Berlin. Der Güterbahnhof Schönholz kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. Heute ist er ein Lost Place im Norden Berlins. Alle Infos.
Lange Zeit lag der Güterbahnhof Schönholz unmittelbar an der Sektorengrenze zwischen Ost- und Westberlin – und war damit einer der "Hotspots" des Kalten Krieges. 1961 wurde hier Grenzsperranlagen der ersten Generation der Berliner Mauer hochgezogen – und bald darauf erfolgreich untertunnelt. Auch nach der vorübergehenden Stilllegung des Personenverkehrs 1984 wurde der Güterverkehr in Schönholz aufrechterhalten. Alle Infos zu dem heutigen Lost Place an der Bezirksgrenze zu Pankow.
Das sind die Fakten zum Güterbahnhof Schönholz im Überblick:
- Adresse: Güterbahnhof Schönholz, Schützenstraße Ecke Buddestraße, 13156 Berlin-Reinickendorf an der Bezirksgrenze zu Pankow
- Geschichte: 1877 als Bahnhof Reinickendorf eröffnet; 1893 Ausbau zum Umsteigebahnhof (Kremmener Bahn); 1901 bis 1903 Anschluss von Ferngleispaaren und Errichtung des Güterschuppens; nach Kriegsende durch die sowjetische Militärbesatzung als Umschlagebahnhof genutzt; Teilstillegung mit dem Mauerbau 1961; Stilllegung mit dem Abzug der Franzosen Mitte der 1990er-Jahre
- Führungen: Keine
- Status: Lost Place
- Denkmalnummer: Objekt-Nr. 09012239
- Planung: Die Bahn plant, in den nächsten Jahren auf dem Gelände eine Zugbehandlungsanlage für Fernverkehrszüge zu errichten. Die Zukunft der denkmalgeschützten Gebäude ist noch unklar
Wo liegt der ehemalige Güterbahnhof Schönholz genau?
Das Areal des ehemaligen Güterbahnhofs liegt östlich des Bahnsteigs des S-Bahnhofs Schönholz auf einem heute bewaldeten Rechteck entlang der Straße Am Bürgerpark (ehemals Bahnhofsstraße). Im Südosten wird das Gelände vom Verlauf der Panke begrenzt. Am Standort des heutigen Kinderbauernhofs Pinke-Panke befand sich die alte Pumpstation. Auf dieser Höhe zweigten die Gleise zum Verladebahnhof Richtung Norden ab.
Die historische Einfahrt zum alten Güter- und Verladebahnhof Schönholz befindet sich in der Schützenstraße Ecke Buddestraße. Im Vorbeifahren mit der S-Bahn kann man den markanten denkmalgeschützten Güterschuppen des ehemaligen Güterbahnhofs nordöstlich der S-Bahngleise sehen und – mit etwas Glück – noch die ein oder andere Gebäuderuine auf dem verwilderten Bahngrundstück dahinter. Das 1934 erbaute Brademann-Stellwerk (Snt) am Nordrand des S-Bahnhofs Schönholz und das ältere Cornelius-Stellwerk (Snl) am Südrand sind ebenfalls denkmalgeschützt.
weitere Videos
Das sind die wichtigsten Etappen der Geschichte des Güterbahnhofes Schönholz:
Ausgangslage: Industrialisierung im Norden Berlins
Der Güterbahnhof Schönholz wurde an der Ostseite der Nordbahngleise auf damaligem Nieder-Schönhauser und Reinickendorfer Gemeindegebiet um die Jahrhundertwende angelegt, als sich die Industrie in der nahegelegenen Provinzstraße und an der Flottenstraße zu entwickeln begann und ein Bahnanschluss notwendig machte. Personenverkehr gab es bereits ab 1877 auf dem damals noch Reinickendorf, später Schönholz-Reinickendorf, genannten Bahnhof und 1893 war die Station für Güterverkehr freigegeben worden.
- Wie das Hexenhaus von Pankow diesem Protzbau weichen musste
- In Pankow baute sich Berlin eine Kathedrale der Elektrizität
- Pankows edelstes Sanatorium wurde zur Spuk-Villa
- Wann lüftet China das Rätsel um die riesige Pankow-Brache?
- Bier-Imperium zerfiel – Areal wird nun Architektur-Spektakel
Güterbahnhof Schönholz: Umgestaltung der Station um die Jahrhundertwende
Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der Nordbahn wurde die Bahnanlage neu konzipiert: Von 1901 bis 1903 wurde der Bahndamm höher gelegt. Nördlich der Station realisierte man eine niveaufreie Ausfädelung für die Kremmener Bahn und legte den Güterbahnhof östlich der Gleise an. Durch den Umbau entstand ein Gütergleis neben zwei Vorortgleisen und zwei Fernzuggleisen. Der neue Güterbahnhof hatte eine zentrale Bedeutung für die Reinickendorfer Industriebahnstrecken, da alle Güterzüge im Norden den Bahnhof passieren mussten.
1902 wurde der Güterschuppen zentral an den umfangreichen Lade- und Abstellgleisen errichtet: Ein Ziegelbau mit Betriebsräumen und eine Holzfachwerkhalle mit anschließenden Laderampen. Nördlich davon waren weitere Rangiergleise eingeplant, die später realisiert wurden. 1906 waren die Erweiterungsarbeiten abgeschlossen. Und die nächste große Innovation war die Elektrifizierung 1925, wodurch Schönholz-Reinickendorf zum S-Bahnhof wurde.
Güterbahnhof Schönholz: Wichtiger Umschlagplatz während des Zweiten Weltkriegs
Seinen heutigen Namen Berlin-Schönholz erhielte der Bahnhof 1938. Während des Krieges in den 1940er-Jahren herrschte Hochbetrieb auf dem Güterbahnhof: Kohle, Baumaterial und Rüstungsgüter wurden eilig be- und entladen. Zum Teil von Zwangsarbeitern, die im naheliegenden "Luna-Lager" in der Schönholzer Heide einquartiert waren und unter unmenschlichen Bedingungen Schwerstarbeit verrichten mussten.
1945 kam mit den schweren Luftangriffen auf Berlin der Bahnbetrieb an der Station erstmals zum Erliegen. Nach Kriegsende übernahmen die Siegermächte den Bahnhof, der in den folgenden Jahren vor allem von der sowjetischen Militäradministration als Verladebahnhof für Maschinenparks und demontierte Industrieanlagen diente, die nach Russland transportiert werden sollten. Ein ganz besonderer Güterkunde war die Monopolverwaltung für Branntwein in der Provinzstraße. Über einen eigenen Gleisanschluss wurden hier Alkoholika in grünen Kesselwagen rangiert.
- In dieser Geheim-Anlage in Pankow übte die Stasi das Morden
- Diese Berliner Schule verrottete bei laufendem Betrieb
- Wo die DDR Milliarden verschob und tonnenweise Gold bunkerte
- Parkplatz der DDR-Motorradeskorte barg brisante Papiere
- Wasserturm: Wohnungen gab's hier einst zum Spottpreis
Güterbahnhof Schönholz: Grenzsperren an der Sektorengrenze

