Reinickendorf
Kein Gebäude

Montessori-Schule in Heiligensee vor der Auflösung

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Janine Richter
Eltern der Montessori-Schule demonstrierten im Januar vor dem Rathaus

Eltern der Montessori-Schule demonstrierten im Januar vor dem Rathaus

Foto: Janine Richter / BM

Trotz Demo und Unterschriftenliste: Die Montessori-Schule in Heiligensee verliert am 31. Juli ihr Schulgebäude in Heiligensee. Wenn sich kein Investor findet, werden mehr als 200 Kinder berlinweit aufgeteilt.

Reinickendorf.  Der Stichtag rückt bedrohlich nahe. 180 Schulkinder, 25 Kita-Kinder und 50 Mitarbeiter und Lehrer der Montessori-Schule in Heiligensee verlieren am 30. Juli ihr Schulgebäude und ihren Arbeitsplatz am Stolpmünder Weg. Zahlreiche Reinickendorfer Familien sind davon betroffen, da nach Schulangaben 80 Prozent der Schüler und 96 Prozent der Kita-Kinder in Reinickendorf wohnen. Im Ernstfall müssen Schule und Kita schließen und die Kinder berlinweit aufgeteilt werden. Für viele Eltern eine Katastrophe.

Bezirk braucht Räume für Albrecht-Haushofer-Schule

In den vergangenen Tagen fanden weitere Gespräche zwischen dem Bezirksamt, der Geschäftsleitung der Schule und Elternvertretern statt. Sie endetet mit keinen positiven Aussichten. „An dem Bedarf des Bezirks an den Räumlichkeiten im Stolpmünder Weg für die integrierte Sekundarschule der Albrecht-Haushofer-Schule ab dem nächsten Schuljahr 2018/19 hat sich nichts geändert. Wir benötigen die Räume dringend“, sagt der zuständige Schulstadtrat Tobias Dollase (parteilos, für CDU). Man habe zweimal den Mietvertrag mit der Schule verlängert, aber er müsse nun als Schulstadtrat öffentliche Schulplätze garantieren. Jetzt würden an den Stolpmünder Weg fünf neunte und drei zehnte Klassen verlagert – also insgesamt 212 Schüler.

Daran ändert weder die im Januar vor dem Rathaus initiierte Demonstration der Eltern und Kinder etwas noch die am Donnerstag an Tobias Dollase überreichte Petition mit den 3200 Unterschriften. „Wir haben beim Sammeln in den Fußgängerzone viel Unterstützung von Reinickendorfern erfahren“, erzählt Montessori-Elternvertreterin Katrin Volkmann. Das habe Mut gemacht.

Lehrer und Eltern fühlen sich im Stich gelassen

Dennoch ist der Kampf um den Stolpmünder Weg verloren. Wie so viele Kämpfe zuvor. Seit Jahren sucht die Montessori-Schule nach einem festen Schulstandort. Gestartet war sie im Diakonie-Zentrum Heiligensee mit wenigen Kindern. Zum Schuljahr 2016/17 zog die Schule an den Stolpmünder Weg 45. Die vom Senat und Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) versprochenen ehemaligen Gebäude des Collège Voltaire an der Rue Racine 7 konnte zu den Zeitpunkt noch nicht bezogen werden, weil sie bis vor wenigen Monaten als Notunterkunft für Flüchtlinge genutzt werden mussten.

Bim zieht Mievertrag zurück

Dann folgte Ende Oktober 2017 die Hiobsbotschaft. Die landeseigene BIM zog ihr konkretes Erbpachts- und Mietvertragsangebot zurück. Begründung: Das Gelände werde „zur Erfüllung der Aufgaben des Landes Berlin“ gebraucht. Zusätzlich meldete der Bezirk sein Interesse an dem Gebäude an, um es als eigenen Schulstandort zu nutzen. Die Montessori-Schule hatte seit 2013 auf das Grundstück gesetzt und hängt jetzt in der Luft.

