Berlin. Den Angriff Putins nimmt Pankows CDU zum Anlass, die Einschmelzung des Denkmals zu fordern. Und den Erlös der Ukraine zu spenden.

Es geht um Putin, seinen Überfall auf die Ukraine und einen Wunsch zur Anknüpfung an die Mächtigkeit Russlands in Sowjetunion-Zeiten – und es geht um die Symbolik des Ernst-Thälmann-Denkmals in Prenzlauer Berg. Am Mittwoch, in der kommenden Sitzung der Pankower Bezirksverordnetenversammlung, beantragt die CDU-Fraktion den Abbau und die Einschmelzung des 50 Tonnen schweren Monuments.

Der Prenzlauer Berger Verordnete David Paul schlägt dabei vor, die Streichung dieser historischen Stätte von der Berliner Denkmalliste zu beantragen, um dann das Denkmal einzuschmelzen und den Materialwert für Hilfsprojekte in der Ukraine zu spenden. „Es ist bedenklich, dass wir im Herzen Berlins einen Menschen ehren, der ein Antidemokrat war“, verweisen Paul und die CDU auf Thälmanns Führungsrolle in der KPD. Einer Partei, deren Ziele nicht mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar sei. Dieser Umstand gewinnt nun aus Sicht der Christdemokraten durch den Ukraine-Krieg an Aktualität.

Sockel des Thälmann-Monuments aus ukrainischem Marmor

So betont Paul in seiner Forderung nach der Beseitigung des Denkmals: „Es geht auch um den Umstand, dass wir jetzt Krieg in Europa haben, geführt von einem Mann, der Demokratie als Feigenblatt benutzt.“ Wladimir Putin betrachte den Zusammenbruch der Sowjetunion erklärtermaßen als größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts. Und auf der Fahne des Thälmann-Monuments seien Sowjet-Symbole deutlich erkennbar, zieht Paul eine Verbindung. In Zeiten, da russische Panzer mit Stern-Symbolen auf ukrainische Städte vorrücken, müsse man gerade in Berlin einen neuen Anlauf nehmen, den „Kampfkoloss“ Ernst-Thälmann von seinem Sockel zu stoßen. Von einem Block, der aus ukrainischem Marmor besteht.

Im Lager der Christdemokraten hofft man mit Verweis auf die aktuelle Bedeutung darauf, dass andere Fraktionen am Mittwochabend in der Bezirksverordnetenversammlung Position beziehen. Und dass sie darauf verzichten, den Antrag namens „Keine Ehrung für Demokratiefeinde“ zur Beratung in die Fachausschüsse zu schicken.

Thälmann-Denkmal in Prenzlauer Berg: Kulturverwaltung lehnt Beseitigung strikt ab

Als hoch bedenklich bewertet die Forderung der Christdemokraten allerdings die Senatskulturverwaltung, geleitet vom Linken-Senator Klaus Lederer (Linke). Dessen Sprecherin schmettert die Beseitigung es Thälmann-Denkmals jetzt schon ab und schreibt auf Morgenpost-Anfrage: „Es gibt sicher bessere Wege, der Ukraine zu helfen, ohne selbst Kulturgut zu vernichten. Bei dieser Gelegenheit weisen wir darauf hin, dass auch die sowjetischen Ehrenmale weiterhin unter Schutz stehen“, heißt es zum möglichen Wunsch zur Tilgung weiterer Sowjet-Symbole.

Pankower Grüne begrüßen Vorstoß – FDP nennt Vorschlag populistisch

Selbst bei der FDP, wo man dem Thälmann-Denkmal in Prenzlauer Berg mit großer Distanz begegnet, wird der Antrag der Christdemokraten in diesem Tenor auf Ablehnung stoßen. „Der Vorschlag der CDU ist an Populismus nicht zu überbieten, auch wenn das Denkmal für den kämpferischen Antidemokraten Ernst Thälmann aus der Zeit gefallen ist“, äußert sich der FDP-Abgeordnete Felix Reifschneider für die Pankower Liberalen. Fraktionschef Thomas Enge hält die „Verquickung mit dem Kriegsleiden in der Ukraine“ für unangemessen. Sinnvoller sei eine Umgestaltung des Platzes, um ihm mit neuen Bäumen, Beeten und Informationstafeln seinen Monumentalcharakter zu nehmen.

Bei denen Grünen allerdings lobt die Fraktionsvorsitzende Hannah Wettig den Vorstoß der CDU. Anfang der 1990er Jahre hätte die Vorgängerin der Partei, das Bündnis Prenzlauer Berg, schon einmal einen SPD-Antrag auf Abriss unterstützt. „Allerdings steht der Kopf heute für etwas anderes als damals. Seine Monstrosität löst bei Jüngeren nur noch Erschrecken aus. Darum wäre der Erhalt des Kopfes sinnvoll als Teil eines Mahnmals, das die Verbrechen des Stalinismus und Ernst Thälmanns klar benennt. Leider sind wir von einem solchen, einer Demokratie angemessenen Mahnmal noch weit entfernt“, erklärt Wettig.

Tatsächlich hat es mehrfach Versuche zur Beseitigung des Thälmann-Monuments an der Greifswalder Straße gegeben, das vom sowjetischen Künstler Lew Kerbel gestaltet und 1986 zum 100. Geburtstag Thälmanns feierlich eröffnet wurde. Damals im Beisein von Erich Honecker.

Beseitigung des Thälmann-Denkmals wird nicht zum ersten Mal gefordert

Schon kurz nach dem Mauerfall sprach sich eine Historikerkommission für die Demontage aus. Aber eine politische Mehrheit mochte sich nicht finden, und auch aus technischen Gründen gilt der Abbau der Büste als schwierig – schon wegen ihres immensen Gewichts. Zugleich führte eine Beschädigung des Denkmals durch Rost zur Debatte darüber, welchen Aufwand man für den Erhalt betreiben soll. Senat und Bezirksamt Pankow verständigten schließlich sich darauf, dass Thälmann-Denkmal zwar mit Kosten von 150.000 Euro zu sanieren, aber auch mit einer künstlerischen und einer historischen Kommentierung zu erweitern.

Seit 2014 steht das Thälmann-Monument mitsamt der angrenzenden Siedlung unter Denkmalschutz, seit November 2021 soll das Kunstprojekt der Filmemacherin Betina Kuntzsch die Facetten des im KZ Buchenwald ermordeten Kommunisten-Führers erlebbar machen. Dabei lassen sich über QR-Codes auf neuen Betonblöcken auf dem Vorplatz verschiedene Filmsequenzen auf dem Smartphone aufrufen.

Monument in Prenzlauer Berg beim Putzen beschädigt

Es war vom Bezirksamt Pankow durchaus einkalkuliert, dass diese neuen Blöcke vor dem Denkmal wie das Monument selbst von Graffiti-Schmierereien bedeckt werden. Laut Bezirk soll die Bronze-Skulptur vor einiger Zeit ausgerechnet durch eine unsachgemäße Reinigung durch freiwillige Helfer beschädigt worden sein.

Problematisch erscheint der Pankower CDU vor allem der politische Tenor von Schriftzügen direkt auf der Büste. Dort seien laut David Paul vor Kurzem Parolen entfernt worden, die nun aber von Unbekannten neu aufgeschmiert wurde: Dazu gehört der Satz: „Amerika soll brennen.“

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