Der beginnende Kalte Krieg hinterließ auch am Bahnhof Schönholz seine Spuren: Um den Bahnhof herum – im Norden an der Provinzstraße, Schützen- und Grabbestraße, im Osten und Süden an der Straße Am Bürgerpark – Provinzstraße verlief die Sektorengrenze zwischen Ost- und Westberlin. Mit dem 13. August 1961 wurde sie durch die ersten Grenzbauten der Berliner Mauer fest zementiert.
Eine spektakuläre Flucht gelang hier im Dezember 1961. Als der Mauerbau das frischvermählte Ehepaar Niebank trennte, nutzte die Ostberlinerin Waltraud Niebank Ende 1961 die Gelegenheit zur Flucht. Ihr Westberliner Ehemann Lothar hatte einen etwa 30 Meter langen und ein Meter hohen Fluchttunnel vom Güterbahnhof unter der Straße hindurch gegraben. Der Einstieg befand sich versteckt hinter einem Grabstein auf dem Pankower Friedhof am Bürgerpark. Auch anderen gelang 1961 die Flucht durch den Tunnel, bevor die Grenzposten ihn entdeckten und den nächsten beiden Flüchtenden eine Falle stellten.
Güterbahnhof Schönholz: Betrieb in der DDR-Zeit durch die Deutsche Reichsbahn

Der untere Teil des Güterbahnhofs mit Rangiergleisen und Ladestraßen in nur wenigen Metern Abstand zur Vorderlandmauer wurde nach dem Mauerbau praktisch aufgegeben und die Tätigkeit am Güterbahnhof auf die näherliegenden Gleise an der S-Bahntrasse konzentriert. Betrieben wurde der Güter- und Personenbahnhof wie alle Westberliner S-Bahnhöfe bis 1984 durch Mitarbeiter der Deutschen Reichsbahn. An Feiertagen fuhren die Züge mit DDR-Flagge.

Noch 1961 riefen Gewerkschafter und Studenten in Westberlin sowie der Regierende Bürgermeister Willy Brandt zum S-Bahnboykott auf. In den nachfolgenden Jahren litt die Station wie alle Westberliner Stationen an dem durch den S-Bahnboykott verursachten Fahrgastschwund. Der Güterverkehr rollte aber weiter an dem wichtigen Verkehrsknotenpunkt. Nicht nur der regelmäßig verkehrende "Franzosenzug" von und nach Tegel, der letzte verbliebene Militärzug der Alliierten sorgte bis zuletzt für Verkehr, auch die Bedienung verschiedenster Gleisanschlüsse für die Industrien im Norden Berlins schuf einen regen Rangierverkehr.
- Dieses Schloss wurde zur Rettung für viele Todgeweihte
- DDR-Ruine: Diese Villa birgt ein gut behütetes Geheimnis
- Wie dieser Prachtbau in Berlin-Pankow gerettet wurde
- Was wird aus Pankows Geisterklinik an der Fröbelstraße?
- Hier verfällt ein Glanzstück der DDR-Moderne zur Ruine
Güterbahnhof Schönholz: Die Bahngebäude werden zu Lost Places

