. Stattdessen brauchen wir mehr Aufenthaltsqualität für eine längere Verweildauer und mehr Grün, um den Folgen des Klimawandels zu begegnen.“ Bei vielen vergleichbaren Projekten habe sich gezeigt: „Am Anfang herrscht Skepsis und danach will es niemand mehr missen.“

Lesen Sie hier mehr aus Reinickendorf