Abgeordnetenhaus

Naturschutz: DDR-Krankenhäuser als Wohnungen nutzen?

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Der Entwurf eines Teams um das Studio Wessendorf will im Quartier Am Sandhaus in Berlin-Buch urbane Dichte mit Umweltverträglichkeit kombinieren. Nach Ansicht von Anliegern ist die Bebauung mit Hochhäusern mit zehn Stockwerken und rund 2700 Wohnungen viel zu massiv.

Der Entwurf eines Teams um das Studio Wessendorf will im Quartier Am Sandhaus in Berlin-Buch urbane Dichte mit Umweltverträglichkeit kombinieren. Nach Ansicht von Anliegern ist die Bebauung mit Hochhäusern mit zehn Stockwerken und rund 2700 Wohnungen viel zu massiv.

Foto: Studio Wessendorf & Grieger Harzer Landschaftsarchitekten GbR / Berliner Morgenpost

Anlieger wenden sich gegen dichte Bebauung des Quartiers Am Sandhaus in Berlin-Buch. Eine neue Idee könnte Abhilfe schaffen.

Berlin.  Wohnen mit Blick auf Wildvögel, dazu Betreuungseinrichtungen, Ärzte und Cafés, wenig Autoverkehr, eine S-Bahnanbindung in die City und Arbeitsplätze in unmittelbarer Umgebung: Das neue Stadtquartier Am Sandhaus in Berlin-Buch klingt auf dem Papier fast zu gut, um wahr zu sein. Das ist es offenbar auch, denn um der wachsenden Hauptstadt Rechnung zu tragen, sollen im Norden Berlins rund 2700 Wohnungen entstehen. Möglich machen soll das eine dichte und hohe Bebauung mit bis zu zehn Stockwerken.

Zum Missfallen der Anlieger: Sie setzen sich bei einer Anhörung im Abgeordnetenhaus energisch noch einmal für eine aus ihrer Sicht maßvollere Bebauung ein und überreichten dazu mehr als 4600 Unterschriften. Verständnis kommt inzwischen auch von Linken, Grünen, CDU und wie sich gegen Ende der Debatte abzeichnete, sogar aus der Bauverwaltung des Senats.

„Die Planung ist intransparent und ignoriert die Perspektive und Expertise der Anwohner“, sagt André Fabian von der Bürgerinitiative (BI) Buch Am Sandhaus vor dem Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen im Berliner Abgeordnetenhaus. Ohne Anpassungen werde das Projekt seinem Anspruch als soziales und ökologisches Musterquartier nicht gerecht. BI-Kollege Christoph Jung pflichtet ihm bei. Die große Moorlinse – ein wiederentstandener See auf Moorgrund – sei ein „deutschlandweiter Hotspot für Wasservögel“.

Berlin-Buch: Anlieger wenden sich gegen massive Bebauung

Dabei kommt die Kritik nicht nur von der Bürgerinitiative. Auch andere Anlieger stoßen in dieselbe Kerbe: Justus Meißner, von der Stiftung Naturschutz betont die „herausragende“ Bedeutung für die Vielfalt teilweise geschützter Arten, die heute in dem 57 Hektar großen Areal leben. Darunter Knoblauchkröte, Großer Feuerfalter, Mopsfledermaus und Löffelente, um nur einige zu nennen. Gleichzeitig reiche der angedachte Schutzstreifen von nur gut 100 Metern zu Hochhäusern nicht, um Beeinträchtigungen zu vermeiden. Diese Punkte sind bereits im Beteiligungsverfahren genannt worden, eine ausreichende Berücksichtigung sei bislang jedoch nicht zu erkennen, so Meißner.

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Bedroht sieht Martyn Sorge vom Verein Spielkultur Berlin-Buch jedoch nicht nur Tiere und Pflanzen. Auch vom Verein betriebene Einrichtungen wie das Archäologiespielprojekt auf der Moorwiese drohten Einschränkungen, wenn der Bereich umbaut werden. „Dann wird es Beschwerden von Anwohnern geben“, so Sorge. Ebenso sei der direkte Zugang in die Natur für das Projekt sehr wichtig.

Wolfgang Mochmann von der evangelischen Gemeinde steht der Aufwertung des Areals aufgeschlossen gegenüber. Die Kirche verpachtet dort selbst ein Grundstück, auf dem ein gerade erst modernisierter Supermarkt betrieben wird. Ein wichtiger wirtschaftlicher Pfeiler in der Finanzierung der Gemeinde.

Eine entsprechend hohe Bebauung werden den Charakter Buchs jedoch verändern. Dort soll nicht „von Berlins Bedarf, sondern der Kapazität des Ortsteils“ ausgegangen werden, betont Mochmann. Die Erfahrung zeige, dass Großsiedlungen am Stadtrand über kurz oder lang dazu neigten, zu einem sozialen Brennpunkt zu werden. Zu Erinnerung: Nach Angaben des Bezirks Pankow leben in Buch derzeit etwa 16.500 Menschen. Durch das Quartier am Sandhaus könnten rund 6000 hinzukommen.

Bezirk Pankow wünscht sich sozial und verkehrlich ausgewogenes Quartier

Vom dem Ausschuss sprach auch Stadträtin Rona Tietje (SPD). Ihr ist zunächst wichtig zu betonen, dass das Vorhaben kein Projekt des Bezirks Pankow ist. 2000 bereits jetzt in Buch untergebrachte Geflüchtete und Wohnungslose seien bereits jetzt eine Belastung für den Ortsteil. Zwar habe der Bezirk hohes Wohnungsbaupotenzial, dieses müsse jedoch sozial durchdacht ausgeschöpft werden können. Das gelte ebenso für den Verkehr.

Nach so viel Kritik offenbar doch Anlass für den Senat, zumindest Alternativen zur bestehenden Planung in Betracht zu ziehen. „Richtig gut finde ich zehn Geschosse im Bereich eines Abenteuerspielplatzes auch nicht“, sagt Staatssekretär Christian Gaebler. Würde nun jedoch nur mit 1000 Wohnungen geplant, lande man am Ende bei lediglich 500.

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Neben dem bereits in das Konzept eingeplanten ehemaligen Stasi-Krankenhaus könnte sich Gaebler vorstellen, auch in das Gespräch mit der Wirtschaftsverwaltung zu gehen und über das bislang als Gewerbefläche eingeplante benachbarte ehemalige DDR-Regierungskrankenhaus zu verhandeln. Dichte und Höhe der geplanten Neubauten könnten dann reduziert werden.

Für Gisela Neunhöffer von der Bürgerinitiative ist im Ausschuss endlich die Botschaft angekommen, dass umgeplant werden muss. Die Bürger hätten selbst viele Varianten durchgespielt, sähen den Druck, dass Berlin Wohnungen braucht. „1000 Wohneinheiten Am Sandhaus wären für uns ein Kompromiss“, sagt sie.

Alles andere sei vor dem Hintergrund der Diskussion um Jugendgewalt an Silvester und die Bewahrung unserer Lebensgrundlagen unverständlich, so Neunhöffer. Eine von oben aufgestellte Planung sei nicht gut für die Stadt. „Jetzt müssen wir abwarten, ob den Worten auch Taten folgen.“ Nach jetziger Planung des Senats sollen ab 2026 oder 2027 die Bagger in Buch rollen, der dringend benötigte Wohnraum bis spätestens Mitte der 2030er-Jahre fertiggestellt sein.