Berlin. Viele Generationen Filmbegeisterter in Prenzlauer Berg erlebten große cineastische Momente in den Spielsälen des Kino Colosseum an der Schönhauser Allee – bis Immobilienspekulationen und die Corona-Pandemie auch dieses traditionsreiche Kino in Berlin in die Knie zwang. Hier erfahren Sie alle wichtigen Informationen zum Kino Colosseum und wie es zum jüngsten Lost Place in Prenzlauer Berg wurde:
Die Fakten zum Kino Colosseum im Überblick:
- Adresse: Schönhauser Allee 123, 10437 Berlin-Prenzlauer Berg
- Geschichte: 1892 als Wagenhalle errichtet; zwischen 1924 und 2020 als Kino genutzt
- Status: Aktueller Lost Place. Neue Nutzungskonzepte sind in Planung
- Führungen: Der kommerzielle Anbieter von Lost-Places-Touren "go2know" bietet Fototouren im stillgelegten Kino Colosseum an
- Planung: Nutzungskonzepte ehemaliger Mitarbeiter stehen mit Investorenplänen im Widerstreit. 2022 fand sich ein Projektentwickler als Käufer, der die Kultureinrichtung wiederbeleben will.
Wo liegt das Kino Colosseum genau?
An der Ecke Gleimstraße und Schönhauser Allee 123 in Prenzlauer Berg. Das Kino ist fußläufig von der S- und U-Bahnstation Schönhauser Allee (Ringbahn S41 und S42, S8, S85 sowie U2) zu erreichen. Auch die Tramlinie M1 und der Bus N2 (jeweils Haltestelle S+U Schönhauser Allee) halten etwa 100 Meter vom Kino entfernt.
Das ist die Geschichte des Colosseums in Prenzlauer Berg
Pferdestall, Lazarett, Operettentheater: Das Colosseum in Prenzlauer Berg hat eine bewegte Vergangenheit. Das sind die wichtigsten Etappen:
Colosseum in Prenzlauer Berg: Errichtung in der Kaiserzeit als Wagenhalle
Das Gebäude an der Schönhauser Allee Ecke Gleimstraße wurde in den 1890er-Jahren von der "Großen Berliner Pferde-Eisenbahn AG" als Wagenhalle mit Schmiede errichtet. Auf dem Hof befanden sich Stallungen für mehr als 360 Pferde, die für Pferdebahnwagen und eine Pferde-betriebene Eisenbahn in Berlin eingesetzt wurden.
Überreste der Vergangenheit als Wagenhalle und Pferdestall haben sich im Inneren des denkmalgeschützten Gebäudes erhalten: So wurde im Foyer die alte Backsteinfassade des Pferdedepots sichtbar gelassen und Details erhalten wie die eisernen Wandringe, die für das Anbinden der Pferde wichtig waren. Bereits 1898 wurde der Betriebsbahnhof für den elektrischen Betrieb der Straßenbahn umgebaut.
Kino Colosseum: Erste Premiere als Lichtspieltheater im Jahr 1924
Nach Ende des Ersten Weltkriegs und einer vorübergehenden Nutzung durch das Bezirksamt Prenzlauer Berg wurde das Gebäude ab 1923 durch die Architekten Fritz Wilms und Max Bischoff umgebaut und öffnete am 12. September 1924 erstmals als Lichtspieltheater mit rund 1200 Plätzen. Die Stummfilmpremieren und Varietéveranstaltungen wurden von einem bis zu 30-köpfigen Orchester unter Leitung Will Kretschmers begleitet.
1929 passte der Architekten Erich Teschemacher das Kino für die Tivoli GmbH an die Erfordernisse der modernen Zeit an: Das generalüberholte Kino lockte jetzt mit sachlicher Fassade, Elementen der Lichtarchitektur und – eine Neuheit seit 1929 – Tonfilmen seine Gäste an. Außerdem erhielt das zweigeschossige Gebäude an der belebten Schönhauser Allee seinen auffälligen Leuchtschriftzug Colosseum. Im Jahr 1930 übernahm die UFA (Universum-Film-AG) das Filmtheater.

Kino Colosseum: Behelfslazarett am Ende des Zweiten Weltkriegs
Inflation und Massenarbeitslosigkeit hatten sich in der Zeit der Weimarer Republik auch auf die Verkaufserlöse des mitten im Arbeiterkiez Prenzlauer Berg liegenden Kinos niedergeschlagen. Von 1930 bis 1932 befand sich das Arbeitsamt Nordost auf dem Gelände, vor dem sich Schlangen bildeten.
Zwischen 1932 und 1934 besetzte die Ortsgruppenleitung der NSDAP die Räumlichkeiten an der Schönhauser Allee. Auf dem Gelände wurde ab 1933 außerdem ein städtisches Kindertagesheim untergebracht, der Spielbetrieb im Kino aber nicht ausgesetzt, bis die Spielstätte in den letzten Kriegstagen 1945 kurzzeitig als provisorisches Kriegslazarett herhalten musste.