Mit der Übertragung der Betriebsrechte des S-Bahnhofs an die BVG 1984 und der abnehmenden Bedeutung der Industriebahnen für die Versorgung Berlins begann der langsame Niedergang für den Güterbahnhof Schönholz, dessen unteren Betriebsteile bereits in den 1960er-Jahren aufgelassen worden waren. Spätestens nach dem Abzug der Franzosen 1994 wurde der altehrwürdige Güterschuppen an der Verladestraße des Bahnhofs Schönholz funktionslos und verfiel in den kommenden Jahrzehnten zu einem Lost Place.
Damit teilte das Bauwerk das Schicksal, das die unteren Bahngebäude wie beispielsweise das Wiege- und Zahlhäuschen für Lastkutschwagen und die kleine Unterkunft für Stellwerkschlosser schon zuvor ereilte. Mehrere Klinkergebäude verfielen auf dem Gelände bereits zu Ruinen und die alten Prellböcke an den stillgelegten Rangiergleisen verwitterten. An ihren morschen Brettern rankt sich heute Wildwuchs empor.
Güterbahnhof Schönholz: Der denkmalgeschützte Schuppen verfällt

Die Ladestraße, die zum Güterschuppen führt, ist noch historisch gepflastert. Der Gütterschuppen selbst wurde – nach einigen Bränden – versiegelt. Im Nordosten des Gebäudes befand sich die Verladeseite: Zunächst für den Betrieb mit Kutschen ausgelegt wurde sie später für Lastkraftwagen umgerüstet. An den eigentlichen Güterschuppen, bei dem es sich um eine Holzfachwerkhalle mit roten Ziegelausfachungen handelte, schloss sich an der Kopfseite ein geziegeltes Verwaltungsgebäude mit Betriebsräumen an.
In der Halle befinden sich heute noch Originaleinbauten wie der verschließbare Gütergepäckkäfig und zwei große Güter- und Gepäckwaagen mit dazugehörigen Anzeigespiegeln. Hinter dem Eingang des Verwaltungsgebäudes befanden sich Schreibstuben und der Personalbereich für die Bahnmitarbeiter. Zum Güterschuppentrakt hin lag ein Raum mit Zahlschaltern.
- Ehemalige Botschaft Iraks in Pankow: Verbotene Blicke ins Terror-Nest
- Wie beim BER: Sporthalle in Pankow wird zum Neubaufiasko
- In dieses Irrenhaus wurden Hitlers Leichenreste gebracht
- Stadtbad Oderberger: Fatale Panne zerstörte das Juwel beinah
- Geheimnisvolle Brauerei-Relikte faszinieren Ruinen-Fans
Güterbahnhof Schönholz: Verschlossener Tresor im Zahlschalterraum

Heute befindet sich das Bahngebäude in einem desolaten Zustand: Das Innere der Halle ist stark in Mitleidenschaft gezogen. Auf dem Boden stapelt sich Müll und verrottende Holzeinbauten. Das Dach ist teilweise eingestürzt, die Innen- wie Außenwänden sind großflächig überdeckt von Graffiti und der Rost frisst sich durch die letzten Eisenträger. Trotz des starken Verfalls hütet das alte Gebäude aber noch ein ungelüftetes Geheimnis.
Im hinteren Teil in einer Ecke des Zahlschalter-Raumes befinden sich zwei Tresorfächer, die schnell übersehen werden können. Die übereinanderliegenden Panzertüren mit Tresorschloss sind verwittert, aber noch fest verschlossen. Die Schlüssel fehlen. Was sich in den dahinterliegenden Fächern verbirgt, bleibt im Ungewissen – bis die Panzertüren möglicherweise eines Tages geöffnet werden.
Güterbahnhof Schönholz: Wie sieht die Zukunft aus?

Die Deutsche Bahn plant bis 2026 auf dem ehemaligen Güterbahnhof Schönholz eine Abstellanlage für bis zu acht ICE/IC-Züge und dazugehörige Dienstgebäude zu erbauen.
Mit dem Bau des ICE-Boxenstopps Berlin-Schönholz soll auch der weitere Verfall auf dem Gelände gestoppt werden. Wie die Zukunft der denkmalgeschützten Gebäude auf dem Bahngrundstück aussieht, liegt in den Sternen – beziehungsweise den Händen der Mitarbeiter der Planungsbüros der Deutschen Bahn.

- Überblick: Alle Artikel zu Lost Places in Berlin
- Interaktiv: Karte zeigt alle Lost Places in Pankow
- Experte: Dieser Mann erklärt den Kult um Lost Places
- Besuch: Für diese Lost Places gibt es Führungen in Pankow
- Tipps: Lost Places: Pankow schönste verlorene Orte
- Hausfriedensbruch: Lost Places besuchen – Diese Strafen drohen
- Umwandlung: In diesen früheren Lost Places in Pankow kann man wohnen