Reinickendorf
Demo in Reinickendorf

200 Menschen demonstrieren gegen AfD-Veranstaltung an Schule

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Janine Richter

Foto: Janine Richter

Eltern, Schüler, Parteien und Initiativen machten beim "Bürgerdialog" der AfD ihrem Unmut vor der Bettina-von-Arnim-Schule Luft.

Berlin. "Say it loud, say it clear, refugees are welcome here", "bunt ist geil" neben "Pfui AfD" und "Alerta Alerta Antifascista"-Rufen: Rund 200 Eltern, Lehrer und Schüler demonstrierten am Donnerstagabend vor der Bettina-von-Arnim-Schule am Senftenberger Ring im Märkischen Viertel gegen einen „Bürgerdialog“ der AfD in ihrem Schulgebäude. Sie wurden unterstützt von Reinickendorfer Bezirksverordneten der SPD, Grünen, FDP, Linken und CDU. Auch der Linken-Abgeordnete Hakan Taş war vor Ort sowie Sozialstadtrat Uwe Brockhausen (SPD). „Ich bin der Meinung, dass eine Schule ein neutraler Ort sein muss. Die AfD instrumentalisiert meine alte Schule, in der ich Schülersprecher war, und schadet dem Ruf der Schule. Schulen sollten selbst entscheiden dürfen, welche Veranstaltungen bei ihnen stattfinden“, sagte David Jahn, Bezirksverordneter der FDP-Fraktion.

Schüler sprechen sich gegen AfD in ihrer Schule aus

Die Initiative „Aufstehen gegen Rassismus“ verteilte vor dem Eingang zur Mensa der Schule Flyer. „Wir treten überall da auf, wo die AfD ist, und wollen die Menschen aufklären, dass die AfD keine Alternative ist“, sagte Manuel Hinze von der Initiative. Er wolle aktiv gegen die Hetze im Netz vorgehen. Bernd Thomsen, ein Bürger der auf dem Weg zur AfD-Veranstaltung war, erwiderte in einem Flyer, dass seiner Meinung nach, die Initiative „Hetze, Verunglimpfung, Diskriminierung und Schikane“ gegen die AfD betreibe.

Neben zahlreichen Polizisten mit Schutzwesten stand Layla. Die 14 Jahre alte Schülerin der Bettina-von-Arnim-Schule ist mit ihren Mitschülern vor Ort. „Wir sind gegen die AfD in unserer Schule“, sagte sie. „Die sind rassistisch, frauenfeindlich und homophob. Das passt hier nicht her.“ Sie sei persisch-arabischer Abstammung, wohne im Märkischen Viertel, und auch viele ihrer Freundinnen hätten einen Migrationshintergrund. Sie trug wallendes, offenes Haar und eine kurze Jeans. An dem Schulzaun hatten die Schüler bunte Schilder aufgehängt, die für „Freundschaft, Toleranz, Vielfalt und Miteinander“ warben. Im Schulgebäude begrüßte eine Regenbogenfahne und ein Plakat mit der Aufschrift „Unser höchstes Wirken ist Denken“ die AfD-Parteimitglieder und Interessierte des Bürgerdialogs.

Auch die Lehrergewerkschaft GEW schwenkte Fahnen vor Ort. „Wir zeigen Flagge. Die Inhalte, die wir vertreten, sehen wir in der Programmatik der AfD nicht. Deswegen haben wir eine ablehnende Haltung gegenüber dieser Partei“, brachte es Bärbel Lange von der GEW-Reinickendorf auf den Punkt. Dennoch sei ihre persönliche Meinung, dass Schulen für alle gewählten politischen Parteien offenstehen müssten.

AfD: Versammlungsfreiheit werde eingeschränkt

Bezirksstadtrat Sebastian Maack (AfD) betonte, dass die Menschen das Recht hätten, vor Ort gegen die Veranstaltung der AfD Reinickendorf zu demonstrieren. „Ich finde es aber schade, dass dieses Demonstrationsrecht missbraucht wird, um anderen Grundrechte abzusprechen und die Versammlungsfreiheit einzuschränken“, sagte Maack. Menschen würden von der Demo eingeschüchtert, sich zu informieren. Der Zulauf zur Veranstaltung werde „gehemmt.“ „Wir werden von vielen Bürgern im Märkischen Viertel wegen der hohen Kriminalität angesprochen und über diese Probleme im Kiez wollten wir reden.“ Es habe im Märkischen Viertel keinen anderen Veranstaltungsort gegeben, betonte die AfD auch in der Versammlung.

Auch schwarz gekleidete, vermummte Antifa-Mitglieder waren unter den Demonstrierenden. Sie hielten einen Banner mit der Aufschrift "Stoppt die Berliner AfD". Einzelne dieser Gruppierung beschimpften die AfD-Mitglieder beim Hineingehen in die Mensa und versuchten zu provozieren. Janine Zeumer, die Gesamteltervertreterin der Schule, hatte diese Demonstration auf Druck der Eltern organisiert und angemeldet. Die Veranstalterin bedauerte, dass vereinzelte Antifa-Mitglieder laut pöbelten und es letztendlich auch zwei kurzzeitige Festnahmen gab. „Wir wollen einfach nur hier stehen und der AfD Flagge zeigen. Ich weiß, dass der Wille da ist, uns zu unterstützen, aber so war das von uns aus nicht gedacht. Es sollte ein friedliches Miteinander sein, und wir wollten der AfD keinen Grund geben, uns undemokratisches Verhalten zu unterstellen“, sagte Zeumer im Anschluss an die Demo.

