Berlin. Tsvetana Dinkova ist früher Marathon gelaufen. Vor zehn Jahren konnte sie nach dem zwanzigsten Kilometer nicht mehr weiter, ihr Knie ließ sich vor Schmerzen nicht mehr beugen. Noch einige Zeit musste vergehen, bis sie erfuhr, dass sie einen Tumor im oberen Oberschenkel hatte, der über die Sehne das Knie belastete. Daraufhin stellte sie nach langer Auseinandersetzung mit dem Thema ihre Ernährung um: Kein Zucker, kein Gluten, kein Fleisch.
Das klingt nach karger Kost und so gar nicht wie das, was im Café Trivitys in der Florastraße, das Dinkova heute betreibt, in der Theke liegt. Kleine Praliné-Törtchen in bunten Farben – alles vegan. Das Trivitys ist ein nördlicher Ausläufer eines der größten Vegan-Hotspots Berlins. Auch wenn sich die Supermarkt-Kette Veganz wegen mangelnden Umsatzes aus dem Einzelhandel zurückzog, ist die Nachfrage größtenteils noch da.
Insbesondere Prenzlauer Berg ist voll von veganen asiatischen Restaurants, veganen Burgerläden und vegane Cafés. Das Trivitys sticht mit seiner Confiserie-Manufaktur heraus. In den kleinen Süßigkeiten versteckt sich allerhand Gemüse: Rote Bete oder Karotten geben den extra Vitamin-Kick während die Süße von Datteln, Aprikosen oder Erythrit kommt. „Ich wollte auf keinen Fall auf Schokolade verzichten“, sagt Dinkova. Also hat sie ihre eigenen Rezepte entwickelt.
Schafskäse muss sein – aber vegan und aus Trüffel
Als „alter Bulgare“ sei es ihr außerdem schwer gefallen, Schafskäse wegzulassen. Daher importiert sie jetzt Trüffel-Käse aus Bulgarien, der durch eine spezielle Fermentierung einen säuerlichen Geschmack erhält. Den gibt es beim Brunch zu selbst gebackenem Brot und Crackern. Der vegane Eiersalat riecht dank der Zugabe von Kala Namak Salz, auch Schwefelsalz genannt, so sehr nach Ei, dass es Dinkova nach zehn Jahren Veganismus fast schon zu viel ist. „Der Geruch macht 60 Prozent des Geschmacks aus.“
Auch wenn manche Gerichte im Trivitys an Tierprodukte erinnern – Thunfischcreme und Lachsersatz – soll es dort eigentlich nicht um Ersatzprodukte gehen, sondern um das, was ohnehin gut schmeckt. Genauso sieht das Paul Pollinger, der mit seiner Frau Sarah im Helmholtzkiez eine vegane Metzgerei betreibt.
Metzgerei ohne Fleisch? Was erstmal unsinnig klingt, ist gar nicht so abwegig. Auch wenn die Inhaltsstoffe abweichen, stehen im Werkraum der „Vetzgerei“ in der Raumerstraße die gleichen Geräte wie bei einem: Ein Wurtsfüller, ein Brät und ein Kutter – mit dem hexelt man die Zutaten klein.
Handwerklich hergestellte vegane Wurst aus Pankow
Statt Fleisch und Schafsmagen verarbeiten hier vier Angestellte Haferflocken und Seytan. Der Geschmack kommt dann von Trüffel, Olive-Tomate oder Kürbis. Nicht unbedingt die klassische Wurstwürzung – die ist mit Thymian, Majoran, Salz und Pfeffer allerdings auch zu haben.
Auch wenn die veganen Würste in der Vetzgerei nicht immer wie „echte“ Wurst schmecken – sollen sie auch gar nicht, findet Pollinger – ähneln sie in der Herstellung einer traditionellen, handwerklich arbeitenden Metzgerei viel mehr, als die industrialisierte Massenfleischproduktion.
Auf die richtige Konsumentscheidung wird im „Der Sache wegen“ auf der anderen Seite des Helmholtzplatzes in der Lychener Straße viel Wert gelegt. Dass Konsumenten die Welt verändern können, steht auf einem Schild vor dem Laden.
Matti, der sein Freiwilliges Ökologisches Jahr in dem Betrieb absolviert hat, steht nun als studentischer Mitarbeiter hinter der Theke. „Hier hat man die Garantie, dass der Einkauf einen positiven Einfluss auf Lieferketten und Produzenten hat“, so Matti, oder zumindest nicht schade. Dafür sorgen sieben Werte, die auch im Schaufenster geschrieben stehen, unter anderem tierleidfreies und plastikfreies Einkaufen. Wer nicht seine eigenen Gefäße mitbringt, kann auf ein Pfandsystem zurückgreifen.
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Für den kleinen Unverpackt-Laden sind Konkurrenten wie neu aufkommende Bio-Lieferdienste durchaus zu spüren. Während die Corona-Jahre alle Gastronomen traf, egal ob vegan oder omnivor, macht sich die Inflation unterschiedlich bemerkbar. Bei Dinkova im Trivitys laufe es kontinuierlich besser, so die Betreiberin. Das Klientel der Vetzgerei ist wohl eines, das ohnehin gerne viel Geld für gutes Essen ausgibt. Zumindest hätten die Pollingers bisher keinen Rückgang bei den Verkaufszahlen gehabt.
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