Berlin. Kaum mehr als ein Acker mit Spuren von schwerem Gerät: Wo noch vor wenigen Tagen dichte Büsche und eine Vielzahl von Bäumen geschützten Arten wie Kuckuck, Sumpfrohrsänger und Neuntöter Unterschlupf boten, fällt der Blick in Arkenberge jetzt fast ungehindert auf Berlins höchsten (Deponie-) Berg. Nach einer Begehung prüft das Bezirksamt Pankow, ob durch die ungenehmigte Zerstörung des Lebensraums für Tiere und Pflanzen ein Straftatbestand erfüllt wurde. Wir zeigen mit Vorher-Nachher-Bildern, wie „gründlich“ der Kahlschlag ausgefallen ist.
„Auf einer Fläche von 500 mal 100 Metern wurde zu schätzungsweise 75 Prozent der Vegetation durch Abschieben flächig entfernt“, sagt Bezirksstadträtin Manuela Anders-Granitzki (CDU) nach dem Vor-Ort-Termin. Nur wenige Bäume seien stehengelassen worden, dabei jedoch etwa durch die Entfernung von Seitentrieben erheblich verändert worden. Außerdem wurden heimische Sträucher wie Hartriegel und Hundsrose entfernt, genau so, wie auch nicht-heimische Arten wie der Eschenblättrige Ahorn.
Arkenberge: Kahlschlag nimmt streng geschützten Vögeln die Lebensgrundlage
Betroffen von dem Kahlschlag seien sämtliche 2015 dort verzeichneten Vogelarten mit Ausnahme der Bachstelze. Anders-Granitzki nennt hier Kuckuck, Baumpieper, Sumpfrohrsänger, Grauschnäpper, Neuntöter. „Alle Arten sind besonders geschützt und einige bereits in die Rote Liste Berlins aufgenommen worden oder stehen auf der Vorwarnliste Deutschlands. Der Neuntöter ist eine streng geschützte Art gemäß Anhang 1 der EU Vogelschutzrichtlinie“, so die für Ordnung und öffentlichen Raum zuständige Stadträtin aus Pankow.
„Mein Pankow“:Newsletter informiert kostenlos aus dem Bezirk
Zwar liege die betroffene Fläche in Arkenberge außerhalb des nahen Landschaftsschutzgebietes, es gelte jedoch eine naturschutzrechtliche Eingriffsregelung. „Eingriffe müssen genehmigt und ausgeglichen werden“, sagt Manuela Anders-Granitzki. Diese Erlaubnis liege ausdrücklich nicht vor, weswegen am vergangenen Mittwoch um 13 Uhr ein Baustopp ausgesprochen und weitere Eingriffe untersagt wurden.
Dabei ist auch klar, wer die Arbeiten beauftragt hat. „Die Firma Heim ist als Flächeneigentümer verantwortlich“, so die Stadträtin. Dabei habe das Unternehmen beim Ortstermin von „landschaftspflegerischen Maßnahmen“ mit dem Ziel der Anlage eines Trockenrasens gesprochen. „Das konnt vor Ort nicht nachvollzogen werden“, sagt Anders-Granitzki.
Fällungen in der Nähe von Berlins höchster Erhebung könnten Straftatbestand erfüllen
Die Ulmer Heim-Gruppe, die in Berlin noch einen Recyclinghof in Marzahn betreibt, hat demnach nicht versucht, die Eingriffe genehmigen zu lassen. Wie berichtet, plant das Unternehmen um den knapp 122 Meter hohen Deponieberg ein Freizeit- und Naherholungsgebiet. Kritiker aus Verwaltung und Politik hatten das Konzept jedoch als unverträglich für die Natur eingestuft, was das Projekt jahrelang ins Stocken brachte. Vergangenen Herbst zeigte sich die Firma kompromissbereit und engagierte schließlich Ex-Bausenator Peter Strieder (SPD), um ein naturnäheres Konzept vorzustellen.
Was daraus geworden ist und wie dies mit den jüngst vorgenommenen Arbeiten zusammenpasst, kommentierte die Heim-Gruppe bis Dienstagnachmittag nicht. Das Bezirksamt Pankow hält sich mit neuen Details bislang ebenfalls zurück. Umwelt- und Naturschutzamt und Stadtentwicklungsamt stimmen sich darüber gerade intern ab, heißt es von der Stadträtin.
Mehr aus Pankow, Weißensee und Prenzlauer Berg lesen Sie hier:
- Nach Leichenfund: Diese Dramen spielen sich am Weißen See ab
- Plattenbauten aufstocken: Was die Schwächen des Plans sind
- Nach Drohung gegen Jarasch: Was Politiker in Berlin erleben
Klarer ist jedoch die Einschätzung der nicht genehmigten Eingriffe: Dabei handele es sich um Ordnungswidrigkeiten, bezüglich der Brut- und Lebensstätten streng geschützter Vogelarten werde sogar ein möglicher Straftatbestand geprüft. Ob der Investor, der in den vergangenen Jahren extra umliegende Grundstücke für sein Vorhaben gekauft hat und der Bezirk Pankow, der in dieser Zeit ein grünes Leitbild für das Areal entwickelt hat, so noch zusammenfinden, bleibt derweil abzuwarten.
Unterdessen zeigen sich auch Anwohner in Arkenberge entsetzt von den radikalen Eingriffen in die Natur. „Es grummelt hier seit Jahren“, sagt etwa Tim Autzen. Ihm und anderen Anliegern seien schon mehrfach Arbeiten aufgefallen, die ihrer Ansicht nach über die bloße Landschaftspflege hinausgehen. Die Arkenberger haben entsprechende Arbeiten dokumentiert und wollen sich jetzt absprechen, wie sie mit dem neuerlichen Eingriff in das Grün vor ihrer Haustür umgehen wollen.