Paradeplatz bleibt kahl

Linke: Rasen vor dem Thälmann-Denkmal wäre „zu hübsch“

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Neuer Streit um das Thälmann-Denkmal: Ein Paradeplatz für Pioniere soll „kleine Rasenflächen" und Bäume erhalten, der Sockel könnte zuwuchern, so wünschen es Pankows Grüne und FDP. Doch sie stoßen auf harten Widerstand.

Neuer Streit um das Thälmann-Denkmal: Ein Paradeplatz für Pioniere soll „kleine Rasenflächen" und Bäume erhalten, der Sockel könnte zuwuchern, so wünschen es Pankows Grüne und FDP. Doch sie stoßen auf harten Widerstand.

Foto: Thomas Schubert

Nach dem gescheiterten Abriss beantragen Grüne und FDP einen Öko-Umbau. Linke blocken ab. Man müsse „das Hässliche aushalten.“

Berlin.  Mit dem Ukraine-Krieg kam die Gewissheit ins Wanken, dass es in Prenzlauer Berg ein kolossales Denkmal für Ernst-Thälmann braucht. Der CDU-Antrag, das Monument an der Greifswalder Straße von der Denkmalliste zu streichen, die 50 Tonnen schwere Bronze-Büste einzuschmelzen und den Materialwert der Ukraine zu spenden, sorgte international für Aufsehen und Widerspruch. Grüne und FDP unterstützten zwar zunächst das Ansinnen des Christdemokraten David Paul, nach Kriegsausbruch die Würdigung des Stalinisten Ernst Thälmann einzustellen. Doch sie ließen den Abriss-Antrag in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) mit einem Nein krachend durchfallen.

Zu populistisch sei die CDU-Annahme, dass der von Nazis ermordete Thälmann den Geist des russischen Angriffskriegs verkörpere, hieß es. Zu unschlüssig der Bezug zwischen der Ideologie des gefeierten DDR-Helden und dem neuen Imperialismus Wladimir Putins, so argumentierten die Kritiker. Damit blieb der Berliner Denkmalsturz aus. Doch zugleich kündigte Grünen-Fraktionschefin Hannah Wettig an, einen behutsameren Weg zum Ausstieg aus der Würdigung des früheren KPD-Chefs in Prenzlauer Berg zu suchen.

Und hier ist er: Der Aufmarschplatz vor der Ernst-Thälmann-Büste soll entsiegelt werden und Raum schaffen für die Pflanzung von Bäumen und die Aussaat „kleiner Rasenflächen“ mit Bänken. Über den Sockel, der zur Zeit von Atomschlag-Drohungen Wladimir Putins im Frühling mit Graffiti-Slogans wie „Brennen sollen die USA“ oder „Brennen soll der Kreml“ beschmiert wurde, könnten Kletterpflanzen ranken. „Grüner Lernort“, so nennen Wettig und ihre Fraktion den Vorschlag für eine ökologische Auflockerung der Betonpiste des Monuments.

Pankows Linke sieht den Betonplatz der Thälmann-Büste als wichtiges Zeitzeugnis

Lernen aus der Geschichte in grünerer Umgebung, das ist ein Konzept, das die Pankower FDP-Fraktion mitträgt. Doch dem grün-gelben Gespann droht jetzt in der BVV eine ähnlich harte Niederlage wie in April der CDU mit ihrem Einschmelzungs-Gesuch. Denn erneut hat Pankows Linke eine Stimm-Mehrheit für die Bewahrung des Thälmann-Denkmals in seiner seit 1986 bekannten Form organisiert. Mit der Argumentation, gerade die Tristesse des kargen Paradeplatzes für Thälmann-Pioniere sei die Essenz dieses Orts.

„Dieser Platz ist ein Beispiel für das Unerträgliche und Hässliche“, positioniert sich Pankows Linken-Fraktionschef gegen eine Bepflanzung der Piste. Man müsse an einer Stelle, die auf die Widrigkeiten vergangener politischer Systeme hinweist, „das Unmenschliche leider aushalten“. Diese Auffassung äußert Zarbock mit Blick auf den Denkmalschutz. Und auf einen Wettbewerb um die künstlerische Kommentierung des Denkmals.

