Villa vor Schönholz

Pankows Leichenvilla: Die morbide Chronik eines Lost Place

| Lesedauer: 8 Minuten
Sambia lässt seit 1999 die „Villa vor Schönholz“ in Berlin-Pankow verfallen. Der Prachtbau zieht Wohnungslose und Ruinentouristen an.

Sambia lässt seit 1999 die „Villa vor Schönholz“ in Berlin-Pankow verfallen. Der Prachtbau zieht Wohnungslose und Ruinentouristen an.

Foto: Thomas Schubert / Berliner Morgenpost

Leichendepot, Stasi-Quartier, Spekulationsobjekt: Die Villa vor Schönholz hat eine bewegte Geschichte. Ihre Zukunft: unklar. Die Infos.

Berlin. Ausflugslokal, Wohnresidenz, Polizeiwache, Altersheim: Die verfallene Villa an der Straße vor Schönholz 23 in Pankow blickt auf eine bewegte Geschichte mit vielen traurigen Kapiteln zurück. Einst als stolze Residenz in der Gründerzeit der 1880er-Jahre errichtet, sollte sie zuletzt ab Ende der 1990er-Jahre der Republik Sambia als Botschaftsgebäude dienen. Dazu kam es jedoch nie. Das Anwesen und der umgebende Park sind dem Verfall überlassen, die Villa gehört zu den vielen auch überregional bekannten "Lost Places" in Berlin. Regelmäßig halten sich darin Personen illegal auf und beschädigen die "Sambia-Villa".

Die Fakten zur Villa vor Schönholz:

  • Adresse: Straße vor Schönholz 23, 13158 Berlin-Niederschönhausen.
  • Geschichte: In den 1880er-Jahren errichtet. 1999 von Sambia als geplante Botschaft erworben.
  • Status: Aktueller Lost Place. Das Gebäude ist mittlerweile stark vom Verfall bedroht und unzureichend gesichert, sodass es immer wieder zu Vandalismus und Brandstiftung kommt.
  • Führungen: Keine. Das Betreten des Geländes ist nicht erlaubt.
  • Planung: 2023 scheiterte ein Denkmalantrag für die Villa. Ihre Zukunft ist ungewiss.

Wo liegt die Villa vor Schönholz?

Die Villa liegt im Stadtteil Niederschönhausen im Bezirk Pankow zwischen der S-Bahnstation Schönholz und der Schönholzer Heide an der Adresse Straße vor Schönholz 23. Das ist die genaue Lage:

Das sind die wichtigsten Etappen in der der Geschichte der Villa vor Schönholz:

Villa vor Schönholz: Herrenhaus und Ausflugslokal in der Kaiserzeit

An der südwestlichen Flanke der Schönholzer Heide wurde in den 1880er-Jahren die prächtige Villa vor Schönholz errichtet. Die Gründerzeitvilla mit eigenem Park, Säulenportal und Dienstbotentrakt war das Anwesen von Dr. Ernst Langheinrich (1826–1898), dem Generaldirektor der Preußischen Versicherungsgesellschaft "Friedrich Wilhelm". Nach dessen Tod öffneten Gaststätten in der Villa: Max Rudolphs Restaurant "Borussia Park", das Restaurant "Tivoli" von Gastwirt Eduard Schaller und ab 1914 das Restaurant Eggert. Sie profitierten von der immer beliebter werdenden Ausflugslage von Schönholz vor den Toren der Stadt.

Villa vor Schönholz: Polizeirevier und Altersheim bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs

1920 wurde Schönholz in Berlin eingemeindet und kam als Teil von Niederschönhausen zum Bezirk Pankow. Zwei Jahre zuvor war der Ingenieur und Unternehmer Heinrich Bollenbach Eigentümer der Villa geworden. Die Villa wurde als Mehrfamilienhaus vermietet, verschiedene Mieter gaben sich die Klinke in die Hand. Zwischen 1927 und 1934 wurde ein Teil des Anwesens von einer Polizeibehörde genutzt, dem Polizeirevier 291. Ab 1934 wurde die Villa in das Altersheim "Bergpredigt" unter der Aufsicht von Oberin Schabel umfunktioniert. Mit dem Tod ihres Mannes erbte die Witwe Bollenbach die Immobilie 1938 und vermietete sie an die Altersheimbetreiberin Martha Richter, die das Anwesen bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs als Heim- und Pflegeanstalt unterhielt.

Lost Places in Pankow
Lost Places in Pankow

Villa vor Schönholz: In der DDR wird das Anwesen beschlagnahmt

Nach 1945 wurde die immer noch repräsentable Villa vor Schönholz von den Sowjets beschlagnahmt, die Eigentümerin Bollenbach 1949 enteignet. Der Villenbau war als Polizeirevier 283 und Meldestelle genutzt worden – hier meldete sich Otto Grotewohl, der erste DDR-Ministerpräsident an, als er nach Pankow zog –, dann kurze Zeit gewerblich in den 1950er-Jahren, bevor es bis 1978 als Städtisches Alters- und Pflegeheim Schönholz und bis 1985 als Feierabendheimverwaltung Pankow diente. Nach persönlicher Erinnerung von Zeitzeugen gab es in der Villa vorübergehend auch einen Musterungsstützpunkt der Nationalen Volksarmee NVA. In der Vorwendezeit war das Gebäude zwischen 1985 und 1990 Anlaufstelle der paramilitärischen "Gesellschaft für Sport und Technik" in Pankow.

