Lost Places

Wie es um den vergessenen Schatz der BVG in Pankow steht

| Lesedauer: 6 Minuten
Für neue Trams unbrauchbar, aber zu schade für den Abriss: Der Straßenbahnbetriebshof Pankow-Niederschönhausen eröffnete 1901 und wurde mehrfach erweitert.

Für neue Trams unbrauchbar, aber zu schade für den Abriss: Der Straßenbahnbetriebshof Pankow-Niederschönhausen eröffnete 1901 und wurde mehrfach erweitert.

Foto: Thomas Schubert / BM

Für die BVG unbrauchbar, zu schade für den Abriss: Seit mehr als 20 Jahren dämmert der Betriebshof Niederschönhausen vor sich hin.

Berlin. Seit mehr als 20 Jahren liegt der BVG-Straßenbahnbetriebshof Niederschönhausen an der Dietzgenstraße 100 in Pankow brach. Der Linienbetrieb wurde zur Jahrtausendwende eingestellt und auch die historischen Straßenbahnen, die bis 2015 in den denkmalgeschützten Hallen untergebracht waren, befinden sich heute an anderem Ort. Hier erfahren Sie alle wichtigen Informationen zu dem Lost Place in Berlin.

Das sind die Fakten zum Betriebshof Niederschönhausen im Überblick:

  • Adresse: Dietzgenstraße 100, 13158 Berlin-Niederschönhausen
  • Geschichte: Errichtung 1900 bis 1901 von Joseph Fischer-Dick als Hof 3 der Groß-Berliner Straßenbahn; Anbauten 1924 von Jean Krämer. Seit 1999 außer Betrieb
  • Führungen: Unregelmäßig werden beispielsweise am Tag des offenen Denkmals Führungen auf dem Gelände angeboten
  • Status: Aktueller Lost Place. Teilnutzung durch die BVG. 2021 ließ die BVG das Verwaltungsgebäude einhausen

Wo liegt der Betriebshof Niederschönhausen genau?

Der Betriebshof Niederschönhausen liegt an der Dietzgenstraße 100 an der Kreuzung zur Schillerstraße im Ortsteil Niederschönhausen im Bezirk Pankow. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist er mit der Buslinie 124 (Haltestelle Nordend) oder der Tram M1 zu erreichen, die ebenfalls die Haltestelle Nordend anfährt.

Das sind die wichtigsten Etappen der Geschichte des Betriebshofes Niederschönhausen:

Ausgangslage: Elektrifizierung des Berliner Streckennetzes Ende des 19. Jahrhunderts

Bereits seit 1892 bestand eine Pferdebahnlinie vom Berliner Rathaus bis zum heutigen Ossietzkyplatz in der damals eigenständigen Landgemeinde Niederschönhausen. Zwischen 1896 und 1902 wurde das Berliner Streckennetz elektrifiziert. Zur Unterbringung der neuen Fahrzeuge reichten die bisherigen Depots der Pferdebahn nicht aus, so dass acht neue Betriebshöfe explizit für den elektrischen Betrieb errichtet wurden. Einer von ihnen: der Betriebshof in Niederschönhausen, mit dem zugleich das Streckennetz im Norden erweitert werden sollte.

Lost Places in Pankow
Lost Places in Pankow

Betriebshof Niederschönhausen: Eröffnung in der Kaiserzeit

Als Bahnhof III der Großen Berliner Straßenbahn wurde der Betriebshof an der Kaiser-Wilhelm-Straße Dietzgen-/Ecke Schillerstraße für den elektrischen Betrieb 1901 eröffnet. Er bot Platz für bis zu 190 Trieb- und Beiwagen und gilt heute als Musterexemplar eines Berliner Straßenbahnhofes.

Wichtig für den elektrischen Betrieb waren große Wagenhallen mit Revisionsgruben zur Wartung der Unterböden und große Gleisanlagen zum Rangieren der Straßenbahnzüge – daneben: Werkräume für Schlosser, Verwaltungsgebäude mit Dienstwohnungen sowie Aufenthalts- und Lehrräume.

