Pankow. In Pankow sollen in drei Entwicklungsgebieten rund 10.000 Wohnungen entstehen. Doch alle Projekte sind ins Stocken geraten.

Würde man Pankow als Stadt für sich betrachten, so läge der Bezirk mit seiner Zahl von 400.000 Einwohnern vor Metropolen wie Bochum oder Bonn. Und während andere Berliner Bezirke ihr Potenzial für den Wohnungsbau fast erschöpft haben, wecken die Entwicklungsgebiete im Nordosten der Stadt Erwartungen, dass noch mehr geht: Michelangelostraße, Pankower Tor und der Blankenburger Süden. Das sind die großen drei. Solange der Senat seine Optionen für das Tempelhofer Feld und den Flughafen Tegel nicht nutzen kann, liegt in Pankow eine Chance für Wohnungsbau im großen Stil. Je nach Umfang könnten in den drei Gebieten mehr als 10.000 Wohnungen entstehen. Vom ersten Spatenstich ist man aber überall noch Jahre entfernt. Aus verschiedenen Gründen:

Kommunikationsproblem beim Blankenburger Süden

5000, 6000 oder 10.000 Wohnungen? Auf den früheren Rieselfeldern südlich der Bahnhofstraße wird nach den Vorstellungen der rot-rot-grünen Landesregierung eine ganze Stadt entstehen. Keines der Pankower Neubaugebiete bietet mehr Potenzial. Und nirgends ist der Widerstand von Anwohnern so hartnäckig wie im Ortsteil Blankenburg. Seit einer Informationsveranstaltung am 3. März leben sie mit der Angst, dass die Bebauung auf und um die 420 Hektar große Kernfläche des Projekts den alten Ortkern erdrücken könnte. An diesem Tag nannten Vertreter des Senats in einer Variante ein Baupensum, das die bisherigen Ziele weit überbot: 10.000 Wohnungen sollten es sein. Angesichts der Proteste ruderte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zwar auf maximal 6000 Wohnungen zurück. Doch in Blankenburg hat man sich die fünfstellige Wohnungszahl gemerkt.

„Ein Kommunikationsdesaster“, sagt Pankows Baustadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) heute. „Natürlich haben Pächter von Kleingartenparzellen und Hauseigentümer jetzt Angst. Also muss man auf sie zugehen.“ Das versucht die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung jetzt mit einer Vor-Ort-Sprechstunde. Jeden Dienstag und Donnerstagabend dürfen Anwohner ihre Sorgen vortragen. Mindestens ein halbes Jahr lang.

Hier wollen Stadtplaner den Anwohnern im Auftrag des Senats klarmachen, dass man nur noch die früheren Rieselfelder als Baufläche in Betracht zieht und nicht die Überbauung der Erholungsanlage Blankenburg und der Kleingartenkolonie „Familiengärten“. Trotzdem bleibt der Blankenburger Süden ein ehrgeiziger Versuch, ein neues Stadtquartier ins bestehende Gefüge zu setzen. Zur Erschließung des neuen Stadtteils, sagt Staatssekretär Sebastian Scheel, werden wohl neue Verkehrstrassen durch die Erholungsanlage führen müssen. „Wir suchen die richtigen Korridore und reden dann über den Investitionsschutz für Hauseigentümer.“

„Wir haben Großes vor“, formuliert es Kuhn. Die Infrastruktur müsse schon da sein, bevor die Wohnungen kommen. Deshalb wird die Tramlinie M2 mindestens bis zum S-Bahnhof Blankenburg verlängert. „Stadt behutsam weiterbauen“, heißt das Motto der Vor-Ort-Gespräche. Die Behutsamkeit geht auf Kosten der Schnelligkeit. Bis ein endgültiges Model für die Bebauung des Blankenburger Südens existiert, sollen zwei Jahre vergehen. „Erst dann weiß man, was hier geschieht und was es kostet“, erklärt Kuhn. Was aus Sicht der Blankenburger niemals geschehen darf, erklärt ein neunjähriger Junge. „Ich will mein Zuhause nicht verlieren“, steht auf dem Pappschild, das Luca zur Eröffnung der Vor-Ort-Sprechstunde nach oben reckte. Sein Elternhaus befindet sich dort, wo in einer der Varianten ein Straßenbahndepot entstehen soll.

