Berlin. Auf dem Airport-Areal in Berlin-Tegel hat kurz nach der Entwidmung des Flughafens Anfang Mai die Suche nach alter Munition und Blindgängern aus dem Zweiten Weltkrieg begonnen. Zu dem Zeitpunkt waren von der knapp 500 Hektar großen Fläche nach Angaben der landeseigenen Tegel Projekt GmbH mehr als 400 Hektar noch nicht nach Stand der Technik kampfmittelberäumt. Im Bereich der Baustellenzufahrt am Kurt-Schumacher-Damm für die ersten Bauabschnitte der Urban Tech Republic und des Schumacher Quartiers sind diese Arbeiten jetzt weitgehend abgeschlossen, teilt Constanze Döll, Sprecherin des Unternehmens auf Nachfrage der Berliner Morgenpost mit.
„Mit der Kampfmittelräumung liegen wir gut im Plan“, sagte die Sprecherin. Es sei auch einiges gefunden worden: „Bislang kein Blindgänger, wohl aber wie erwartet Munition von der Handgranate bis zur Stabbrandbombe und jede Menge Munitionsschrott“, so Döll weiter. Die genauen Mengen könnten allerdings erst Anfang August beziffert werden.
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Flughafen Tegel: Ein Teil der Kampfmittel wird direkt vor Ort gesprengt
Die geborgenen Kampfmittel wurden teils vor Ort von der Polizei gesprengt. „Wo das nicht möglich war, wurden sie zum Sprengplatz im Grunewald gefahren und dort entsorgt“, sagt Constanze Döll. Das Baugeschehen sei dadurch aber bislang nicht wesentlich beeinträchtigt worden. „Es waren bisher zum Glück eher kleinere Sprengungen, die die Bauarbeiten im Schnitt nur für eine Stunde unterbrochen haben.“
Weil die Arbeiten bislang noch östlich der früheren Start- und Landebahn stattfinden, also weitab von jeglicher Wohnbebauung und vom Straßenverkehr, hätte es dadurch noch keine Auswirkungen auf das Umfeld gegeben. Je nach Lage und Gefährlichkeit möglicher Funde könnten perspektivisch aber auch Evakuierungsmaßnahmen oder Unterbrechungen des Straßenverkehrs und der U-Bahn notwendig werden. „Im August fangen wir mit der Beräumung im Bereich der früheren Flughafenzufahrt am Saatwinkler Damm an, da kann es schon zu Beeinträchtigungen kommen“, so Döll weiter.
Tegel war Ziel von 80 Luftangriffen
Das gesamte Gebiet des ehemaligen Flughafens Tegel gilt als Kampfmittelbelastungsgebiet, jegliche Bodeneingriffe sind daher ohne kampfmitteltechnische Begleitung verboten. Das Gelände war seit 1780 als Artillerie-Schieß- und Übungsplatz des preußischen Heeres genutzt worden, ab 1930 fanden dort Raketenversuche statt. Im Zweiten Weltkrieg diente es dann als Truppenübungsplatz und Standort von Flugabwehrgeschützen und wurde in dieser Zeit Ziel von etwa 80 Luftangriffen. Erschwerend kommt hinzu, dass nach Kriegsende Bombentrichter mit oft kampfmittelbelastetem Bauschutt zerstörter Gebäude verfüllt wurden und Munition, die nicht abtransportiert werden konnte, einfach verbuddelt wurde.
Erst ab Ende der 1960er-Jahre fanden punktuelle Räumungen statt. Testfelduntersuchungen in den Jahren 2004 und 2005 ergaben, dass das Areal kampfmittelbelastet ist, jedoch ohne Eingriff in den Boden keine unmittelbare Gefährdung für den Flugbetrieb ausgeht. Seit dieser Zeit wird das Flughafengelände systematisch geräumt.
Ab August bis Oktober 2022 sollen zwei weitere Flächen beräumt werden: Der Bereich des ersten Bauabschnitts im Schumacher Quartier und ab Herbst 2021 dann im Bereich der Südzufahrt, von der General-Ganeval-Brücke aus kommend. Diese Arbeiten sollen laut Tegel Projekt bis Ende 2022 abgeschlossen sein.
Suche bis in sechs Metern Tiefe
Die Kampfmittelberäumung erfordert einen erheblichen Aufwand: Der Boden muss zunächst mit Metalldetektoren systematisch abgesucht, dann schichtweise abgetragen und in einer Separierungsanlage sorgsam untersucht werden, erläutert Döll. Bei Flächen, die keine Anomalien aufweisen, wird der Boden je nachdem, was dort später gebaut werden soll, zwischen 30 und 160 Zentimeter ausgehoben. Verdachtsgebiete müssen sogar bis zu einer Tiefe von sechs Metern abgetragen werden. Für die Räumarbeiten auf den drei prioritären Flächen rechnet die Tegel Projekt GmbH mit etwa 340.000 Kubikmetern Erdaushub. Dieser wird auf der ehemaligen südlichen Landebahn sowie im Bereich des künftigen Schumacher Quartiers gelagert und nach erfolgter Kampfmittelfreigabe direkt wieder eingebracht oder für andere Bereiche auf dem Projektgebiet verwertet.
Ab kommendem Jahr und über einen Zeitraum von etwa 20 Jahren sollen auf dem früheren Flughafen-Areal das „Schumacher Quartier“ mit mehr als 5000 Wohnungen sowie die „Urban Tech Republic“, ein Forschungs- und Industriepark für urbane Technologien und ein 200 Hektar großer Landschaftspark entstehen.
Noch gehören große Teile des Flughafenareals jedoch dem Bund. „Die Eigentumsübertragung wird 2022 wirksam werden, der Bund hat uns aber vorzeitig ab 5. August den vorläufigen Besitz übertragen“, erläutert Katrin Dietl, Sprecherin von Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke). Über den Kaufpreis sei Stillschweigen vereinbart worden.