Berlin. Die Elternschaft der Bettina-von-Arnim-Oberschule im Märkischen Viertel (MV) macht mobil gegen eine AfD-Veranstaltung, die am kommenden Donnerstagabend an ihrer Schule geplant ist. „Ich habe bei der Polizei eine Gegenveranstaltung mit 150 Personen angemeldet“, bestätigt die gewählte Gesamtelternvertreterin Janine Zeumer.
Am vergangenen Freitag habe sie vom geplanten Bürgerdialog der AfD erfahren und die Elternvertreter informiert. „Plötzlich hatte ich mehr als 50 Mails im Postkasten, dass die Eltern etwas dagegen tun wollen“, sagt Zeumer. Aufgrund des Drucks habe sie die Gegenveranstaltung angemeldet. „Wir wollen zeigen, dass wir gegen die Werte der AfD sind. Wir hatten die romantische und naive Vorstellung, vielleicht auch nur einen Menschen mit unserer Präsenz davon abhalten zu können, an dieser Veranstaltung teilzunehmen.“
"Wir haben kein Integrationsproblem"
Die Eltern hätten die inzwischen nicht mehr öffentlich zugängliche Einladung zum Bürgerdialog der AfD zugespielt bekommen. In der steht: „Viele Einwohner des Märkischen Viertels fühlen sich verunsichert. (...) Der Bezug des neuen MUFs durch Asylbewerber wird den Migrationsdruck weiter erhöhen. Viele Mitarbeiter in den Schulen und Kitas wissen nicht, wie sie damit fertig werden sollen.“ Die AfD-Fraktion sei vor Ort, um mit den Menschen zu sprechen. Mittlerweile ist diese Einladung im Internet nicht mehr einsehbar.
„Bei solchen Aussagen fühlen wir uns persönlich mit hineingezogen. Wir haben kein Integrationsproblem. Wie stehen für Toleranz und Offenheit an unserer Schule“, sagt Zeumer. „Wir habe Flüchtlinge, die sich alle wunderbar integrieren und mit denen wir harmonieren“.
AfD will Kriminalität und Bauvorhaben thematisieren
Rolf Wiedenhaupt, Fraktionsvorsitzender der AfD-Reinickendorf bestätigt, dass der „Bürgerdialog“ stattfinden solle. Dies sei eine Veranstaltungsreihe, die durch die Kieze ziehe. Bewohner kämen mit ihren Anliegen, Sorgen oder Wünsche zu Wort. Deren Themen würden aufgegriffen. Es gehe nicht um „globale Politikfelder“. Man habe die Schule als Veranstaltungsort gewählt, weil es „keine sonstigen Veranstaltungsstätten im MV“ gebe. Es gebe keinen thematischen Bezug zur Bettina-von-Arnim-Schule.
Man wolle beispielsweise die „Thematik der in der Polizeistatistik dargestellten Kriminalität im Umfeld der Schule“ und die Kriminalitäts- und Drogenproblematik im MV aufgreifen, sagt Wiedenhaupt. Zudem gehe es um Bauprojekte. „Es ist mir unverständlich, dass Eltern die Gelegenheit des Dialogs nicht suchen, sondern offensichtlich im Gegenteil versuchen, das Zustandekommen eines Dialogs zu verhindern“, so Wiedenhaupt. Man sei eine demokratisch gewählte Partei und verwehre sich gegen „undemokratische Unruhestiftung oder die Ausübung von Gewalt“. Mitglieder anderer Parteien und "Ortsfremde" seien beim Bürgerdialog aus Platzgründen nicht erwünscht.
„Kein Raum der AfD“ mobilisiert
Derweil wird in den sozialen Netzwerken so intensiv über die Veranstaltung diskutiert, dass aus dem angedachte Elternprotest ein übergreifender Protest geworden ist. Am Dienstagmorgen waren rund um die Schule Plakate aufgehängt worden, mit denen sich die „Kein Raum der AfD“-Bewegung gegen die AfD-Veranstaltung wendet und zur Kundgebung aufruft. „Rassismus, Sexismus und Nationalismus dürfen nicht weiter unwidersprochen Räumlichkeiten erhalten“, heißt es. Man wende sich gegen das „rassistische und menschenverachtende Weltbild“ der Partei, das regelmäßig bei „Bürgerdialogen“ in anderen Bezirken sichtbar werde.
„Wir unterstützen den Elternprotest und werden präsent sein“, sagt GEW-Landesverbandssprecher Markus Hanisch. „Für uns ist die AfD keine normale Partei, und das Bezirksamt bringt die Schule in eine extrem schwierige Lage, wenn sie Veranstaltungen dort genehmigt.“
Bürgerdialog mache Stimmung gegen Flüchtlinge
Die Grünen, Linken und die SPD des Bezirks sehen dies ähnlich und wollen sich am Elternprotest beteiligen. „Es ist unverständlich, dass der zuständige Stadtrat sein Einverständnis für eine als ,Bürgerdialog’ deklarierte Veranstaltung gibt, die offensichtlich Stimmung gegen Geflüchtete machen soll“, heißt es von den Grünen.