Betriebshof Niederschönhausen: Ausbau nach dem Ersten Weltkrieg

1924 wurde nach Entwürfen von Jean Krämer ein südlicher Anbau verwirklicht: Neben der Erweiterung der Wagenhalle gehörte eine Montagehalle, Schmiede, Lager und Umkleideräume zu den Anbauten. Um ein einheitliches Aussehen zu erreichen, wurde der ursprüngliche Ziergiebel über der Wagenhalle abgetragen und die Mauer an der Hoffront durch einen eisernen Zaun ersetzt. In unmittelbarer Nachbarschaft des Betriebsgeländes entstanden in den 1920er-Jahren an der Schillerstraße Wohnsiedlungen für Betriebsangehörige.

Betriebshof Niederschönhausen: Wichtiger Knotenpunkt im Berliner Norden

Im Zweiten Weltkrieg wurden die Wagenhalle und das zweistöckige Verwaltungsgebäude durch Bombentreffer schwer beschädigt. Die Instandsetzungsarbeiten dauerten bis in die 1950er-Jahre. Nach Beseitigung der Kriegsschäden war der Betriebshof bis 1999 für die Linien im Berliner Norden zuständig – vornehmlich für die Straßenbahnlinien nach Rosenthal, Niederschönhausen und Buchholz.

Nördlich des Verwaltungsbaus wurde in der DDR-Zeit ein Kulturhaus für die Mitarbeiter eingerichtet, in dem auch öffentliche Filmvorführungen stattfanden. Außerdem wurde ein Kinderwochenheim in der näheren Umgebung des Hofes unterhalten. In den 1990er-Jahren wurde der Betrieb in Niederschönhausen eingestellt. Die Anlage des Hofes war zu klein geworden, um die neuen Straßenbahnen zu rangieren. In den Folgejahren diente er bis 2015 vorwiegend zur Unterbringung von historischen Straßenbahnen der BVG. Das Gelände wurde Anfang der 1990er-Jahre unter Denkmalschutz gestellt.

Betriebshof Niederschönhausen: Ungewisse Zukunft seit der Schließung 1999

Einen Abriss verhinderte der Denkmalschutz – eine Neu-Nutzung scheiterte an zu schmalen Tordurchfahrten für die breiten Trams von heute: Der Straßenbahnbetriebshof Niederschönhausen in Pankow dämmert seit der Schließung 1999 einer ungewissen Zukunft entgegen. Mittlerweile sind die Hallen mit den Gleisen 1 bis 19 wegen drohender Einsturzgefahr des Daches gesperrt. 2018 stellte die BVG erfolglos einen Abrissantrag für einige der denkmalgeschützten Gebäude auf dem Areal.

Das größte Sorgenkind auf dem einstigen Betriebshof ist das Verwaltungsgebäude, dessen Decke nach jahrelangem Verfall einzustürzen drohte. Mitte 2021 ließ die BVG das Verwaltungsgebäude einhausen, um es vor weiteren Witterungsschäden zu schützen. Der Werkstrakt sowie das weitere Gelände werden von BVG-Einrichtungen dagegen weiterhin genutzt.

Betriebshof Niederschönhausen: Gibt es Zukunftspläne?

Obwohl sich verschiedene Initiativen eine Zwischennutzung des alten Straßenbahnbetriebshofs Niederschönhausen für Märkte und Feste oder die Nutzung des Vorhofs als Freizeitfläche wünschen, erteilt die BVG solchen Hoffnungen einen Dämpfer. Alle baulichen Veränderungen müssten über die Technische Aufsichtsbehörde zugelassen werden, was laut BVG eine kurzfristige, temporäre Nutzung ausschließe.

Für Flächen am Rande der sogenannten Nordend-Friedhöfe lässt der Bezirk außerdem mit Hilfe mehrerer Planungsbüros ein Wohnquartier zu beiden Seiten der Bundesstraße 96a untersuchen. Die BVG betrachtet den Betriebshof Niederschönhausen weiterhin als betriebsnotwendig – und das wird sich vermutlich mindestens bis zum Bau des Quartiers Blankenburger Süden für das in Heinersdorf ein neues Werk für bis zu 90 Straßenbahnen erbaut werden soll, nicht ändern.