Pankow. Häuser für besseres Klima: Im „Quartier Wir“ in Weißensee entsteht binnen weniger Monate eine der größten Holzsiedlungen Berlins.

Es mag Gründe geben, die für das Leben in einem Holzhaus sprechen. Es ist erwiesen, dass dies die klimafreundlichste Art des Wohnens darstellt, dass Bauen mit Holz Kohlendioxid bindet. Karla Leyendecker könnte noch mehr Argumente liefern – aber sie muss nicht. „Viele entscheiden sich einfach für den angenehmen Geruch“, erzählt die Vorständin der Wohnungsbaugenossenschaft Begeno 16.

An einem Frühlingstag hat sie zum Rundgang auf die Baustelle des ersten Projekts dieser Gruppe eingeladen. Hier, an der Piesporter Straße, verwirklicht man gemeinsam mit dem Bauträger UTB in fünf Häusern eines der größten Holzbauprojekte in Berlin – 149 Genossenschafts- und 38 Eigentumswohnungen nähern sich der Fertigstellung. „Quartier wir“ heißt der kleine Kiez, in dem am Ende 6000 Kubikmeter Holz verbaut sein sollen. Riechen lässt sich das schon jetzt. Architekt Christoph Deimel deutet auf Träger und Decke. „Wir verwenden hauptsächlich Fichte, und wo die Last besonders hoch ist auch Buche“, erklärt der Fachmann des Büros Deimel Oelschläger. Nur die Treppenhäuser und ein kleines Schwimmbad in einem der Häuser bestehen aus Beton – als Zugeständnis an die Kosten.

Schon die Planung gewinnt einen Preis

Schon Monate vor seiner Fertigstellung hat das Weißenseer Projekt im Wettbewerb „Klimaschutzpartner des Jahres“ in der Rubrik „erfolgversprechende Planungen“ den ersten Preis gewonnen. Und gilt sowohl wegen der ökologischen Bauweise als auch wegen der angedachten neuen Wohnformen als „langfristig nachhaltiger Wohnstandort“.

Dieses Urteil fällt kein Holzbau-Lobbyist, sondern eine Frau, die auch auf Stahl, Stein und Glas vertraut: Christine Edmaier, die Präsidentin der Architektenkammer in Berlin. Tatsächlich soll der Baustoff Holz im „Quartier Wir“ nicht die einzige Besonderheit bleiben. Auch bei den Modellen des Zusammenlebens will die Begeno 16 neue Wege finden. Das „Wir“ im Projektnamen kommt nicht von ungefähr. In manchen Gebäudeteilen sind jeweils drei Zweizimmerwohnungen mit Gemeinschaftsbereichen verbunden. „So ein Modell eignet sich zum Beispiel für Studenten oder Ältere, die nicht allein in einem großen Haus wohnen wollen“, erklärt Karla Leyendecker.

Architekt Christoph Deimel (l.), Karla Leyendecker und Wolfram Geisenheymer sehen Holz als Baustoff der Zukunft.
Architekt Christoph Deimel (l.), Karla Leyendecker und Wolfram Geisenheymer sehen Holz als Baustoff der Zukunft. © Thomas Schubert

Noch mögen Mietshäuser aus Holz im Berliner Baugeschehen exotisch wirken – aber die Landesregierung hat sich vorgenommen, das zu ändern. Ein gemeinsamer Antrag von SPD, Grünen und Linken sieht vor, dass Berlin ein Förderprogramm „Urbaner Holzbau Berlin“ auflegt, um private Bauherren zum Umdenken zu bewegen. „Das 20. Jahrhundert war das Zeitalter des Betons. Das Zeitalter des 21. Jahrhundert kann das Zeitalter des Holzbaus werden“, meint der Pankower Abgeordnete Andreas Otto (Grüne) – und blickt dabei auf die ökologischen Vorteile.