SPD, Grüne und Linke hatten sich in drei Briefen in den letzten zwei Wochen an Schulstadtrat Tobias Dollase (parteilos, für CDU) gewandt, um die Veranstaltung zu verhindern. Ohne Erfolg. Die Schule dürfe nicht für „antidemokratische Propagandazwecke“ missbraucht werden, fordert Deniz Seyhun, Bezirksvorsitzende der Reinickendorfer Linken. „Wir wollen, dass Menschenrechte und Menschenwürde nicht im Fleischwolf des Rechtspopulismus zu Grunde gehen.“
Seit Mai dieses Jahres betreibe die AfD-Fraktion eine Kampagne gegen die Bettina-von-Arnim Oberschule, unterstelle "ohne Angabe von Belegen", dass es dort angeblich massenhaft Kriminalität geben würde und dies auf die Zuwanderung und die Aufnahme geflüchteter Menschen zurückzuführen sei. "Trotz mehrfachen Richtigstellungen in diversen Ausschüssen der Bezirkversordentenversammlung führt die AfD ihre Hetzkampagne fort", so Seyhun.
"Wir halten es für falsch, dass der Schulstadtrat, Herr Dollase und das Bezirksamt Reinickendorf der AfD die Raumnutzung ausgerechnet in der Bettina-von-Arnim Oberschule genehmigt hat", bringt es der Fraktionsvorsitzende Felix Lederle (Linke) auf den Punkt.
Auch die SPD-Fraktion Reinickendorf spricht sich "gegen Propagandaveranstaltung in der Bettina-von-Armin-Oberschule" aus. „Ich bedauere die Schulraumvergabe für diese AfD-Veranstaltung ausdrücklich. (...) Der vorgebrachte Grundsatz, dass bei der Vergabe von Räumen alle Parteien gleichbehandelt werden müssen, zieht im vorliegenden Fall meiner Meinung nach nicht", so der SPD-Fraktionsvorsitzende Marco Käber. Mit der AfD-Behauptung, dass es vor Ort sehr viel Schulgewalt gebe, würde "der Ruf der Schule durch die AfD bewusst zerstört und letztlich auch der Schulfrieden gefährdet". Man erhoffe sich einen friedlichen Protest. „Wir werden den falschen Behauptungen und der Stimmungsmache der AfD argumentativ etwas entgegensetzen“, sagt Käber.
Stadtrat Dollase: Ablehnung nicht möglich
Stadtrat Dollase rechtfertigte seine Entscheidung, der AfD für den Abend des 20. Septembers die Mensa der Schule zu überlassen: Im Bezirk könnten politische Parteien Räume in Schulen für eigene Veranstaltungen nutzen. „Davon haben in den vergangenen Jahren unterschiedliche Parteien Gebrauch gemacht“, sagt er. Das Parteiengesetz sehe Gleichbehandlung vor.
"Ein entsprechender Antrag einer Partei kann folglich nur abgelehnt werden, wenn der Terminwunsch mit der schulischen Nutzung oder einer bereits anderweitigen Raumvergabe kollidiert", so Dollase. Dies sei beim ersten Terminwunsch der AfD der Fall gewesen, so dass deren ersten Antrag abgelehnt wurde. "Dem Gegenargument folgend, dass die Mensa nicht an 365 Tagen im Jahr belegt sein könne, unterbreitete der Schulleiter der AfD freie Alternativtermine. Einen davon hat die AfD für ihre Veranstaltung akzeptiert."
Das Schulamt habe in der Folge zugestimmt, das Facility Management des Bezirksamtes eine Nutzungsvereinbarung erstellt. Da auch nach Aussagen der Polizei keine Sicherheitsbedenken für die Durchführung der Veranstaltung bestünden, sei "eine Ablehnung des Antrages der AfD nach Auffassung des bezirklichen Rechtsamtes nicht möglich.“
Direktor will keine politischen Veranstaltung an Schule
Der Schulleiter ist bestürzt: „Ich bedaure sehr, dass wir wegen dieser Veranstaltung derart in den Fokus rücken. Es tut mir leid um die Schule“, sagt Schulleiter Ralf Heitmann. „Ich bin der Auffassung, dass der Bezirk zukünftig generell politische Veranstaltungen nicht mehr an Schulen stattfinden lassen sollte.“
Die Gesamtelternvertreterin Janine Zeumer wächst derweil die Entwicklung über den Kopf. „Ich weiß gar nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Ich hab Angst, dass Extremisten beider Seiten zum Protest kommen und ich dann dafür haftbar bin“, sagt sie. Sie sei auch bereits von rechts per Mail bedroht worden. Die Polizei berate derweil, wie man sich aufstelle. Man werde präsent sein, hieß es aus deren Pressestelle.
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