Die Schulleiterin der Privatschule, Christiane Ostrin, fühlt sich im Stich gelassen und als Spielball der Politik. „Großmundig“ habe man in Anbetracht der Proteste versprochen, bei der Grundstückssuche zu helfen. „Einige Parteien lassen das Gefühl vermissen, dass sie sich um uns kümmern“, beklagt sie. „Doch: Still ruht der See. Wir hoffen, dies ändert sich noch.“ Auch der Elternvertreter Jochen Iseke spricht von „Lippenbekenntnissen“ seitens des Bezirksamtes, aber keiner konkreten Hilfe.

Kaufvertrag muss in vier Wochen unterschrieben sein

42 Objekte und Flächen habe die Schulleitung als möglichen Standort in der Vergangenheit geprüft. Christiane Ostrin zeigt eine akribisch zusammengetragene Liste. Teilweise seien die Objekte und Grundstücke nicht geeignet gewesen. Zum Teil beanspruchten plötzlich Bezirk oder Senat die freien Flächen.

„Beispielsweise beim Rallenweg 2 wird jetzt eine Modulbau-Kita hingebaut, dabei haben wir immer Interesse an dem 3200 Quadratmeter großen Grundstück bekundet“, sagt Ostrin. „Wir haben doch aber auch Kita-Kinder. Zählen die nicht?“ Ähnlich sei es mit vielen anderen Grundstücken, beispielsweise mit dem Heiligenseer Grundstück um das „Haus Dünenland“. „Da wurde auch vom Stadtentwicklungsamt geprüft und gesagt, es dürfe nicht im anderen Umfang bebaut werden und es sei ein schützenswertes Biosphärenreservat. Und plötzlich hören wir, jetzt soll dort auch eine Kita hin“, beklagt Ostrin.

Investor oder Sponsor müsste finanziell unterstützen

Zwei bis drei Objekte im Bezirk seien noch in Verhandlungen. „Doch die Finanzierbarkeit ist ein Problem“, sagt Ostrin. Als gemeinnützige Einrichtung sei es schwer, eine Finanzierung von weit über fünf Millionen Euro bis zweistellig aufzubringen, weil man das Schulgeld für sozial-schwache Familien nicht erhöhen könne. Aus eigenen Mitteln könnte die Schule nur fünf bis sechs Millionen Euro stemmen. „Wir brauchen einen Investor oder Sponsor mit sozialem Gedanken und wollen Crowdfunding versuchen.“ Doch der Schule läuft die Zeit weg. „Wir müssen in den nächsten vier Wochen den Kaufvertrag unterschreiben“, sagt Ostrin. Container als Notlösung wären da, aber eben keine Fläche.

Die Schulleitung hat nun die Eltern über den Notfallplan informiert. Demnach zieht die Schule aus dem Bezirk weg und teilt die Schüler auf Gebäude in Wilmersdorf oder Prenzlauer Berg auf. Die Eltern seien sehr emotional, viele hätten geweint, sind schockiert und hätten Angst. „Weder das eine noch das andere Gebäude sind barrierefrei. Deswegen können wir Kinder mit besonderem Förderbedarf nicht mitnehmen“, sagt Frau Ostrin. Auch für die Kleinsten sei es keine Option. Nur 120 Kindern hätten derzeit einen Plan B, 80 weitere nicht.

23 Absagen für Kind von Grund- und Förderschulen

Stadtrat Dollase versprach vor den Bezirksverordneten, dass alle Kinder der Montessori-Schule im Bezirk einen Platz zum neuen Schuljahr bekommen. Doch gesichert ist das noch nicht, wie der Fall von Ines Rothkopf-Kreft und ihrer neunjährigen Tochter zeigt. „Ich habe 23 Absagen von den Grund- und Förderschulen des Landes Berlin und Potsdam eingesammelt und habe keinen Plan B“, sagt sie. Seit vier Jahren besucht ihre Tochter, die eine vorgeburtliche Hirnschädigung und den Förderschwerpunkt körperlich-motorische Entwicklung hat, die Montessori-Schule. Sie braucht eine eins-zu-eins-Begleitung. „Ich nehme Herrn Dollase beim Wort, dass auch mein Kind einen Schulplatz bekommt“, sagt sie.

Elternvertreter Jochen Iseke vertraut darauf, dass das Bezirksamt, wie versprochen, „alle weiteren Optionen der Schule vorbehaltlos unterstütze“. Schule und Eltern kämpfen weiter dafür und hoffen auf einen Investor.