Lost Place

Horror-Kaserne von Pankow: Ein letzter Gewaltakt der DDR

| Lesedauer: 6 Minuten
Die Kaserne in Blankenburg sollte im Ernstfall als  Internierungslager für "verdächtige Subjekte" im Hoheitsbereich der DDR dienen. Mit den Protesten Ende 1989 (im Bild Demonstration in Leipzig im Dezember 1989) wurde das Areal als "Isolierungsstützpunkt" hergerichtet. Alle Infos zu dem Lost Place.

Die Kaserne in Blankenburg sollte im Ernstfall als Internierungslager für "verdächtige Subjekte" im Hoheitsbereich der DDR dienen. Mit den Protesten Ende 1989 (im Bild Demonstration in Leipzig im Dezember 1989) wurde das Areal als "Isolierungsstützpunkt" hergerichtet. Alle Infos zu dem Lost Place.

Foto: Friedrich Gahlbeck / Bundesarchiv

In dem Kasernenbau am Mörderberg wurden DDR-Bürger misshandelt. Alle Infos zu dem ehemaligen Lost Place in Berlin-Pankow.

Berlin. Im Norden Berlins am Rand der Rieselfelder im Pankower Ortsteil Blankenburg ließ die DDR einen riesigen Komplex an Kasernen errichten. Hier war unter anderem eine Einheit der Volkspolizei untergebracht und eine Waffenwerkstatt des Ministeriums des Inneren. Im Krisenfall hätte die Anlage seit den 1980er-Jahren der unmittelbaren "Gefahrenabwehr" gedient – mit verhängnisvollen Folgen für Oppositionelle. Zwischenzeitlich zählte die Kaserne zu den vielen Lost Places in Berlin. Hier erfahren Sie alle Infos zur Geschichte der Kaserne der Volkspolizei in Pankow:

Das sind die Fakten zur Kaserne der Volkspolizei in Pankow im Überblick:

  • Adresse: Blankenburger Pflasterweg 101, 13129 Berlin-Blankenburg
  • Geschichte: Errichtung als Volkspolizei-Kaserne in der DDR-Zeit – vermutlich Ende der 1970er- oder Anfang der 1980er-Jahre. Internierungslager in der Vorwendezeit. Leerstand seit 2009
  • Führungen: Keine
  • Status: Ehemaliger Lost Place. 2018 wurde die Kaserne abgerissen
  • Planung: Auf dem Gelände soll das Wohnquartier Blankenburger Süden entstehen

Wo liegt die Kaserne der Volkspolizei in Pankow genau?

Die Kaserne lag am Blankenburger Pflasterweg 101 im Ortsteil Blankenburg im Bezirk Pankow. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ist der Ort am besten mit der Buslinie 154 erreichbar (Haltestelle Mörderberg), der vom S-Bahnhof Blankenburg (S2, S8 und Regionalbahnen) fährt. Die Gebäude auf dem Gelände wurden aber 2018 abgerissen, um Platz für das geplante Wohnquartier Blankenburger Süden zu schaffen.

Das sind die wichtigsten Etappen der Geschichte der Kaserne der Volkspolizei in Pankow:

Am Mörderberg: Die Volkspolizei bezieht ihre Kaserne in Pankow

Das Areal am Blankenburger Pflasterweg beherbergte mehrere Objekte: Zum einen ein Wohnheim für Studenten der gegenüberliegenden Ingenieursschule, die damals auch "Bauernuniversität" genannt wurde und nach der Wende als Standort der Fachhochschule für Wirtschaft und Technik (FHTW) genutzt wurde. Zum anderen, baulich vom Studentenheim abgegrenzt, ein weiträumiger Kasernenteil, der von der Volkspolizei und anderen Staatsorganen genutzt wurde.

Die Kaserne war durch einen Sichtschutz aus Wellblech zur Straße hin verborgen. Hinter den Gebäuden befanden sich Garagen mit Platz für mindestens 50 Mannschaftswagen. Hier stationiert war die 10. Volkspolizei-Kompagnie der Versorgungsdienste des Ministeriums des Inneren "Rudolf Tittelbach".

Mehr als nur eine Volkspolizei-Kaserne: Waffenwerkstatt und Co.

Die kasernierten Einheiten bestanden seit 1962 aus Wehrdienst leistenden militärischen Truppenteilen. Ihr Zweck: Die Formationen konnten geschlossen eingesetzt werden, wenn die Kräfte der Schutz-, Kriminal- und Verkehrspolizei nicht mehr ausreichten. Im Krisenfall wären sie den Verbänden der NVA unterstellt worden.