Denkmalschutz-Bedenken verhinderten Rapper-Kette für die Thälmann-Büste

Hier musste eine Fachjury entscheiden, wie das Denkmal mit neuen Installationen verändert werden darf, um Thälmann zu hinterfragen. Wie man weiß, setzte sich im Wettbewerb ein gemäßigter Entwurf der Filmkünstlerin Betina Kuntzsch durch. „Vom Sockel denken“ nennt sich ihr im Herbst 2021 eingeweihtes Werk mit sieben flachen Steinblöcken auf dem Betonplatz, die mit Hilfe von QR-Codes das Abspielen der Kurzfilme über den DDR-Kult um Thälmann auf Smartphones erlauben.

Rabiatere Entwürfe, etwa die Installation eines riesigen roten Luftballons auf der Piste oder das Behängen der Thälmann-Büste mit einer gigantischen Rapper-Kette, fielen im Wettbewerb hingegen durch - aus Respekt vor dem Denkmalschutz.

Aufmarschplatz in Prenzlauer Berg: Hübsch machen „nicht produktiv“

Dieser Strenge beim Verhindern optisch hervorstechender Veränderungen am Thälmann-Monument sieht sich nun auch die Linke verpflichtet. Auch das Aufbrechen des Bodens zum Einpflanzen von Rasenbüscheln oder Bäumen hält Mattias Zarbock für problematisch. Die verständliche Idee, den Ort „lebenswerter“ zu gestalten, sei beim Verfahren der künstlerischen Kommentierung durchgefallen, erinnert er an das Ergebnis. „Dieser Ort ist nicht menschenfreundlich. Er war nur dazu da, dass Menschen hier antreten. Ihn nun hübsch zu machen, ist nicht produktiv.“

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Dank Zuspruch von der SPD gelang es der Linken nun, den Öko-Antrag von Grünen und FDP im Ausschuss für Stadtentwicklung abzulehnen. Und eine Schlüsselrolle beim Durchkreuzen des Anliegens spielt dabei die CDU – die sich für den Widerstand gegen ihren Abriss-Antrag im Frühling revanchiert. „Die Huldigung Thälmanns in Prenzlauer Berg würde ja erhalten bleiben, wenn wir zustimmen“, sagt der Gegner des Monuments, David Paul. Ein Jungpolitiker, der für den Wunsch, die Büste einzuschmelzen, Morddrohungen erhielt. „Aber wir halten an unserem Abriss-Antrag fest“, bleibt Paul bei der maximalen Forderung.

Pankows CDU erneuert Forderung nach Abriss des Thälmann-Denkmals

Berlin solle sich ein Vorbild nehmen an den baltischen Staaten, die imperialistische Denkmäler aus der Sowjet-Zeit stürzen, um die Ablehnung des Ukraine-Krieges zu verdeutlichen, sagt er auf Anfrage. „Es ist bedenklich, dass viele in Berlin die Augen vor der Erinnerung an Unrechtsstaaten verschließen“, kritisiert Paul vor allem die Linke.

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Zwischen den Positionen von Abriss und Denkmal-Konservierung stehen nun Hannah Wettig und die Grünen ohne Mehrheit da. Über die Ablehnung von links und rechts zeigt sich Wettig irritiert und sagt: „Es ging uns ja nur um die Auflockerung des Platzes mit kleinen Rasenflächen und einigen Bäumen, die den heißen Platz im Sommer verschatten.“ Dies geschehe mit Blick auf das Hauptproblem des Thälmann-Denkmals. „Es sind leider kaum Menschen da, die es sich anschauen und in seiner Monstrosität erfassen.“

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Auch Thomas Enge von der FDP bedauert die überraschend deutliche Abstimmungsniederlage im Ausschuss, will den Öko-Antrag aber nicht begraben. „Wir halten unseren Vorschlag weiterhin für einen guten Kompromiss, denn eine moderate Begrünung könnte die Wirkung des Platzes als Ort des Grauens aus dunkler DDR-Vergangenheit ohnehin nur abmildern“, sagt Enge. „Wenigstens diese Aufbesserung wäre im Interesse vieler Bürgerinnen und Bürger in Pankow.“

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