Reinickendorf. Anwohner der Schildower Straße sehen nur einen Ausweg, um den Pendlerverkehr zu stoppen: Die Straße zu schließen.

Jeden Morgen zwischen 7 und 8 Uhr ist es für die Anwohner in der Schildower Straße mit der Ruhe vorbei. Ein Auto nach dem anderen fährt an den Häusern vorbei, nicht selten wird das mit einem Hupkonzert und pöbelnden Fahrern untermalt. Denn die Schildower Straße ist teilweise so eng, dass nur Platz für ein Fahrzeug ist, wenn am Straßenrand Autos parken.

Ganz problematisch wird es, wenn der Bus 326 oder Lastkraftwagen entgegenkommen – dann geht kurzzeitig nichts mehr. „Die fahren oft aufeinander zu nach dem Motto: Wer zuckt zuerst“, sagt Wolfgang Popp. Er lebt seit 40 Jahren in der Straße, beobachtet diese Szenarien täglich. Diejenigen, die durch die Schildower Straße fahren, kommen größtenteils aus dem Umland – „und es werden immer mehr“, beobachtet Wolfgang Popp. Wenn es nach den Anwohnern geht, soll damit am besten schon seit gestern Schluss sein, sind sie der Situation seit Jahren ausgesetzt. Sie haben eine Bürgerinitiative gegründet, ein Verkehrsgutachten erstellt, Vorschläge an das Bezirksamt gemacht. Verändert hat sich die Situation bislang allerdings nicht.

„Alle sechs Sekunden fährt ein Auto hier vorbei“, sagt Michael Ortmann, während er aus dem Fenster schaut. Er wohnt mit seiner Familie direkt an der Schildower Straße. Er hat das Verkehrsgutachten erstellt, als Professor für Mathematik fiel es ihm nicht schwer, das nötige Wissen dafür anzueignen. In der Spitzenstunde am Vormittag zwischen 6.30 Uhr und 8.30 Uhr seien 1090 Fahrzeuge in Richtung Berlin gezählt worden. „Es ist nicht nur die Menge an Fahrzeugen und der Lärm. Es ist richtig gefährlich“, sagt Anja Laude. Wenn ihre Tochter das Haus verlässt, um zur Grundschule am Fließtal zu laufen, hat sie Bauchschmerzen. „Die Kinder haben keine Chance. Niemand lässt sie über die Straße, die fahren ohne Rücksicht an ihnen vorbei“, sagt die Anwohnerin. Es sei sogar schon so weit gekommen, dass sich Eltern vor die fahrenden Autos stellen mussten, damit die Kinder die Straßenseite wechseln konnten. Die Autofahrer seien sehr aggressiv, würden riskant überholen, dafür auch über Bürgersteige fahren. Das alles in hohem Tempo – die vorgeschriebenen 30 km/h würden die wenigsten fahren.

Navigationsgeräte lotsen Ortsfremde durch Schildower Straße

Die Politiker kennen das Problem bereits seit einigen Jahren. 2016 wurden Fahrbahnverengungen angebracht und auch Piktogramme aufgemalt. „Das hat rein gar nichts gebracht“, sagt Wolfgang Popp. Deshalb sehen die Anwohner nur noch einen Ausweg: Der Durchgangsverkehr muss gestoppt werden. Dafür sollen an der Grenze zu Brandenburg in der Elsenstraße und der Schildower Straße Poller eingesetzt werden – für Radfahrer und Fußgänger wäre der Weg frei. Der Verkehr würde dann über die Hauptstraße in Glienicke und weiter auf die Berliner Straße (B96) abgeleitet werden.

„Es müssten lediglich die Ampelschaltungen angepasst werden“, sagt Ortmann. Derzeit sei es aber attraktiver durch das Wohngebiet zu fahren, da man circa einen Kilometer spart. Zudem ist die Fahrt durch das Waldseeviertel schneller – auf der Hauptstraße K6501 gilt ebenfalls Tempo 30 auf einer Strecke von 700 Metern, von der Bundestraße B96 in Richtung Schildow. Auf der B96 gilt in den Nachtstunden von 22 bis 6 Uhr ebenso Tempo 30. Das bedeutet allerdings auch, dass die Navigationsgeräte jeden Ortsfremden durch die Schildower Straße lotsen. Und um dieses Problem zu lösen, sehen die Anwohner nur noch die absolute Sperrung für den Autoverkehr.

Für Bezirksstadträtin Katrin Schultze-Berndt (CDU) ist das jedoch die allerletzte Lösung. „Ich bin in eine Partei eingetreten, die sich immer die Deutsche Einheit auf die Fahne geschrieben hat. Und jetzt soll ich diejenige sein, die als Kulturstadträtin die Länder wieder trennt. Das wäre ein schwieriges Ergebnis.“ Bevor Poller in den Boden eingesetzt werden, soll erst alles Mögliche ausprobiert werden, um die Attraktivität der Schildower Straße für Autofahrer zu minimieren. „Eine Lösung müssen wir finden, aber ich hoffe, wir finden eine andere“, sagte Katrin Schultze-Berndt im Verkehrsausschuss.

In absehbarer Zeit werden weitere Piktogramme angebracht, die deutlich auf eine Tempo-30-Zone hinweisen, weitere Fahrbahnverengungen werden hinzukommen, eine so genannte Beruhigungsinsel wird dort auf der Schildower Straße aufgestellt, wo diese an den Hermsdorfer Damm angrenzt, ebenso werden auf die größere Grünfläche an gleicher Stelle Bäume gepflanzt, damit niemand mehr die Abkürzung über die Grasfläche nimmt. Die Anwohner glauben nicht, dass sich die Situation dadurch verbessern wird. „Wir sind aber sehr froh, dass überhaupt etwas gemacht wird.“

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