Kunst in Pankow

Drei Kunsthäuser vor dem Aus - Pankows Kreativszene in Not

| Lesedauer: 6 Minuten
THOMAS SCHUBERT
Eingesponnen mit roten Bändern: Die Künstler haben an der früheren australischen Botschaft einen Abschiedsgruß hinterlassen. Aber einige von ihnen sind in ihren Räumen verblieben.

Eingesponnen mit roten Bändern: Die Künstler haben an der früheren australischen Botschaft einen Abschiedsgruß hinterlassen. Aber einige von ihnen sind in ihren Räumen verblieben.

Foto: Thomas Schubert

Für die australische Botschaft laufen letzte Verhandlungen. Und der nächste Kunstort wackelt – aber es bleibt eine Hoffnung.

Rote Kunststoffbänder überziehen die Fassade der früheren australischen Botschaft der DDR. Es ist ein Abschiedsgruß der Künstlergemeinschaft, die mit einem Fest am 30. Juni noch einmal ein Zeichen setzen wollte und Anfang des Monats ihre 30 verbliebenen Ateliers im Diplomatengebäude an Dietzgenstraße in Pankow verloren hat – zumindest auf dem Papier. Denn auch nach dem Ende der Mietverträge mit dem Eigentümer, dem Immobilienentwickler Prexxot, sind manche der Künstler in der Botschaft verblieben.

„Wir haben die vage Hoffnung, dass es weiter geht. Momentan ist die Sache in der Schwebe“, erklärt Künstlerin Simona Doletzki die Situation. Sie sagt, man wolle noch einmal das Gespräch mit dem Eigentümer suchen. Das inoffizielle Fortbestehen eines der letzten verbliebenen Atelierhäuser in Pankow wird wohl davon abhängen, wie schnell das Bauvorhaben des Investors in Gang kommt, der das frühere Botschaftsgebäude und heutige Kunsthaus in eine Residenz mit Eigentumswohnungen umfunktionieren will. Oder von einem möglichen Verkauf der Immobilie an einen Eigentümer, der andere Pläne verfolgt.

Kunstetagen in der Pestalozzistraße droht der Abriss

Keinen Einfluss auf das Geschehen hat Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke), der in Pankow auch den Fachbereich Kultur verantwortet, aber bei den Geschehnisse auf dem Gelände eines privaten Eigentümers nur zuschauen kann. „Die Suche nach einer Lösung haben wir lange aktiv begleitet, leider ohne Erfolg. Insofern kann ich nicht ernsthaft davon ausgehen, dass es noch Chancen gäbe. Allerdings: Bei so viel Engagement und Entschlossenheit, wie sie den Künstlerinnen und Künstler der Australischen Botschaft eigen ist, weiß man nie, was als Nächstes passiert“, sagt Benn.

Während Pankow das Kunsthaus an der Dietzgenstraße vor dem endgültigen Aus bewahren will, wackelt auch ein zweiter wichtiger Standort: der frühere Büro-Plattenbau an der Pestalozzistraße – genannt Kunstetagen Pankow . Ein Bagger auf dem Hof lässt ahnen, dass der Tag nicht mehr fern ist, wenn in den hiesigen Ateliers die Lichter ausgehen. Der Abriss des DDR-Relikts mit kreativer Zwischennutzung in diesem Jahr ist seit Langem beschlossen. Nun ruhen die Hoffnung darauf, dass der Investor bei seinem Wohnungsbauvorhaben in der Pestalozzistraße auch Ersatz für die wegfallenden Ateliers schafft.

