Lost Places

Wie ein vergessenes Stück Berliner Mauer fast zerstört wurde

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Ein letzter Rest eines Stücks Hinterlandmauer in Pankow soll Teil eines neuen Erinnerungsort werden – der größere Teil ging bei Bauarbeiten verloren. Alle Infos zu dem Lost Place.

Ein letzter Rest eines Stücks Hinterlandmauer in Pankow soll Teil eines neuen Erinnerungsort werden – der größere Teil ging bei Bauarbeiten verloren. Alle Infos zu dem Lost Place.

Foto: Thomas Schubert / BM

Wegen eines Missverständnisses fiel ein Stück der Berliner Mauer fast einem Bauprojekt zum Opfer. Alle Infos zu dem Lost Place.

Berlin. Eines der größten noch erhaltenen Teilstücke der Berliner Mauer ist im Frühjahr 2020 zum Teil abgerissen worden. Die DDR-Grenzschutzbefestigung an der Dolomitenstraße wurde nach dem Fall der Mauer einfach vergessen – und dämmerte als einer der vielen Lost Places jahrzehntelang vor sich hin. Bis Bauarbeiten auf dem Grundstück 2020 einen Teil beschädigten – und die verbliebenen Mauerteile wieder zum Vorschein brachten. Was soll mit ihnen geschehen? Erfahren Sie hier alle wichtigen Informationen zu dem Lost Place in Pankow:

Das sind die Fakten zum Mauerstück an der Dolomitenstraße im Überblick:

  • Adresse: Maximilianstraße/Dolomitenstraße 49, 13187 Berlin-Pankow
  • Geschichte: Errichtung um 1965 als Teil der Grenzschutzbefestigungen der Berliner Mauer
  • Führungen: Nein
  • Status: Aktueller Lost Place
  • Planung: Die Mauerreste könnten als Denkmal eine Station des nahegelegenen Radschnellwegs Panke-Trail werden

Wo liegt das Mauerstück an der Dolomitenstraße genau?

Das denkmalgeschützte Mauerteilstück befindet sich nördlich des Wohngebäudes Dolomitenstraße 49 und südöstlich der Bahngleise an der Bahngleisunterführung Maximilianstraße auf einer Anböschung. Das Baudenkmal ist mit den öffentlichen Verkehrsmitteln am besten mit den Buslinien 250 (Haltestelle Dolomitenstraße) zu erreichen. Vom S und U-Bahnhof Pankow (S2, S8, S85 und U2) und dem U-Bahnhof Vinetastraße (U2) benötigt man fußläufig jeweils etwa 10 Minuten.

Das sind die wichtigsten Etappen der Geschichte des Mauerstücks an der Dolomitenstraße:

Ausgangslage: Bau als Sicherung des sensiblen Grenzübergangs

Seit 1961 war West-Berlin durch die Berliner Mauer vom Ostteil der Stadt getrennt. Mit der Grenzanlage plante die DDR-Führung die Abwanderung – die umgangssprachliche "Abstimmung mit den Füßen" – durch Abriegelung zu beenden. Viele Grenzgebiete waren in den frühen 1960er-Jahren aber noch unzureichend gesichert. In den folgenden Jahren wurden nicht nur die Grenzabschnitte immer weiter ausgebaut, sondern auch sensible Bereiche im "Hinterland" abgesichert. Einer dieser Orte: das Nasse Dreieck im "Dreiländereck" zwischen den Stadtteilen Wedding, Prenzlauer Berg und Pankow.

Lost Places in Pankow
Lost Places in Pankow

Mauerstück an der Dolomitenstraße: Errichtung um 1965

Das Grenzgelände zwischen den Bahnlinien nach Norden und Nordosten galt als besonders sensibel für unerlaubte Grenzübertritte. Deswegen wurde ab 1965 auf Ost-Berliner Seite parallel zur Bahntrasse eine Mauer als Hinterlandsicherung errichtet, die während der Berliner Teilung eine Flucht von DDR-Bürgern über den Bahndamm der S-Bahnstrecke nach Reinickendorf verhindern sollte. Der Abschnitt befand sich etwa 500 Meter von der eigentlichen Hauptsperrmauer entfernt.

Die Betonplattenwand grenzte den Bahndamm von den anliegenden Wohnquartieren ab. Die Mauer aus gleichförmigen, rohen Betonwände ohne oberen Abschluss entsprach dem Bauprinzip der Grenzanlagen der "dritten Generation". Sie verlief hinter einem Garagenkomplex, der für die Bewohner der 1955 gegründeten Arbeiterwohngenossenschaft Neues Deutschland errichtet worden war. In die grenznahen Wohnhäuser sollten in erster Linie staatstreue Bürgerinnen und Bürger ziehen, die zusätzlichen Schutz der Grenzanlagen versprachen.

Mauerstück an der Dolomitenstraße: DDR-Relikt nach der Wiedervereinigung

Der 60 Meter lange Abschnitt der Hinterlandmauer an der Dolomitenststraße geriet nach dem Mauerfall 1989 schnell in Vergessenheit und wurde zu einem unbeachteten Lost Place. Nur wenige Meter von der vielbefahrenen S-Bahn-Trasse entfernt, wucherten die Betonplatten langsam zu und entzogen sich im Gestrüpp dem Blick von Anwohnern und Spaziergängern. Von Interesse war die Betonwand anscheinend nur noch für Graffiti-Künstler, die sich auf dem DDR-Relikt verewigten. Nach Jahrzehnten des Verfalls war die Plattenwand durch dichten Bewuchs schließlich kaum noch zu sehen.

Mauerstück an der Dolomitenstraße: Fast-Zerstörung durch Bauarbeiten 2020

Ein Großteil des Mauerstücks fiel 2020 schließlich der Abrissbirne zum Opfer: Weder das Bezirksamt Pankow noch die Genossenschaft EWG, die auf dem Baugrundstück an der Dolomitenstraße ein neues Zuhause für rund 40 Mietparteien plante, wusste um den historischen Wert des Mauerstücks. Und so kam es, dass die Wand im Zuge der Baumaßnahmen versehentlich zum Abbruch freigeben war – ganz getreu dem Motto: "Tear down this wall!"

Erst im letzten Moment stellte das Landesdenkmalamt den Fund unter Schutz und ließ die Bauarbeiten stoppen: Von dem mehr als 60 Meter lange Abschnitt ließen sich nur noch zwölf Meter bewahren. Den Großteil hatten die Bagger bereits zerdrückt. Nach der Rettung stellte sich die Frage: Was soll mit dem DDR-Relikt geschehen?

Gibt es Zukunftspläne für die Mauerreste?

Die fünf erhaltenen Mauersegmente stehen unter Denkmalschutz und sollen saniert und zu einem Gedenkort umgestaltet werden. Die Mauerreste könnten als Denkmalstation in den nahegelegenen Radschnellweg Panke-Trail einbezogen werden. Diese bis zu 30 Kilometer lange Trasse zwischen Karow und dem Mauerpark soll bis 2030 fertiggestellt werden. Unterdessen geht die Suche nach weiteren möglichen Mauerresten im früheren Pankower Grenzgebiet weiter. Man will verhindern, dass es zu weiteren Missverständnissen und Abrissen kommt.