Die Alte Mälzerei in Berlin-Pankow verfiel nach der Wende zur Ruine, dann entstanden Luxus-Wohnungen. Alles zum ehemaligen Lost Place.
Anfang des 20. Jahrhunderts war die Schultheiss-Brauerei die größte Lagerbierbrauerei der Welt und ihr Bedarf an Malz riesig. Der wurde seit den 1870er-Jahren größtenteils durch ihre Pankower Fabrik an der Mühlenstraße gedeckt – zum Leidwesen mancher Anwohner, denn der süßlich-schwere Malzgeruch legte sich an windlosen Tagen über das ganze Quartier. Nach der Wende fielen die alten Werksgebäude, deren Schlote und Türmchen an eine Kathedrale erinnern, in einem jahrzehntelangen Dornröschenschlaf und wurden zu Industrieruine mitten in Berlin. Alle Infos zu dem Lost Place.
Das sind die Fakten zur Alten Mälzerei in Pankow im Überblick:
- Adresse: Mühlenstraße 9–11, 13187 Berlin-Pankow
- Geschichte: Errichtung der Alten Mälzerei 1874 nach Plänen des Architekten Friedrich Arthur Rohmer; die Malzproduktion endete 1945; bis Mitte der 1970er-Jahre als Warenlager genutzt; Leerstand nach der Wende
- Führungen: keine
- Denkmalschutz: Objekt-Nr. 09085274
- Status: ehemaliger Lost Place. Zwischen 2008 und 2011 denkmalgerechte Sanierungen und Umbau zu Wohnimmobilien
Wo liegt die Alten Mälzerei in Pankow genau?

Die Mälzerei liegt an der Adresse Mühlenstraße 9–11 im Stadtteil Pankow des gleichnamigen Bezirks. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ist das Objekt am besten mit den Buslinien 250 und M27 (Haltestelle Görschstraße) zu erreichen. Von der Haltestelle ist es ein rund vierminütiger Fußweg entlang der Flora- und Mühlenstraße bis zu dem Grundstück. Alternativ kann der S- und U-Bahnhof Pankow (S2, S8, S85, U2) genutzt werden, von dem man etwa acht Minuten benötigt.
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Das sind die wichtigsten Etappen der Geschichte der Alten Mälzerei:
Ausgangslage: "Was trinken wir? Schultheiss-Bier"
Im Berliner Stadtteil Pankow ragen einige markante Schornsteine in den Himmel, bei denen es sich strenggenommen um Essen, also Entlüftungsschächte handelt. Sie gehören zur Alten Mälzerei, die 1874 im Auftrag der Berliner Schultheiss-Brauerei errichtet worden war. Die bisherigen Betriebsstätten am Märkischen Ufer hatten für die stetig steigende Nachfrage nach Schultheiss-Bier im Berlin der Gründerzeit nicht mehr ausgereicht. Der Neubau an der Mühlenstraße sollte Abhilfe schaffen.
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Alte Mälzerei: Startschuss für die Industrialisierung Pankows

Der Unternehmer Richard Roesicke (1845–1903), der die Schultheiss-Brauerei von seinem Vater geerbt hatte, war zu seiner Zeit einer der wichtigsten Personen im Berliner Braugewerbe und gleichzeitig ein bekannter Sozialpolitiker im Reichstag. Seine Vorstellungen sozialdemokratischer Politik setzte er auch in seinem Unternehmen um. Auf dem 38.000 Quadratmeter großen Gelände in Pankow ließ er neben der Mälzerei auch ein Arbeitererholungsheim und eine Gärtnerei errichten.
Den Bauauftrag erhielt der Berliner Architekt und Brauereispezialist Friedrich Arthur Rohmer (1830–1898). Auf dem Unternehmensgelände in Pankow befanden sich bereits mehrere Schultheiss-Lagerkeller und ein Ausschanklokal. In Rekordzeit ließ Rohmer 1874 daneben ein Tennengebäude, eine Doppeldarre, ein Kesselhaus mit Kontor und ein Weichhaus zum Einweichen der Braugerste hochziehen. Die Mälzerei konnte den Betrieb aufnehmen.
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Alte Mälzerei: Die Fabrik wird erweitert und modernisiert