Neben der Kompanie waren in den Kasernengebäuden eine zentrale Waffenwerkstatt des Innenministeriums und ein Versorgungslager des Präsidiums der Volkspolizei Berlin untergebracht sowie Einheiten der Zentrale Kräfte Schutzpolizei. Die Sicherung des Objekts soll durch Wachen der Volkspolizei-Bereitschaft Basdorf erfolgt sein.

Vorsorge für die Staatskrise: Die DDR-Kaserne als Massen-Internierungslager

Das Kasernengelände am Blankenburger Pflasterweg diente seit Anfang der 1980-Jahre zudem als geplantes Internierungslager im Krisenfall. Hier sollten außerhalb der Berliner Innenstadt im Fall der Fälle "verdächtige Subjekte im Hoheitsbereich der DDR" festgesetzt werden können. Kurz vor dem Mauerfall wurden die Pläne konkretisiert: Die Geheime Kommandosache F/1 267 592 mit dem amtstrockenen Titel "Plan der Überführung in den Verteidigungszustand – Bezirk Berlin" wurde im April 1989 vom Vorsitzenden der Bezirkseinsatzleitung in Berlin, Guenter Schabowski, abgezeichnet.

Als Maßnahme 44 wurde die "Herstellung der Aufnahmebereitschaft des Internierungslagers, Wohnheim Blankenburg" aufgeführt. Gemeint waren Masseninternierungen. Sollten die Kapazitäten der Sammelstellen in der Innenstadt nicht mehr ausreichen, war der Plan, Oppositionelle kurzerhand in der Kaserne in Blankenburg einzusperren, um die Staatskrise abzuwenden.

Oktober 1989: Ein letzter Gewaltakt der DDR am Pflasterweg

Im Oktober 1989 war die DDR-Staatskrise kaum noch zu verbergen: Vierzig Jahre nach seiner Gründung war der "Arbeiter- und Bauernstaat" politisch, wirtschaftlich und moralisch am Ende. Seine Bürger forderten demokratische Rechte und Freiheit. Dennoch sollte der Staatsakt zum 40. Jahrestag um jeden Preis gesichert werden.

Die Kaserne in Blankenburg war zur Sicherstellung der Feierlichkeiten zu einem Isolierungsstützpunkt hochgerüstet worden. Demonstranten wurden aus der Innenstadt nach Blankenburg verschleppt, wo sie von bewaffneten Einheiten mit Schäferhunden in die Keller der Plattenbauten getrieben wurden. Die Inhaftierten mussten in Blankenburg und anderen Hafteinrichtungen Misshandlungen und Erniedrigungen in kaum vorstellbaren Ausmaß ertragen: So gab es Berichte von Todesdrohungen, erzwungener Nacktheit und körperlichen Misshandlungen. Hunderte wurde verletzt und mehr als 1000 Menschen inhaftiert. Birger Dölling hat in seinem Buch "Strafvollzug zwischen Wende und Wiedervereinigung" (Links Verlag, Berlin 2009) die konkreten Umstände der Inhaftierungen beschrieben.

Es waren nicht zuletzt auch die Erlebnisberichte über das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte in jenen Oktobertagen, die das Fass in DDR zum Überlaufen brachten. Sie sorgten in der Bevölkerung für eine Welle der Solidarität mit den Opfern und besiegelten den Willen zum Umbruch.

Lost Place nach der Wende: Der Kasernenkomplex verfiel

Youtube Kaserne der Volkspolizei in Berlin-Blankenburg

Nach der Wende wurde die Kaserne zunächst von der Polizei weitergenutzt und der hintere Teil des Geländes bis 1997/1998 als Wohnheim des Studentenwerkes betrieben. Seit 2009 stand der Plattenbaukomplex am Blankenburger Pflasterweg leer und versank in einen Zustand der Verwahrlosung: eingeworfene Scheiben, verrottendes Baumaterial, mutwillige Zerstörungen. An den Wänden überlagerten sich Graffiti und dazu: Asbestbelastung im gesamten Baukomplex. Die ehemalige Kaserne wurde zu einem verwilderten Lost Place am Stadtrand von Berlin. Ein Anziehungspunkt für Abenteuerlustige auf der Jagd nach Ruinenkulissen.

Und die Zukunft? Wohnen und spielen auf dem Areal der ehemaligen Kaserne

Die ehemalige Kaserne der Volkspolizei in Blankenburg konnte bis 2018 als Ruinenkulisse besichtigt werden. Dann kam der Planierhammer: Die Gebäude wurden zugunsten des geplanten Quartiers Blankenburger Süden abgerissen. Sie standen an der nördlichen Grenze der Kernfläche B des geplanten Kiezes. Mit dem Stadtquartier sollen im Norden Berlins bis zu 6000 neue Wohnungen, Schulen und Kitas entstehen. Die ersten Wohnungen sollen 2030 bezugsfertig sein.