Pankow. Der Sonntag mag vor dem Gesetz und in der Bibel ein Zeitpunkt der Ruhe und Besinnung sein – im Mauerpark ereignen sich dann die lautesten Momente der Woche. Im früheren Todesstreifen musizieren hemmungslos Schlagzeugergruppen und Gitarristen mit elektronischen Verstärkern. Und selbst Berliner Szenegrößen wie die Funkgruppe Ruperts Kitchen Orchetra, der australische Gitarrist Rob Longstaff und die südafrikanische Sängerin Alice Phoebe Lou zählen den Mauerpark zu ihren liebsten Auftrittsorten.
Was jahrelang niemanden störte, ist im langen, heißen Sommer 2018 zum Konflikt geworden. Nach mehreren Anwohnerbeschwerden veranstaltete das Ordnungsamt vier Schwerpunkteinsätze. Schließlich marschierte ein Mann in Begleitung der Polizei durch den Park, um störende Künstler anzuzeigen. Besonders laute Instrumente wurden bei der Gelegenheit konfisziert. Seit dieser Eskalation tagt ein Runder Tisch, bei dem das Bezirksamt, die Musiker, örtliche Gewerbetreibende und Vereine wie die Freunde des Mauerparks Lösungen beraten. Eine erste Idee liefert nun Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke).
"Letzte große Spielwiese der Stadt"
Er will in der Grünfläche Areale festlegen lassen, in denen lautes Musizieren ausdrücklich erlaubt ist. „Wir müssen dafür sorgen, dass bestimmte Bereiche des Parks für solche Darbietungsformen reserviert werden. Ich denke, wir sollten versuchen, Bereiche zu schaffen, in denen Dinge möglich sind, die an anderen Orten nicht möglich sind“, sagte Benn der Berliner Morgenpost. Ob sich solche Lärminseln einrichten lassen, will er bis zum nächsten Frühjahr prüfen lassen. Die Beschwerden über Ruhestörung seien aber durchaus berechtigt „Es gibt in der Tat Probleme, vor allem mit elektronisch verstärkter Musik und Percussion-Musik“, räumt Benn ein. „Wir sollten aber nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und eine der letzten großen Spielwiesen der Stadt abschaffen und den Park in eine ganz normale Grünfläche verwandeln.“
Keine ganz normale Grünfläche ist der Mauerpark auch aus Sicht von Alexander Puell. Der Vorsitzende des Vereins „Freunde des Mauerparks“ begrüßt den Vorschlag, Zonen für Musiker auszuweisen. „Das wäre ein super Lösungsansatz“, sagt Puell. „Wenn wir Lärminseln schaffen können, die Anwohner nicht mehr stören, dann haben am Ende beide Seiten gewonnen.“ Am 6. November werde der Runde Tisch, bei dem auch andere Probleme wie die Zerstörung der Rasenflächen durch die Übernutzung des Parks besprochen werden, speziell zum Thema Lärm einberufen. Erstmals findet die Tagung im Restaurant „Mauersegler“ ab 17.30 Uhr öffentlich statt. Sowohl die Anhänger als auch die Gegner der Konzerte können dann ihre Meinung äußern.
Die Freunde des Mauerparks wollen einen Ausgleich schaffen – warnen aber davor, dass der Streit zuungunsten der Künstler ausfällt. „Der Konflikt ist derzeit festgefahren wegen zu wenig Kommunikation zwischen den zwei großen Nutzergruppen im Park“, sagt Puell. Letztlich müsse aber die Politik einen Weg finden, damit das Bedürfnis nach Kultur und der Wunsch nach Ruhe in Einklang kommen. „Wenn die Politik untätig bleibt, verliert Berlin mit dem Mauerpark einen weiteren Sozialraum und Kulturstandort.“
Künstler starten Kampagne "Save Mauerpark"
Um ihre Verdrängung zu verhindern, haben Musiker am vergangenen Sonntag eine Petition gestartet. Am ersten Tag sammelten sie im Park 700 Unterschriften von Unterstützern auf Papier. Hinzu kommen 400 Unterschriften bei einer Online-Petition im Portal „Change.org“, die sich an den Berliner Senat und das Bezirksamt Pankow richtet. Unter dem Titel „Save Mauerpark“ lief außerdem eine Kampagne in den sozialen Netzwerken Facebook, Twitter und Instagram an. Bei Facebook verbuchte die Seite der Kampagne innerhalb weniger Tage 800 Abonnenten.
Dort wird auch auf die Online-Petition verwiesen, in der es heißt: „Insbesondere die Straßenkunst, Karaoke und die blühende Straßenmusik sind die Seele des Parks und authentische kulturelle Symbole für den Prenzlauer Berg und die ganze Stadt Berlin geworden.“
Gefordert werden Schutz und Unterstützung von Straßenmusik, Straßenkunst und Kultur, die Erlaubnis für elektronisch verstärkte Musik als künstlerische Ausdrucksform und Schallschutzmaßnahmen beim Umbau des Mauerparks in den nächsten Jahren.
Ordnungsstadtrat will Parkwächter einführen
Ob die Schaffung von Lärmbereichen wirklich helfen wird? Der Pankower Ordnungsstadtrat Daniel Krüger (parteilos, für AfD) ist skeptisch. Dass sich Künstler an die ausgewiesenen Flächen halten, müsse auch kontrolliert werden. „Die Regelung wäre nur effektiv, wenn man permanent Präsenz zeigt.“ Doch schon jetzt seien Ordnungsamt und Polizei mit ihren Alltagsaufgaben personell überfordert. Sondereinsätze im Mauerpark seien nur möglich, wenn man andere Aufgaben vernachlässigt.
Deshalb fordert Krüger zu Beginn der nächsten Saison die Einführung von Parkwächtern, die vom Senat beauftragt werden und die Regeln sanft, aber bestimmt durchsetzen. Auch mehrsprachige Schilder mit Piktogrammen an den Parkeingängen wären für ihn eine Lösung. Krüger meint: „Wenn man den Musikern das Problem vernünftig erklärt, sind sie auch einsichtig.“
Und wenn die Einsicht fehlt, könnten demnächst neue Fakten zum Problem werden. Laut Stadtrat Krüger fanden an bestimmten Stellen bereits Lärmmessungen statt, die momentan ausgewertet werden. Details will er noch nicht vorwegnehmen. Aber fest steht: "Es ist zu laut."
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