Doch bereits wenige Jahre später waren die Kapazitäten erneut erschöpft und mussten erweitert werden: Die Tenne wurde vergrößert, das Weichhaus abgebrochen. 1898 wurde die bestehende Doppeldarre durch ein neues Gebäude erweitert, die bestehenden Produktionsprozesse modernisiert und eine moderne, pneumatische Mälzerei eingerichtet, bei der eine maschinelle Luftzufuhr die Keimung des Getreides beschleunigte. Im Südosten des Firmengeländes wurde eine dritte Darre zum Trocknen und Rösten des Malzes gebaut.
In den Wintermonaten standen die Kessel unter Dampf: In der Mälzerei wurde die Gerste zunächst befeuchtet und aufgeweicht, dann in Keimanlagen zum Reifen gebracht und schließlich als Grünmalz beim Darren in hohen Türmen auf Rosten mithilfe von heißer Luft getrocknet. Bis 1945 erzeugte die Fabrik pro Jahr 150.000 Zentner geröstetes Malz für die Bierherstellung. Die Arbeit war saisonal: Erst nach der Ernte wurde die Gerste mittels Pferdefuhrwerken angeliefert und das Werk begann mit der Produktion.
Alte Mälzerei: Warenlager in der DDR-Zeit
In der NS-Zeit – genauer nach Beginn des Zweiten Weltkriegs – wurden die Pferdeställe und andere Nebengebäude auf dem Firmengelände zur Unterbringung von "Ostarbeitern" genutzt, bei denen es sich zumeist um Kriegsgefangene und russischer Zivilarbeiter handelte, die unter unmenschlichen Bedingungen in Berliner Rüstungsfirmen Zwangsarbeit verrichteten. Die Produktionsgebäude der Alten Mälzerei blieben im Krieg zwar weitgehend unbeschädigt, aber die Malzproduktion endete 1945 in Pankow.
In den folgenden Jahrzehnten diente der Gebäudekomplex an der Mühlenstraße bis Mitte der 1970er-Jahre als Warenlager für die Handelsorganisation (HO) der DDR. Der Staatsbetrieb erwirtschaftete in den 1960-Jahren rund 35 Prozent des Einzelhandelsumsatzes der DDR und betrieb unter seinem Dach unter anderem die Delikat- und Exquisit-Läden, aber auch Hotels und Gaststätten. In der Mälzerei wurden vom DDR-Kombinat "Großhandel Sortimentsbetrieb Nahrung" Waren des täglichen Bedarfs zwischengelagert. 1977 wurde die Mälzerei unter Denkmalschutz gestellt.
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Alte Mälzerei: Lost Place nach der Wende
1990 wurde der Dortmunder Getränkekonzern "Brau und Brunnen AG" Eigentümer des Geländes. Seitdem standen die alten Werksgebäude an der Mühlenstraße leer und verfielen zusehends. Das Betreten war zeitweise lebensgefährlich: Das Dach war teilweise eingestürzt und eindringendes Regenwasser zerstörte einzelne Gebäudeteile.
Die Gebäudefassaden waren mit Graffiti besprüht, Fenster waren eingeschlagen, Rost fraß sich durch die Stahlträger und im Inneren türmten sich Überbleibsel zurückgelassener Industrieanlagen zu Schrottbergen auf. Mit den Jahren verkam die Alte Mälzerei zu einer Ruine, deren verfallene Klinkergebäude mit ihrem rauen Charme einen gewissen Reiz auf Abenteuerlustige und Jäger von verlassenen Orten ausübte. In den Werkshallen wurden heimlich Partys gefeiert, Romantiker konnten durchs eingefallene Dach die Sterne betrachten.
Alte Mälzerei: Sanierung in den 2000er-Jahren

Bis in die 2000er-Jahre gab es viele Pläne für die alte Industrieanlage: Investoren wollten die Mälzerei zu einem Multiplexkino umbauen, ein Kulturhaus war angedacht und eine Bibliothek – doch letztlich scheiterten alle Nachnutzungskonzepte. Zu schwierig schien der Umbau des Areals unter den Denkmalschutzauflagen, bis das Schultheiss-Gelände 2007 – nach 17 Jahren Leerstand – durch die Nürnberger Firma Terraplan gekauft wurde. Ab 2008 wurden die geklinkerten Fabrikanlagen denkmalgerecht saniert und zu exklusiven Wohngebäuden umgestaltet. Der Projektentwickler Eric Roßnagel erhielt 2012 für sein denkmalpflegerisches Engagement die Ferdinand-von-Quast-Medaille.
Das Luxus-Sanierungsprojekt zog nach seiner Fertigstellung ein begütertes Klientel an. Wer sonst in Berlin kann von sich behaupten, in der "Sunny-Side-Suite" an den "Hesperidenhöfe" zu nächtigen oder von der "Piazza Suite" den Blick auf die "Pomonagärten" zu genießen. Auf dem Dach der Tiefgarage wurde eine Piazza mit einem kleinen Amphitheater angelegt, das für Kulturveranstaltungen wie die beliebten "Mälzereikonzerte" genutzt wird. Das langgestreckte Nebengebäude östlich der "Minervasuiten" wurde zu einer Orangerie für die Bewohner umfunktioniert.
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