Holz für das Quartier bindet 4700 Tonen CO2

Dass Bauen mit Holz als klimafreundlich gilt, liegt an einer natürlichen Eigenschaft: Es bindet CO2, das somit nicht in die Erdatmosphäre gelangt – Bauen mit Beton hingegen ist zwangsläufig mit dem Ausstoß des Gases verbunden und trägt damit zur Erderwärmung bei. Holz als Rohstoff wächst wieder nach und muss nicht aufwändig in Fabriken produziert werden. In jedem Kubikmeter des „Betons aus der Natur“ stecken etwa 700 Kilogramm CO2. Im Falle des Holzquartiers in Weißensees werden es insgesamt wohl 4700 Tonnen sein. „Jedes Holzhaus ist ein CO2-Lager“, beschreibt Andreas Otto die Wirkung.

Es dominieren Fichte und Buche - nur das Treppenhaus besteht aus Beton. Noch in diesem Herbst sind die fünf Wohnhäuser im „Quartier Wir“ bezugsfertig. Schon jetzt riecht es auf der Baustelle nicht nach Chemie, sondern nach Holz.
Es dominieren Fichte und Buche - nur das Treppenhaus besteht aus Beton. Noch in diesem Herbst sind die fünf Wohnhäuser im „Quartier Wir“ bezugsfertig. Schon jetzt riecht es auf der Baustelle nicht nach Chemie, sondern nach Holz. © Thomas Schubert

Ein Argument, das sich auch im Antrag der Regierungskoalitionen wiederfinden. Forstwirtschaft, Handwerk, Industrie und Wissenschaft sollen gemeinsam an Modellen arbeiten, um Berlin und Brandenburg zu einer Region des Holzbaus zu entwickeln, heißt es dort. Außerdem solle der Senat selbst vorangehen und den Baustoff gezielt bei Neubau und Erweiterung von Gebäuden des Landes Berlin einsetzen. Dabei dürfe aber nur zertifiziertes Holz zum Einsatz kommen, „um nicht Raubbau an Wäldern, insbesondere bei Importen, zu befördern“. Dass Holzbauten nicht nur ökologisch, sondern auch imposant ausfallen können, zeigt sich derzeit jenseits Berlins: Im Elbbrückenquartier der Hamburger Hafen-City entsteht bis 2021 ein Holz-Hochhaus mit 19 Etagen in modularer Bauweise. 492.000 Euro Fördergeld stellte die Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) für das Projekt namens „Wildspitze“ bereit. Von den insgesamt 180 Wohnungen im 64 Meter hohen Turm sollen 60 als geförderte Mietwohnungen verfügbar sein.

Nettokaltmieten im Quartier sollen bei acht Euro beginnen

Auf die maximale Größe kommt es beim „Quartier Wir“ in Weißensee nicht an. Hier zählt eher das Gesamtpaket aus Architektur, Wohnkonzept, und Bezahlbarkeit. So will die Genossenschaft Begeno 16 einen Teil der Wohnungen zur Miete von acht Euro nettokalt auf den Markt bringen und auch junge Flüchtlingen, die auf dem Berliner Wohnungsmarkt kaum Chancen haben, ein Zuhause bieten. Für soziale Angebote werde man etwa 1000 Quadratmeter in den Häusern reservieren, erzählt Karla Leyendecker. Ansonsten kostet der Quadratmeter voraussichtlich 10,25 Euro nettokalt. Dass die Baukosten bei unter 3000 Euro pro Quadratmeter liegen werden, sei ein besonderer Erfolg.

Die größte Hürde für Interessenten dürften die Genossenschaftsanteile darstellen. Einziehen kann nur, wer 500 Euro pro Quadratmeter einzahlt. Dafür bezieht man voraussichtlich ab Oktober dieses Jahres ein Quartier, das den Charakter der Berliner Gründerzeitkieze aufgreift. Ein eigenes Restaurant soll es ebenso geben wie einen Kiosk und eine Kita. Soziale Balance soll im „Holzkiez“ ebenso eine Rolle spielen wie das Wohlbefinden. „Viele Allergiker entscheiden sich bewusst für das Wohnen in einem Holzhaus“, betont Leyendecker. Manchmal zählt eben nicht nur der Geruch, sondern auch die Gesundheit.