Bauarbeiten in Berlin

Das große Quetschen: Ersatzverkehr an der Ringbahn gestartet

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Dichtes Gedränge an der provisorischen Bushaltestelle auf dem Radweg an der Ecke Wichertstraße und Schönhauser Allee: Hier heißt es sechs Wochen lang umsteigen im Dieselmief.

Dichtes Gedränge an der provisorischen Bushaltestelle auf dem Radweg an der Ecke Wichertstraße und Schönhauser Allee: Hier heißt es sechs Wochen lang umsteigen im Dieselmief.

Foto: Thomas Schubert

Gedränge in Bussen und demontierte Stromschienen: Zwischen Gesundbrunnen und Greifswalder Straße herrscht Ausnahmezustand.

Berlin. Es ist Tag eins der bisher größten Verkehrsbehinderung dieses Jahres. Und die Morgensonne lenkt ein mildes Licht auf die Heerscharen der Wartenden vor dem Gesundbrunnen-Center. Wer am Kreuzungsbahnhof eine zwei Minuten kurze Fahrt mit der Ringbahn in Richtung Schönhauser Allee gewohnt war, findet sich jetzt am Hanne-Sobek-Platz vor der Bushaltestelle wieder, wo er länger ausharren muss, als die Bahnfahrt üblicherweise dauert. Die Großbaustelle auf dem nordöstlichen S-Bahnring zwischen Gesundbrunnen und Landsberger Allee bedeutet für Tausende Fahrgäste den Verlust an Zeit und Komfort. Und das über sechs Wochen.

Ein Drei-Minuten-Takt für den Schienenersatzverkehr hatte die S-Bahn Berlin versprochen. Doch schon die Menge der Menschen am Bussteig verrät, dass es hier ohne längeres Warten nicht läuft. „Da geht’s los“, sagt ein Bahn-Mitarbeiter an den Rolltreppen einer alten Dame, die den Weg nicht sofort findet. Los geht`s für die Dame nach zehn Minuten Warten in einem prall gefüllten Bus. Etwa ebenso lange braucht das ältere Fabrikat bis zur Ankunft an der Ecke Wichertstraße und Schönhauser Allee.

Die Ersatzhaltestelle befindet sich mitten auf einem Fahrradweg, der hier mit gelben Aufklebern durchgestrichen ist. Zur Erklärung für Radfahrer, die hier zum Ausweichmanöver gezwungen werden, steht ebenfalls in Gelb die Erklärung: Dies ist eine Busspur auf Zeit.

Fahrradmitnahme im Bus unmöglich

Spätestens an der Haltestelle Schönhauser Allee wird es im Bus unangenehm voll. Und längst nicht jeder, der hier ansteht, kann im Berufsverkehr damit rechnen, einen Platz zu finden. Eine Frau, die eigentlich mit ihrem Fahrrad zum Bahnhof Ostkreuz befördert werden wollte, hört von einer Ordnerin: „Ob sie das Rad in den Bus bekommen, bezweifle ich.“ Einziger Ausweg: Im Windschatten der Ersatzbusse zum Ostkreuz radeln. Wer kein Fahrrad hat und trotzdem nicht mehr in den Bus passt, muss warten.

„Wir sind seit dem BVG-Streik abgehärtet“, spottet ein junger Mann namens Sören. Fast alle, die mit ihm auf den nächsten Bus warten müssen, reagieren mit einem selbstironischen Lachen. Auch das nächste Gefährt ist so voll, dass sich Wartende mühsam in den Gang drängeln müssen. „Das große Quetschen“, kommentiert ein Mann.

Besonderes Qualitätsmerkmal der provisorischen Station auf der Wichertstraße: ein Haltestellenschild mit angebautem Mülleimer. Am Montag um halb zehn Uhr morgens ist der Eimer allerdings schon mit Pappbechern und Tüten überfüllt. „Die Haltestelle wird gut angenommen“, schlussfolgert eine Dame.

Weiter geht es im Ersatzbus über die Wichertstraße im steten Stop-and-Go knapp zehn Minuten lang in Richtung Prenzlauer Allee, wo an der Ecke Grellstraße eine weitere Tücke wartet. Bei diesem Haltepunkt handelt es sich um die reguläre Station der BVG Bus-Linie 156. „Ich wäre beinahe versehentlich dort eingestiegen“, ärgert sich Rosa Schulte über die Verwechslungsgefahr. Eine zweite Haltestelle für den Ersatzverkehr an anderer Stelle wäre wohl noch verwirrender, meint hingegen ein Passant.

14.000 Tonnen Schotter werden erneuert und 12.500 Schwellen

Am Bahnhof Prenzlauer Allee lässt sich im Graben der Ringbahn der Grund für die Unannehmlichkeiten am besten besichtigen. Hier haben die Bauarbeiter schon gegen 10 Uhr einen Großteil der Stromschienen demontiert. Zuletzt sei an diesen Streckenabschnitten in den 80er Jahren gearbeitet worden, teilt die S-Bahn Berlin mit. 14.000 Tonnen Schotter und 12.500 Schwellen werden hier getauscht. Die Reparatur geschehe im Sinne der Berliner auf einem der meistbefahrenen Trassen Berlins. Bis zu 160.000 Fahrgäste pro Tag bewegen sich im östlichen Bereich der Ringbahn auf den Linien S41, S42 und S8 und S85.

In Richtung des Bahnhofs Greifswalder Straße, wo man wieder in die S-Bahn wechseln kann, bewegen sich die Busse auf der Storkower Straße vergleichsweise flüssig. Alternativ kann man auch im Bus bleiben und bis zur Landsberger Allee gelangen. Wer hier auf die Straßenbahnen wechselt, erlebt eine Überraschung. Mitarbeiter der BVG drücken den Ankömmlingen Informationszettel in die Hand. Denn auch bei der Tram kommt es ab dem 15. April zu Sperrungen. Dann müssen sich die Berliner auf der Linie M10 auf einen weiteren Ersatzverkehr einstellen. Bis zum 13. Mai ist der Schienenverkehr zwischen Landsberger Allee / Petersburger Straße und Arnswalder Platz unterbrochen. Und damit fällt auch eine der wichtigsten Umfahrungsmöglichkeiten für die Baustelle auf der Ringbahn weg.

Am Ende der Ersatzverkehr-Premiere auf dem Ostring bleiben trotzdem drei tröstliche Erkenntnisse: Auch im überfüllten Bus räumen junge Fahrgäste ihren Sitzplatz ungefragt für Alte und Schwangere. Kinderwagen werden von starken Männern hineinbuchsiert, auch wenn es im Abteil dadurch noch enger wird. Und neben den verwirrenden bebilderten Schildern zum Ersatzverkehr steht immer ein Mensch, der sie bei Bedarf erklärt.