Politischer Clinch um das Pankower Tor

Zehn Jahre sind sie schon alt, die ersten Überlegungen, auf der 34 Hektar großen Brache des Güterbahnhofs Pankow ein neues Wohnquartier zu errichten. Nach etlichen Verhandlungsrunden einigte sich Investor Kurt Krieger mit Senat und Bezirksamt im Frühling darauf, 2000 Wohnungen, einen Möbelmarkt und ein Einkaufszentrum mit 25.000 Quadratmetern Fläche zu errichten. Auch der Bau einer Schule und eines Fahrradparkhauses mit 1000 Plätzen sind im Rahmen des 550 Millionen Euro teuren Bauvorhabens beschlossene Sache. In diesen Tagen startet ein städtebauliches Workshopverfahren. Das Ziel: Mitte 2019 einen Architekturentwurf für das neue Stadtquartier auf der Bahnhofsbrache zwischen Damerow- und Granitzstraße zu präsentieren. Dann laufen im Eiltempo die Änderung des Flächennutzungsplans und das Bebauungsplanverfahren. „Im Herbst 2021 sollen die Kräne tanzen“, sagt Krieger. Mit Blick auf die endlose politische Debatte und die Sonderwünsche von drei Bausenatoren, die mit dem Pankower Tor betraut waren, zeigt er sich ratlos: „Ich hätte gern schon angefangen.“

Bis Heiligabend läuft ein Verfahren zur Bürgerbeteiligung, das Krieger aus eigener Tasche bezahlt. Und womöglich liegen dann auch die ersten Ergebnisse von insgesamt fünf Gutachten vor. Dabei geht es um kritische Aspekte wie die Mobilität, Lärmeinwirkung und die Verträglichkeit des Einzelhandels. Kenner des Projekts gehen schon deshalb davon aus, dass der Herbst 2021 als Termin für den Baubeginn kaum zu halten ist.

Probleme bereitet auch der ungeklärte Streit über den historischen Lokschuppen am Bahnhof Pankow-Heinersdorf. Während das Bezirksamt die Ruine in das Projekt einbeziehen will, sieht der Investor darin nur ein Hindernis. „Ich verstehe nicht, warum man mir nicht genehmigt, den Schuppen abzureißen, um dort die Schule zu bauen. Das Thema Denkmalschutz ist so überragend, dass es den Wunsch nach mehr Schulplätzen überwiegt“, klagt Krieger. „Ja, wir sind uns uneins“, meint Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke). Man sei dabei, „rechtliche Fragen zu klären“, drückt er sich diplomatisch aus. Tatsächlich geht der Bezirk durchaus aggressiv gegen den Investor vor und erwägt, den Schuppen selbst zu sanieren. Die Rechnung dafür bekäme Krieger.

Parkplatzstreit an der Michelangelostraße

Elfgeschossige Hochhäuser in Plattenbauweise, eine lang gestreckte Parkplatzzeile und weite Wiesen, die im kalten Ostwind wogen – an der Michelangelo­straße in Süden von Prenzlauer Berg gibt es etwas, das man in den meisten Innen­stadtkiezen des Bezirks kaum noch findet: Platz. Senat und Bezirksamt sehen hier Raum genug für 1500 Wohnungen und haben schon 2014 Planungen angestoßen. Anwohner wollen aber höchstens 650 Wohnungen akzeptieren. Auch nach vier Jahren Vorplanung nähern sich die Interessen nur langsam an.

Wegen der Masse an kritischen Einwänden im bisherigen Verfahren zur Bürgerbeteiligung ist eine Projektvorstellung am 20. November kurzfristig geplatzt. „Es gibt nach wie vor hartnäckigen Widerstand aus der Mieterschaft“, räumt Stadtrat Kuhn ein. Er will im Januar 2019 einen neuen Anlauf unternehmen – und dann nach dem zeitintensiven Bürgerdialog möglichst schnell Baurecht schaffen. Doch die Kernforderung der Initiative Michelangelostraße bleibt: Es sollen keine Parkplätze zugunsten von neuen Wohnungen verschwinden. Ein Wunsch, der aus Sicht des Bezirksamts mit den Bauzielen kollidiert. Trotzdem gibt sich Kuhn kompromissbereit und sagt: „Wir wollen versuchen, uns auf eine Zahl von 1200 Wohnungen zu einigen.“ Im Sommer 2019 soll der Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan vorliegen. 2021 könnten kommunale Wohnungsbaugesellschaften Baurecht erhalten. Dann wäre die Michelangelostraße die erste der drei Pankower Entwicklungsflächen, auf der ein Bagger rollt.

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