Ursprünglich sei es als reiner Elternprotest geplant gewesen, dem sich erst im Nachhinein Parteien und weitere Initiativen angeschlossen hätten. „Wir wollten eigentlich nur hier sitzen, mit bunten Plakaten für Liebe und Toleranz werben. Das wollten wir alles auf eine ruhige und friedliche Art machen.“ Eine Parteiveranstaltung an einer Schule werfe immer einen Schatten auf diese. Gegen diesen „faden Beigeschmack“ von Parteienveranstaltungen an einer Schule wehre man sich. Schule müsse ein neutraler Ort sein.

Zwei vorläufige Festnahmen

Laut dem Einsatzleiter der Polizei wurden zwei Demonstranten kurzzeitig in Gewahrsam genommen. Einer habe gegen das Waffengesetz, der andere gegen das Versammlungsrecht verstoßen. „Dennoch war es insgesamt eine normale Protestform, und es blieb friedlich und störungsfrei“, sagte der Einsatzleiter. Polizisten schirmten die Demonstranten von der Veranstaltung ab und sicherten den interessierten Bürgern den Weg zur Veranstaltung.

In der Mensa der Schule fand derweil der von der AfD initiierte "Bürgerdialog" statt. Rund 40 Anwesende diskutierten hier über die Parkraum- und Rattenproblematik des Kiezes, illegale Müllablagerungen, fehlende Jugendeinrichtungen, aber auch über die vermeintliche Drogenproblematik rund um und an der Schule sowie über die Kriminalitätsstatistik, die kürzlich die Schule unverschuldet berlinweit in Verruf brachte. „Ich wohne seit 1970 hier, und ich habe Angst am Seggeluchbecken entlang zum Einkaufen zu gehen und schaue mich immer um“, beschrieb eine alte Dame, die mit ihrer Tochter gekommen war, ihre Gefühle. Ein 33-Jähriger, der im Märkischen Viertel aufgewachsen sei und zweieinhalb Jahre im Gefängnis gesessen habe, entgegnete, dass es hier viele Menschen im Raum gebe, die „meckern“, aber er habe von den AfD-Politikern keine Lösungen gehört. „Seit meiner Kindheit ist es im Märkischen Viertel hier besser geworden. Früher hatten wir hier Gruppen von Polen, Russen, Türken und Araber. Früher wurde gekämpft um Jugendeinrichtungen. Heute erlebe ich etwas anderes. Den Jungs im Alter von 12 bis 14 Jahren ist die Hautfarbe und Nationalität egal. Diese Angst, von der sie reden, erlebe ich nicht, und die AfD redet sie den Menschen ein.“

„Ich fühle mich im Kiez nicht mehr wohl“

Ein Vater, der mit seinen zwei Kindern gekommen war, kritisierte, dass es mehr Jugendeinrichtungen und Streetworker an der Skateranlage im Kiez bräuchte. Die anwesenden Straßensozialarbeiter von Gangway e.V. hielten dagegen, dass das Märkische Viertel in Reinickendorf „am besten“ im Bezirk ausgestattet und die soziale Infrastruktur gegeben sei.

Auch ein 1996 aus der Türkei geflüchteter junger Kurde meldete sich zu Wort. „In den letzten Jahren hat sich das Stimmungsbild verändert. Ich merke, wie die Vorurteile zugenommen haben, und das bedauere ich“, sagte er. Obwohl er sich als Muslim als waschechter Berliner fühle, werde er plötzlich in seiner Heimat als nicht dazugehörig empfunden, sei mit rassistischen Äußerungen im Alltag konfrontiert und müsse sich als Flüchtlingshelfer rechtfertigen. „Ich fühle mich in diesem Kiez nicht mehr wohl, weil die AfD in dieser Gesellschaft mehr und mehr in den Vordergrund rückt.“ Vielfach sei er als Flüchtlingshelfer von „Trollen der AfD“ im Internet „extrem angefeindet“ worden. Die AfD präge einen feindlichen Sprachgebrauch wie „Messertourismus“, wenn es um Flüchtlinge ginge. Dies heize die Stimmung an. AfD-Stadtrat Maack bekräftigte, dass die Kriminalitätsstatistik eine eindeutige Sprache spreche. Es gebe mit „muslimischen jungen Männern“ ein „extremes Gewaltproblem“ und dies müsse man ansprechen und dafür Lösungen finden.

Als die Veranstaltung endete und die Mitglieder der Diskussion die Mensa verließen, gab es ein gällendes Pfeif- und Buhkonzert sowie abermals Anti-AfD-Chöre. Sie hallten noch weit zwischen den Hochhäusern des Märkischen Viertels wider und hinterließen die Frage: Ist eine öffentliche Schule ein geeigneter Ort für Parteienveranstaltungen?

„Politiker teilweise ausgeschlossen"

Politiker der Parteien Die Linke, SPD und FDP waren nach Berliner Morgenpost Informationen vom „Bürgerdialog“ ausgeschlossen worden. Rolf Wiedenhaupt, Fraktionsvorsitzender der AfD rechtfertigte dies damit, dass „Berufspolitiker“ nicht erwünscht waren. Drei Bezirksverordnete hätten allerdings im Vorfeld die Facebook-Funktion der „Veranstaltungszusage“ genutzt. „Wir haben nach interner Diskussion diese daher zugelassen.“ Zwei CDU-Verordnete nahmen dann am Bürgerdialog teil.

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