Düstere Episode als DDR-Leichenvilla

Mit dem Mauerbau 1961 grenzte das Grundstück unmittelbar an die Hinterlandmauer im Osten und lag damit im Sperrgebiet. Im Verlauf des Ausbaus des Todesstreifens war ein Friedhof nördlich des Bürgerparks im Weg, über den die Vorlandmauer verlaufen sollte. Kurzerhand gruben die Bautruppen Leichen aus den Gräbern aus und lagerte sie in den weiträumigen Kellerräumen der Villa. Als sich Anwohner nach zwei Wochen über den bestialischen Verwesungsgeruch beschwerten, sollen die Leichen über Nacht wieder verschwunden und die Gebeine gerüchteweise in der Schönholzer Heide verscharrt worden sein.

Villa vor Schönholz: Brandstiftung zur Verschleierung von Stasi-Machenschaften?

Nach der Wende wurde das Gebäude zwischen 1990 und 1992 als Gewerbeamt des Bezirksamtes Pankow genutzt, bis ein Großbrand 1992 den Dachstuhl und weite Teile des Gebäudes erfasste. Die ausgebrannte Ruine moderte einige Jahre vor sich hin und stand bis 1998 ohne Dach an der Straße vor Schönholz. Laut Nachforschungen des Lokalhistorikers Christian Bormann, veröffentlich auf seinem Blog "Pankower Chronik", befanden sich in der Villa nicht nur Gewerbeunterlagen, sondern auch brisante Stasi-Dossiers, die in der Villa vor dem Brand verteilt worden waren. Es liegt nahe, dass sie mit dem Haus hätten abbrennen sollen. Verantwortliche für eine Brandstiftung wurden aber nie ermittelt. Stattdessen beließ man den Tatort, wie er war, und vermauerte das Erdgeschoss.

Villa vor Schönholz: Planung als Sambische Botschaft

1999 erwarb die Republik Sambia die Liegenschaft, um sie als Botschaft auszubauen. Zu Beginn der 2000er-Jahre wurde die Villa mit beträchtlichem finanziellen Aufwand – mehr als eine Million DM sollen in die Instandsetzung geflossen sein – saniert, nachdem bereits Ende der 1990er-Jahre der Dachstuhl erneuert worden war. In enger Kooperation mit den damaligen Auftraggebern wurden Repräsentations- und Privaträume des Botschafters geplant. Von den geplanten Umbauten zeugt noch ein halb überwuchertes und mit Graffiti verziertes Bauschild an der Ecke Straße vor Schönholz und Provinzstraße.

Kurz vor der Fertigstellung kam es zu einem Botschafterwechsel und der neue Gesandte entschied sich für einen Dienstsitz in Mitte. Mit fatalen Folgen für die Villa: Seit 1999 ist das Gebäude dem Verfall ausgesetzt. Nur notdürftig wurden Fenster und Türen im Erdgeschoss gesichert, um illegales Eindringen zu stoppen.

Ruine seit 1999: Warum verfällt die Sambia-Villa bis heute?

Nach Morgenpost-Informationen soll der seit 1999 andauernde Verfall der Villa vor Schönholz mit Machenschaften einiger sambischen Akteure zusammenhängen, die aus dem wertvollen Immobiliengrundstück Gewinn zu schlagen versuchen. Dem steht das offizielle Ziel der Republik entgegen, die Immobilie doch noch zu Botschaftszwecken zu nutzen. So wie es 1999 geplant war.

Während die sambischen Interessengruppen im Hintergrund um das Schicksal der Villa ringen, ist das Haus dem Verfall preisgegeben: Messingtürklinken wurden gestohlen, Kupferdiebe machten sich an den Heizungsrohren zu schaffen, die Räumlichkeiten dienten als Nachtlager für bis zu 20 Obdachlose. Und wohl auch als Abenteuerspielplatz für Halbstarke, denen die schaurige Atmosphäre als "Lost Place" gefällt. Aktuelle Fotos aus dem Inneren der Villa Schönholz sind hier zu sehen.

Villa vor Schönholz: Gibt es Zukunftspläne?

Pankow prüfte kürzlich verschiedene Schritte, den Erhalt der Villa sicherzustellen. 2022 scheiterte die Feststellung eines Fachbedarfs, der in weiteren Schritten eine bezirkliche Nutzung, etwa als Gemeindezentrum, erlaubt hätte. 2023 fiel ein Antrag in der Bezirksverordnetenversammlung zur erneuten Denkmalprüfung der Immobilie durch. Die Zukunft der Villa von Schönholz bleibt ungewiss.