- Überblick: Alle Artikel zu Lost Places in Berlin
- Interaktiv: Karte zeigt alle Lost Places in Pankow
- Experte: Dieser Mann erklärt den Kult um Lost Places
- Besuch: Für diese Lost Places gibt es Führungen in Pankow
- Tipps: Lost Places: Pankow schönste verlorene Orte
- Hausfriedensbruch: Lost Places besuchen – Diese Strafen drohen
- Umwandlung: In diesen früheren Lost Places in Pankow kann man wohnen
Kino Colosseum: Seit 1957 DEFA-Premierenkino der DDR
Das Gebäude des Colosseums überstand den Zweiten Weltkrieg ohne größere Schäden und diente der 1. Funktionärskonferenz der KPD in Prenzlauer Berg als Tagungsstätte. Im Hungerwinter 1947/48 wurde das Haus, das in der Nachkriegszeit durch das Metropol-Theater genutzt wurde, als Wärmehalle verwendet.
Nach der Zwischennutzung nach Kriegsende zwischen 1945 und 1955 durch das Metropol-Theater, dessen Standort in der Behrenstraße im Krieg zerstört worden war, fand durch die Architekten Adalbert Lemke und Friedrich Wildner in den 1950er-Jahren eine weitere Modernisierung und der Umbau zum DEFA-Uraufführungstheater statt. Zur Wiedereröffnung 1957 wurde die Premiere des Totalvision-Films "Mazurka der Liebe" gezeigt. Nach der Eröffnung der Kinos International und Kosmos wurde das Colosseum in den 1970er-Jahren zur Nebenspielstätte, blieb aber für Kinderfilme Premierenkino.
Kino Colosseum: Nach der Wende beliebtes Multiplex-Kino in Prenzlauer Berg
Nach dem Fall der Mauer 1989 wurde das staatliche Kino durch die Treuhandanstalt privatisiert: Der Berliner Filmproduzent Artur Brauner erwarb das Grundstück, die Sputnik-Gruppe wurde neuer Pächter des Kinos, das zwischen 1996 und 1997 um neun Säle zum Multiplex "Cinemaxx Colosseum" mit insgesamt 2800 Plätze in zehn Kinosälen erweitert wurde. Uraufführungen, Hollywood-Blockbuster und Genreperlen bestimmten in der Folgezeit den Spielplan des Berlinale-Kinos. 2006 übernahm Sammy Brauner, der Sohn von Artur Brauner, die Geschäftsführung des Kinos und beauftragte das Kinounternehmen UCI mit dem operativen Geschäft.
Kino Colosseum: 2020 gingen die Lichter in den Kinosälen aus
Das Kino Colosseum in Prenzlauer Berg gilt als Opfer der Corona-Krise. Doch der Eigentümer beantragte schon vorher den Bau von Büros auf dem Gelände, worauf die engagierten Mitarbeiter des Kinos aufmerksam machten, die einen Verein zur Rettung des Colosseums gründeten und eine Genossenschaft, um das Kino wieder zum Leben zu erwecken. Viele Kulturschaffende und Anwohner im Kiez sprachen sich für den Erhalt des Colosseums als Kino und Kulturstandort aus, unter anderem Jürgen Vogel:
und Milan Peschel:
Der Linken-Abgeordnete und frühere Pankower Kulturstadtrat Michail Nelken schrieb: "Das Traditionskino stirbt nicht an Corona – sondern an Profitgier." Und der Bürgerverein Gleimviertel sprach von einem "handfesten Immobilienskandal". Doch es half nichts.
Im März 2020 schloss das Kino Colosseum seine Pforten. Die zuletzt unbezahlten Mitarbeiter wurden abfindungslos entlassen und im Mai 2020 meldete die Artur-Brauner-Erbengemeinschaft als Eigentümer die Insolvenz des Kinos an. Seitdem stehen die Projektoren im altehrwürdigen Kino bis auf wenige Ausnahmen still. Der kommerzielle Anbieter von Ausflügen an vergessene Orte "go2know" bietet Fototouren in Prenzlauer Bergs jüngstem Lost Place an.
Auch interessant: Das sind die schönsten Lost Places in Prenzlauer Berg
Kino Colosseum: Gibt es Zukunftspläne?
2022 erwarb der Hamburger Projektentwickler Values Real Estate die Immobilie. Für das ehemalige Kino ist nach einer Umbauphase ab 2023 ein Mischkonzept geplant – mit Büroflächen, gewerblicher Nutzung, kulturellen Veranstaltungen und Kinobetrieb, zumindest im historischen Saal 1.