Berlin. Die starke Bevölkerungszunahme bringt viele Probleme mit sich. Der Mangel an Schulplätzen ist laut Stadtrat „dramatisch“.
Die Zahl der Einwohner wird im Bezirk Pankow von derzeit rund 407.000 auf 460.000 im Jahr 2030 steigen. Dies sagte Pankows Schulstadtrat Torsten Kühne (CDU) unter Verweis auf die Bevölkerungsprognose für den Bezirk. Damit würde Pankow, schon jetzt Berlins größter Bezirk, die gleiche Größenordnung erreichen wie Bochum oder Duisburg. Dieses starke Bevölkerungswachstum hat jedoch Folgen für die Infrastruktur, so fehlen zum Beispiel schon jetzt etliche Schulplätze.
Nach neuesten Zahlen des Landesamtes für Statistik nimmt Pankow in mehreren Bereichen Spitzenpositionen ein und ist so für Zuzügler besonders attraktiv. Das monatliche Netto-Pro-Kopf-Einkommen ist mit 1475 Euro das höchste der Stadt. Zugleich liegt die Arbeitslosenquote mit rund sechs Prozent deutlich unter dem Berliner Durchschnitt. Der Anteil der Einwohner über 25 Jahre mit einem niedrigen Bildungsstand – also derjenigen, die weder Hochschulreife noch Berufsausbildung haben – war mit rund sechs Prozent zuletzt so niedrig wie in keinem anderen Bezirk.
"Pankow ist der neue Spitzenbezirk"
Im Berliner Durchschnitt liegt diese Quote bei 20,5 Prozent. „Pankow ist der neue Spitzenbezirk“, sagt Ephraim Gothe (SPD), Baustadtrat des Bezirks Mitte, der mit sozialer Spaltung, hoher Arbeitslosigkeit und Kinderarmut zu kämpfen hat.
Aber der akute Schulplatzmangel zeigt, wie Pankow inzwischen unter seiner Beliebtheit leidet. Bis zu 45 Minuten Fahrtzeit in eine Richtung mutet das Bezirksamt Kindern ab der siebten Klasse zu – und schickt sie notfalls vom Norden in den Südwesten der Stadt. Im Extremfall pendeln die Jugendlichen 34 Kilometer hin und zurück. Deshalb müssen die Mitarbeiter von Schulstadtrat Kühne Hunderten Beschwerden nachgehen.
Temporäre Schulgebäude sollen Abhilfe leisten
Die aktuelle Zahl der Widersprüche gegen die Zuweisung von Schulplätzen dürfte auf einem ähnlich hohen Niveau liegen wie im Sommer 2018, als es 212 Beanstandungen im Grundschulbereich und 300 Fälle bei den Oberschulen zu regeln galt. „Die Bearbeitung der Widersprüche wird bis weit in die Sommerferien andauern. Erfahrungsgemäß gibt es bis zum ersten Schultag immer noch Veränderungen, sodass Schulplätze an einzelnen Pankower Schulen wieder frei werden“, so Kühne. Man wolle möglichst einvernehmliche Lösungen erreichen und Schüler im eigenen Bezirk unterrichten, wenn es geht. Kühne nennt als Ursache für den Engpass bei den Schulplätzen zum einen Versäumnisse der Vergangenheit. So habe Pankow bereits 2008 den Senat vergeblich darauf hingewiesen, dass die Planung die wirklichen Verhältnisse nicht widerspiegele. Zum anderen verweist er auf das dramatische Bevölkerungswachstum in Pankow, das auch weiterhin anhält.
24 neue Schulen müssen geplant werden
Pankow rechnet mit einem Bedarf von zusätzlichen 12.000 Schulplätzen und muss dafür in den nächsten Jahren 24 neue Schulen planen lassen. Um den akuten Mangel aufzufangen, setzt der Bezirk auf modulare Erweiterungsbauten und temporäre Schulgebäude in Containerbauweise. Bis 2022 sollen sechs neue Lernorte in Betrieb gehen. „Insofern passiert derzeit viel, wenn es auch noch nicht schnell genug geht“, so Kühne. Trotz des Baugeschehens werde man noch mehrere Jahre „einen dramatischen Schulplatzmangel“ erleben.
Bei allen künftigen großen Wohnungsbauprojekten sind zum Teil mehrere Schulen eingeplant. Beim größten Vorhaben Berlins, dem Blankenburger Süden mit bis zu 6000 Wohnungen, ist eine Grundschule für 550 Kinder an der Heinersdorfer Straße das erste Gebäude, das fertiggestellt wird. Auch an der Michelangelostraße in Prenzlauer Berg soll eine neue Schule gebaut werden, bevor für das Gesamtprojekt mit 1200 Wohnungen der Grundstein gelegt wird.
64 Plätze in Grunewald mit Pankower Schülern belegt
Der Stadtrat hat inzwischen auf den Beschwerdebrief einer Familie aus Prenzlauer Berg reagiert, deren Sohn ein Gymnasium in Grunewald besuchen soll. Darin bringen die Eltern ihre Sorge zum Ausdruck, dass ihr Kind einem ähnlichen Stress ausgesetzt wird wie ein Berufspendler. Auch Norman Heise vom Berliner Landeselternausschuss kritisiert die „abstruse Situation“, verweist aber darauf, dass rechtlich gesehen eine Stunde Fahrzeit in eine Richtung als zumutbar gilt. Aber jeder Bezirk sollte in der Lage sein, die Schüler bei sich aufzunehmen, fordert Heise. Der Schüler, der nach Grunewald pendeln wird, ist nicht allein. Insgesamt 64 Schulplätze aus Pankow sollen nach den Ferien in den Wilmersdorfer Ortsteil verlagert werden. Hier gibt es mehr offene Schulplätze als Bewerber. Und, so Kühne, das Hildegard-Wegscheider-Gymnasium und das Walther-Rathenau-Gymnasium seien zwei renommierte Schulen. 45 Minuten Fahrzeit seien nach ständiger Rechtsprechung ein „altersangemessener Schulweg“, so der Stadtrat.