Berlin. Nach zahlreichen Beschwerden wird über Konzerte und Karaoke im Mauerpark diskutiert. Schallschutzmuscheln könnten für mehr Ruhe sorgen.
Ausnahmen waren im Mauerpark immer schon die Regel. Allein der Name ist aus Sicht des Autors Wladimir Kaminer ein Paradox. Im Mauerpark, schreibt Kaminer, gebe es weder eine Mauer noch einen Park. Auch die Bestimmungen für Grünanlagen gelten hier, wie man sehen und hören kann, nur auf dem Papier.
Jeden Sonntag Konzerte mit Trommeln und Verstärkern, eine Karaoke-Veranstaltung im Amphitheater – von Mai bis Oktober wird das Konzertverbot für Parks ins Gegenteil verkehrt. Wer in Berlin als Musiker gehört werden will, spielt genau hier. Aber allein das „Bearpit“-Karaoke des Iren Joe Hatchiban an 23 Sonntagen im Jahr hat den amtlichen Segen.
Nach Anwohnerbeschwerden über Ruhestörung steht nun alles auf dem Prüfstand: die Verstärkermusik, mögliche Sonderregeln für Künstler, auch die Ausnahmegenehmigung für das Karaoke in diesem Jahr. Wegen der vielen Beschwerden über den allgemeinen Lärmpegel im Park wird die Sondererlaubnis derzeit genauer geprüft als bei der Saison zuvor, betont Maria Moorfeld vom Umweltamt Pankow.
Kehrt im Mauerpark Stille ein? „Entschieden ist noch nichts“, betonte Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke) am Dienstag bei der dritten Runde des Runden Tischs zum Lärmproblem im Mauerpark. Was er vermeiden wolle, sei eine „Totbefriedung“ durch rabiate Eingriffe des Staats. „Wir möchten aber auch verhindern, dass Sie krank werden“, sagte er Nachbarn, die bei der Diskussion so deutlich wie noch nie ihre Beschwerden über lärmende Musiker vortrugen.
Bezirksbürgermeister warnt vor „Totbefriedung“ des Parks
„Ich höre den Krach selbst bei geschlossenem Fenster“, rief ein Anwohner, der anonym bleiben will. Selbst in diesem Winter habe er schon die Polizei gerufen, als ihn eine Band im Park den Nerv raubte. Der Mann und seine Mitstreiter beklagen, dass die Ursache des Problems bisher verkannt wird. Er sagt: „Weder die Polizei noch das Ordnungsamt sind gewillt, nach Anwohnerbeschwerden durchzugreifen.“ Dabei seien die Konzerte definitiv nicht erlaubt und müssten unterbunden werden, wenn Nachbarn dies fordern. Unglücklich findet der lärmgeplagte Anwohner auch die Tatsache, dass die meisten der Geschädigten im Bezirk Mitte leben, aber die Zuständigkeit für den Mauerpark allein beim Bezirksamt Pankow liegen.
Und hier verweist man auf den Personalmangel, der ständige Kontrollen im Park unmöglich macht. Eine Besserung verspricht sich Bürgermeister Benn von „Parkläufern“, die der Berliner Senat wohl bereits in diesem Jahr einführen will. Sie könnten ständig vor Ort sein und lärmende Musiker um Mäßigung bitten. Auch spezielle Schallschutz-Muscheln könnten den Lärm eindämmen, schlug Ulrich Schweitzer von der Initiative „Save Mauerpark“ vor. Solche Schalen würden den Klang so bündeln, dass er nicht unkontrolliert in die Umgebung hallt.
Kritik gab es beim Runden Tisch am Lösungsvorschlag des Pankower Umweltamts, Konzerte von Straßenmusikern am Sonnabend zu erlauben. Und zwar mit einer genormten Tonanlage, die den Schall auf 60 Dezibel beschränkt. Am Sonnabend Straßenmusik, am Sonntag Karaoke – dieses Modell sehen selbst Musiker als problematisch an. „Es macht keinen Sinn, zu spielen, wenn keiner da ist, der es hört“, sprach sich Pianist Beranger Gras gegen den Sonnabend als zweiten Konzerttag aus. Dass die Auftritte sonntags stattfinden, habe sich in den Köpfen festgesetzt.
Für Unverständnis sorgte auch die Idee, Straßenmusikern zeitweise die Boulebahn des Mauerparks als Spielort zuzuweisen – weil sie sich nach Auffassung des Umweltamts in einer lärmgeschützten Nische befindet. „Ich gehe davon aus, dass unsere Bahn unantastbar ist“, ärgere sich Boule-Spieler Johnann Groenewold. „Wir haben extra dafür gekämpft, dass die Bahn beleuchtet wird. Sie muss bleiben, wo sie ist.“
Mauerpark wird in diesem Jahr erweitert
Womöglich findet sich für die Straßenmusiker und die Boulespieler aber eine andere räumliche Lösung. Bereits in diesem Jahr sollen die Bauarbeiten zur Erweiterung des Mauerparks beginnen – ein Umbau, der zusätzliche Flächen für Sportler und Musiker verspricht. Auf dem neuen Areal hätten lärmgeschützte Musikinseln ebenso Platz wie professionelle Anlagen für Boulespieler, sagte ein Vertreter der Berliner Parkgesellschaft „Grün Berlin in Erinnerung.“
Im Zuge der Mauerparkerweiterung geht allerdings zunächst ein Teil der Begrünung verloren. Anfang Februar werden 22 Pappeln gefällt. „Bei den Bäumen handelt es sich um ältere Pappeln und einige andere Bäume mit erheblichen Vorschäden“, rechtfertigt das Grünflächenamt diesen Schritt.
Zustimmung fand beim Runden Tisch der Vorschlag des Pianisten Beranger Gras, in Berlin ein Auditorium für Straßenmusiker zu gründen. Wie in Paris und London solle die Stadt Künstler vorspielen lassen und dann entscheiden, wer eine Genehmigung erhält. „Wir sollten Musik mehr regulieren. Auch im Sinne der Musiker“, warb Gras für eine Beschränkung im Sinne der Qualität.
Kunstfreiheit oder Recht auf Ruhe? Alexander Puell von den Freunden des Mauerparks zieht trotz des harten Schlagabtauschs ein optimistisches Fazit: Es herrsche Konsens, dass die Saison 2019 als „Zeit der Experimente“ starten wird. Man wolle in diesem Jahr so lange verschiedene Lösungen ausprobieren, bis es keine Beschwerden mehr gibt. Ob Schallschutz-Muscheln für Ruhe sorgen, Parkläufer, die zur Mäßigung bitten oder striktere Kontrollen – die Praxis soll es zeigen.