Berlin. Die Heinersdorfer Karpfenteiche am Pankeweg sind Angelgewässer, die Entnahme von Fischen also etwas Alltägliches. Dennoch spielen sie für das empfindliche Ökosystem im Norden von Berlin eine bedeutsame Rolle. Unter anderem brüten streng geschützte Eisvögel hier. Zur Erneuerung der Mönche, die den Wasserstand regulieren, hat der Landesverband des Deutschen Anglerverbands (DAV) die Teiche zwischen Pasewalker Straße und A114 jetzt weitgehend leer laufen lassen. Dabei sollen nach Anwohnerinformationen zahlreiche Fische qualvoll verendet sein. Behörden prüfen jetzt, ob es zu tier- und artenschutzrechtlichen Verstößen gekommen ist. Lesen Sie auch: Mysteriöses Fischversterben: So reagiert der Anglerverband
„Es hat nach totem Fisch gestunken“, sagt Anwohner Stephan Fritz. Er habe auf Spaziergängen mit seinem Hund selbst gesehen, wie viele Tiere beim Ablassen des Wassers erstickt seien. Von Anglern, die offenbar zum Jugendzentrum Pankow-Heinersdorf des DAV gehören, hat er nach eigener Aussage erfahren, dass lediglich 30 große Fische umgesetzt worden sein sollen. Mindestens ein großer Teil der dort lebenden Tiere soll hingegen verendet und anschließend abgesammelt worden sein. „Dazu standen auf dem Gelände des Jugendzentrums fünf 240-Liter-Müllbehälter“, sagt Fritz. Fotos von der Absammelaktion und den geschlossenen Müllbehältern liegen der Berliner Morgenpost vor.
Heinersdorfer Karpfenteiche in Pankow sind „bewirtschaftete Anlagen“
Stephan Fritz empört sich aber nicht nur über den Tod zahlreicher Fische, die der Verband aus seinem eigenen Gewässer „ernten“ darf, wie es in der Fachsprache heißt, sondern auch über die Folgen für die wildlebenden Tiere um die Gewässer. „Nester sind trocken gefallen, Tieren wurde die Nahrungsgrundlage entzogen“, sagt Fritz. Er versteht nicht, warum der Verein keine Spundwände gesetzt wurden, um ein Ablaufen der Teiche bei den Arbeiten zu verhindern. Fritz kontaktierte deswegen mehrere Behörden, erstatte Anzeige bei der Polizei.
Inzwischen weiß auch die Berliner Umweltverwaltung Bescheid. Deren Handhabe ist jedoch begrenzt, da es sich um „bewirtschaftete Anlagen der Teichwirtschaft“ nach Paragraf 2 Absatz 2 Landesfischereigesetzes handelt, wie eine Prüfung durch die Behörde ergeben hat. „Der Eigentümer darf die Teiche im Rahmen der Bewirtschaftung ohne fischereirechtliche Einschränkungen ablassen“, erklärt Stadtnaturexperte und Pressereferent Derk Ehlert.
Verstöße gegen Natur- oder Tierschutzrecht möglich
Auch wenn es so fischereirechtlich keine Handhabe gebe, könnten Verstöße aus naturschutz- und/oder tierschutzrechtlicher Sicht vorliegen. So könnte etwa das gezielte Ablassen der Gewässer Regelungen das Bundesnaturschutzgesetzes missachten, so Ehlert.
Im konkreten Fall zuständig ist das Bezirksamt Pankow. Dort sind nach eigenen Angaben in den vergangenen Tagen zahlreiche Anfragen zu den Heinersdorfer Karpfenteichen eingegangen. Nach Informationen des Bezirks wurden aus dem mittleren und nördlich gelegenen Teich des DAV das Wasser „zum Zweck der Sanierung von Überlaufbauwerken“ abgelassen. Dabei wurden tote Fische gesichtet und der Behörde gemeldet.
Pankow prüft, ob streng geschützte Eisvögel gestört wurden
Der Bezirk Pankow bestätigt, dass die Anlagen „nicht der Aufsicht durch die Wasserbehörden unterliegen.“ Die Angler seien demnach berechtigt, das Wasser zumindest zu Sanierungszwecken abzulassen. Dabei sei bei einem Ortstermin „nach derzeitigem Kenntnisstand kein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz festgestellt“ worden, so die Behörde.
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Anders sieht es jedoch in Sachen Naturschutz aus. Mit den zuständigen Ämtern hätten die Angler im Vorfeld abklären müssen, ob artenschutzrechtliche Bedenken bestehen, so der Bezirk Pankow. Im Umfeld der Fischteiche befänden sich zwei Eisvogel-Brutpaare, die mehrmals im Jahr bis in den September brüten. „Durch den Entzug der Nahrungsgrundlage ist mit erheblichen Störungen für die Vögel zu rechnen“, heißt es. Deswegen werde jetzt geprüft, ob durch das Ablassen des Wassers die Aufzucht von Nachwuchs gestört oder verhindert wurde.
Auf der Website des DAV Landesverbandes Berlin ist indes nur davon die Rede, dass alle noch für das Jahr in dem Jugendzentrum geplanten Veranstaltungen abgesagt sind. „Der See ist leer und es schwimmen keine Fische mehr drin“, heißt es dort lapidar. Eine Anfrage der Berliner Morgenpost an den Bezirksverband blieb unterdessen unbeantwortet. Lichtblick für die Natur könnte nur sein, dass Arbeiter einer Baufirma unterdessen mit der Errichtung neuer Mönche an dem mittleren Teich begonnen haben.