Gibt es in Berlins einwohnerstärkstem Bezirk keinen Platz mehr für die Kunst? Im Hause des zuständigen Senators, Klaus Lederer (Linke), sieht man die Entwicklung mit Sorge. „Das Problem der Verdrängung von Kulturstandorten durch Gentrifizierung, explodierende Mieten und Verdrängung ist groß und die Situation ist mies und unbefriedigend“, sagt Lederers Sprecher, Daniel Bartsch. Die bunte und kreative Mischung als das, was Berlin ausmacht, dürfen man sich nicht kaputtmachen lassen. Für Künstler sei es wiederum „persönlich tragisch“ wenn sie ihre Arbeitsstätte verlieren oder – im Falle des Musikgeschäfts – Clubs schließen müssen. Egal welchen Berliner Bezirk und welches Kunsthaus es betrifft – die Mechanismen sind aus Sicht des Senats zumeist die gleichen. „Wenn ein Eigentümer bei einer Neuvermietung das zwei- oder dreifache an Miete bekommen kann, weil die Nachfrage so groß ist, oder er alte, preiswerte Gebäude abreißt und teuer neu baut und verkauft, wird Künstlerinnen, Künstlern oder Clubs halt gekündigt“, erklärt Bartsch. Die Spielräume der Landespolitik seien dabei klein.

Schönhauser Allee 69 wird aufwändig saniert

So gibt es auch beim dritten der sterbenden Pankower Atelierstandorte, der Schönhauser Allee 69, derzeit keine Handhabe. Ein neuer Eigentümer löste 2017 die Mietverträge sämtlicher Gewerberäume im Hinterhaus der Immobilie auf. Die verbliebenen Künstler und Bewohner der Schönhauser 69 sollen eine aufwändige Sanierung hinnehmen – nach eigenen Angaben beträgt die Mietsteigerung dann bis zu 300 Prozent.

Kindertheater o.n. dank Schallschutz gerettet

Der Senat nennt aber auch Erfolgsbeispiele, in denen es gelang, durch Moderation mit Immobilieneigentümern eine Lösung für Künstler zu finden. So konnte das Kindertheater o.n., dessen Mietvertrag in einem Haus in Prenzlauer Berg wegen Lärmbelästigung nicht verlängert werden sollte, doch noch gerettet werden, nachdem das Theater einen Schallschutz erhielt. Auch das Berliner Rockhaus in Lichtenberg wurde nach Verhandlungen mit dem Eigentümer gerettet – 180 Proberäume für 1000 Musiker bleiben erhalten.

Pankows stellvertretender Bürgermeister Vollrad Kuhn (Grüne) will alle baupolitischen Möglichkeiten ausschöpfen, um auch in Pankow die Szene am Leben zu erhalten. „Der Ausbau der Infrastruktur für Kunst und Kultur gehört für uns zu einer unserer dringenden Herausforderungen der nächsten Jahre“, teilt er mit. Kuhn hat vor allem die kommunalen Immobilien im Blick und sagt: „Bei bezirkseigenen Sanierungs- und Bauprojekten, planen wir neue Arbeitsräume mit ein. Bis es hier zu einer Schlüsselübergabe kommen kann, wird es aber noch dauern.“

Kunsthaus in der Prenzlauer Promenade als Zuflucht

Im Falle der Kunstetagen Pankow will die Senatskulturverwaltung nun prüfen, die bedrohten Ateliers in ein gesichertes Gebäude an der Prenzlauer Promenade umzusiedeln. Dessen Geschichte wiederum ähnelt dem Werdegang vieler anderer Kunsthäuser im Osten Berlins: Das Gebäude an der Prenzlauer Promenade Ecke Arnold-Zweig-Straße war in den 80er-Jahren ursprünglich als Diplomatenhotel geplant worden, stand dann aber in Diensten der Akademie der Wissenschaften der DDR. Nach Jahren des Leerstands ging die Immobilie 2004 an den Liegenschaftsfonds, der die Zwischennutzung als Kunststandort ermöglichen konnte.

Anders als bei den Objekten in privater Hand soll hier die künftige Wohnnutzung mit dem künstlerischen Geschehen dauerhaft harmonieren. So wird das landeseigene Unternehmen Berlinovo auf dem Grundstück rund 300 „Variowohnungen“ errichten, die sich je nach Bedarf zu Zwei- oder Drei-Zimmer-Wohnungen umbauen lassen und den Bestandsbau mit den Kunstateliers unberührt lassen – so wurde es mit der Berlinovo vertraglich festgehalten. Dank dieser Lösung sollen in Pankow rund 200 Atelierplätze dauerhaft gesichert sein. Auch der drohende Tod dreier Kunsthäuser kann die Kunstlandschaft im Berliner Nordosten nicht veröden.