Berlin. 17 Jahre lang waren die Turbinen der Sound seines Lebens, jetzt ist es eine Stichsäge. Alex Molter war bis zur Insolvenz von Air Berlin Kabinenchef an Bord von Langstreckenflügen. Jetzt fräst er sich gerade in einer Reinickendorfer Werkstatt durch eine Kiefernholzplatte. Statt Wolken fliegen ihm Sägespäne um die Ohren. „Wenn sie dir plötzlich den Teppich unter den Füßen wegziehen, musst du dein Leben ganz neu gestalten“, sagt der 44-Jährige und beginnt damit, an einem Holzstück in Form einer geschmolzenen Gitarre zu schleifen.
Der Flugbetrieb von Air Berlin endete am 27. Oktober 2017. Alex Molter war einer von mehr als 8000 Beschäftigten des Berliner Unternehmens, die ihren Arbeitsplatz an diesem Tag verloren. Genauso wie seine Frau, die als Stewardess gearbeitet hatte.
Viele früheren Air-Berlin-Mitarbeiter kamen bei anderen Fluggesellschaften unter, nicht Alex Molter und seine Frau. „Es gab ja keinen Betriebsübergang. Wir hätten uns bei den neuen Airlines zu viel schlechteren Konditionen bewerben müssen.“ Zu alte Mitarbeiter, mit zu vielen Kindern seien im Bewerbungsprozess ausgesiebt worden. Zwar habe er auf Betriebsübergang geklagt, aber dennoch stand die Familie mit insgesamt vier Kindern plötzlich vor einem Scherbenhaufen. Wie weiter?
„Kunst aus Holz schaffe ich erst seit Juni dieses Jahres“, sagt Molter. Um den Kopf frei zu bekommen, setzte er sich nach seinem letzten Flug an die Stichsäge. Seiner Tochter baute er ein Schloss-Puppenhaus aus Holz. Für die Kita seiner Kinder gestaltete er eine 3-D-Dschungelbuch-Themenwand. Tischlern hat er nie gelernt. Er legte einfach los und seine Ideen übernahmen das Steuerrad.
Durchbruch kam durch das Wacken-Festival
Parallel schrieb er mit seiner Reinickendorfer Punkband „Lautstark!“ den Song „Luzifer“. Dabei kam ihm die Idee, eine rote Luzifer-Gitarre mit Teufelsschwanz zu designen und einen Bluetooth-Lautsprecher einzubauen. Aus Kiefernholz sägte er mit einer rostigen Säge den Gitarrenkorpus aus. Mit Stechbeitel und Sandpapier machte er den Feinschliff. Den Hals seiner ersten Gitarre klebte er darauf. Grundieren, lackieren, fertig.
„Und dann bin ich zur Firma Teufel ins Bikini Berlin, fragte nach einem Bluetooth-Speaker. Dort waren sie begeistert von meinem Deko-Artikel“, sagt Molter. So begeistert, dass sie ihm eine Nachahmung seines Kunstwerkes abkauften. „Meine erste Gitarre konnte ich schließlich nicht hergeben.“ Die weiße Engelsgitarre bildet das Pendant. Kein Teufel ohne einen Engel. „Auch die ist unverkäuflich, weil sie aus der ersten Gitarre meines Schwagers und Bandkollegen gebaut ist.“ Der richtige Durchbruch kam mit der Einladung zum Wacken Open Air durch Festivalgründer Holger Hübner. Ihm gefällt scheinbar seine Kunst. Jüngst hat er Molter den designten Totenkopf-Anker mit den „Full Metal Cruise“ – Initialen „abgekauft“. Zudem lud er den Künstler im August zum Wacken Open Air ein.
Dort stellte er den „Throne of Rock“ im Backstage-Bereich der Bands Judas Priest und Ghost aus. Viele andere Molter-Kunstwerke schmückten außerdem den Artist-Bereich. „All dies hat mir den Weg für mein Label Roxxta geebnet. Dafür bin ich sehr dankbar“, sagt Molter.
Nicht nur der Sänger von Judas Priest, Rob Halford nahm auf den Throne of Rock bisher Platz und postete sein Foto zum Geburtstag auf Instagram. Weitere Sänger wie David Draiman von Disturbed und Alissa White-Gluz von Arch Enemy folgten. Auch Merchandisingfirmen und Boxenhersteller wurden auf den Künstler aufmerksam. Der geflügelte Stuhl und andere Werke standen auch schon im VIP-Bereich der Metal Hammer Awards und der Hamburg Metal Dayz.
Beim 30-jährigen Wacken-Jubiläum im nächsten Jahr wird Molter wieder im Artist-Bereich ausstellen. Dafür macht er sich in der Werkstatt an der Innungsstraße ans Werk. Holzwände im Rockart-Stil sollen seinen königlichen Bereich zieren. Viele Spiegel mit zersprungenen Gitarren sollen dort hängen und neben dem Thron dürfen auch ein paar Diener auf speziellen Stühlen Platz nehmen. So zumindest die Idee.
Der Traum, in New York oder Miami aufzuwachen
„Alles, was ich baue, habe ich im Kopf. Ich brauche keine Zeichnungen“, sagt Molter. Manchmal kommen ihm seine kreativen Einfälle zu Unzeiten. Dann heißt es: sofort zur Werkstatt. Alles muss gleich umgesetzt werden. Er habe glücklicherweise eine Frau, die das alles so mitmacht.
Bei all dem vermisst er manchmal das Fliegerleben schon. Vor Ort in New York oder Miami aufzuwachen, war einst ein großer Traum. Aber vielleicht trägt ihn ja auch irgendwann seine Kunst wieder in sein Lieblingsland USA. Wenn dann noch Steven Tyler von
Aerosmith eines Tages vor ihm stehen und sagen würde: „Das will ich, das stelle ich mir zu Hause hin“, dann wäre das für Alex Molter das Größte.
Die Arbeiten von Alex Molter sind zu sehen unter www.roxxta.com
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