Das frühere Krankenhaus für Kinder ist zu einer Ruine verkommen – und lockt Schaulustige an. Nun soll hier eine Schule entstehen.
Die Fenster sind herausgebrochen, Teile des Daches nach einem Brand eingestürzt. Stromleitungen hängen von den Decken, Löcher klaffen im Boden, in den Gängen türmt sich Schutt. Auf dem Gelände des alte Säuglings- und Kinderkrankenhauses Weißensee herrscht eine düstere Atmosphäre.
Einst schickten sich hier Kinderärzte an, die hohe Säuglingssterblichkeit in Weißensee zu senken. Seit der Stilllegung im Jahre 1997 steht das Gebäude an der Hansastraße nicht mehr im Dienst der Medizin. Es hat mit den Jahren einen ganz anderen Ruf erworben. Als „lost Place“ lockt das zur Ruine verkommene Denkmal Schaulustige aus aller Welt an. Jetzt wird auf Fotostrecken im Internet der Charme des Morbiden kunstvoll dokumentiert. Besucher, die das Gelände verbotenerweise betreten haben, preisen die Klinik sogar als „Beelitz Heilstätten von Pankow“.
Rettung der Klinik nach 21 Jahren Verfall
Aber schon bald könnte es mit dieser Art des Tourismus vorbei sein. Denn das Kinderkrankenhaus Weißensee fällt nach langem Rechtsstreit zurück in den Besitz des Landes Berlin. Diese Nachricht vermeldete nun Pankows Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke). Bei einem Treffen mit dem Senat und der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) habe man sich darauf geeinigt, die Rückübertragung der Immobilie zu besiegeln. „Der lang erwartete Vertrag wird nun unterzeichnet“, sagt Benn.
Die BIM wertet den Schritt als juristischen Erfolg, der dem Land Berlin ein wichtiges Grundstück zurückbringt. Ursprünglich wollte der Senat das 1997 geschlossene Krankenhaus durch einen Verkauf an die Firma MWZ Bio-Resonanz vor dem völligen Verfall bewahren. Das Unternehmen hatte sich im Vertrag zu Investitionen in Höhe von zehn Millionen Euro verpflichtet und wollte ein Krebsforschungszentrum eröffnen. Doch eine Umsetzung des Versprechens blieb aus. So endete die erhoffte Rettung der Immobilie mit einem Debakel. Und führte zum Rechtsstreit, der sich selbst nach der Insolvenz der Eigentümerfirma hinzog. 2015 hatte dann eine Klage des Landes Berlins auf eine Rückabwicklung des Geschäfts Erfolg. Aber trotzdem folgte eine drei Jahre lange Hängepartie.

„Die Rückübertragungsurkunde, auf deren Grundlage die Eigentumsumschreibung erfolgen kann, liegt endlich vor und der Antrag auf Eigentumsumschreibung kann nun gestellt werden“, erklärt BIM-Sprecherin Katja Cwejn auf Anfrage der Berliner Morgenpost.
Noch ist unklar, wie viel von der alten Bausubstanz zu retten ist, da liegen schon die ersten Nutzungsideen auf dem Tisch. Laut Bezirksbürgermeister Benn hat der Senat Interesse an Wohnungsbau geäußert. Der Bezirk wiederum will das Krankenhaus am liebsten als Schule verwenden und womöglich auch eine Kita einrichten. Laut Schulstadtrat Torsten Kühne (CDU) droht in der Region Weißensee und Heinersdorf, wozu auch das Areal des ehemaligen Kinderkrankenhauses gehört, ein akuter Mangel an Schulplätzen.
„Es fehlen mittelfristig im Grundschulbereich circa zehn Züge, das entspricht 1440 Schulplätzen oder zwei Grundschulen. Insofern haben wir als Bezirk Interesse für das ehemalige Kinderkrankenhaus als Schulstandort gegenüber dem Senat geäußert“, erklärt Kühne.
Das Krankenhaus besaß einen eigenen Kuhstall
Ein Krankenhaus voller Klassenzimmer? Diese Vorstellung führt zurück zum Ursprungsgedanken des Gebäudes: dem Wohl von Kindern. Bei der Eröffnung der Klinik im Jahre 1911 ging es oftmals um Leben und Tod. Damals wollte die Gemeinde Weißensee, die seinerzeit noch nicht zu Berlin gehörte, einem medizinischen Grundproblem begegnen: der hohen Todesrate bei Neugeborenen. Das erste kommunal geführte Säuglings- und Kinderkrankenhaus Preußens verfügte über chirurgische Abteilungen, in denen gefährliche Krankheiten behandelt wurden. Auf dem Anwesen befand sich sogar ein Stall mit 36 Kühen und Molkerei – so ernährte das Krankenhaus Säuglinge mit hochwertiger Milch.

Auch Jürgen Kirschke, der Vorsitzende der Heimatfreunde Weißensee, kennt die Geschichte des Gebäudes. Die Rückübertragung der Klinik nennt er einen Glücksfall. Und dämpft die Hoffnungen. „Ich glaube nicht, dass noch viel zu retten ist. Das Krankenhaus wurde einfach zu lange dem Verfall preisgegeben.“ Zumindest dürfte eine denkmalgerechte Sanierung das Budget des Landes weit übersteigen, vermutet Kirschke. Dass die Klinik zurück ans Land Berlin fällt, hält er für richtig. „Wenn sich die Firma nicht an die Vorgaben im Kaufvertrag hält und das Haus verkommen lässt, ist das eine logische Konsequenz.“
Die Beliebtheit der Ruine bei Fotografen hält der Heimatforscher für problematisch. Noch immer ist es ein Leichtes, den umgeknickten Zaun an der Hansastraße zu überwinden. „Das ist ganz schön gefährlich. Es gibt Balken, die inzwischen so morsch geworden sind, dass sie einzustürzen drohen“, sagt Kirschke.
Tatsächlich sind Besucher bei ihren Erkundungstouren schon mehrfach schwer verunglückt. Zuletzt stürzte im Mai 2016 ein Amerikaner in ein Loch und musste von der Feuerwehr gerettet werden. Immer wieder werden Zäune aufgebogen. Regelmäßig ermittelt die Polizei wegen Hausfriedensbruchs. Das Gelände besser abzusichern soll laut BIM-Sprecherin Cwejn zu den ersten Schritten gehören, die das Immobilienmanagement jetzt unternehmen wird.