Möbel-Unternehmer Kurt Krieger will Pankows größte Brache bebauen, doch ein Ende der jahre- langen Verhandlungen ist nicht in Sicht.
Die Kreuzkröten müssen vorerst nicht um ihr Biotop fürchten. Sie werden sich im Herbst im Sand der riesigen Brache am Pankower Tor einbuddeln. Und wenn sie nach dem Winter wieder in die Frühlingssonne blinzeln, wird alles sein wie vorher. So wird es wohl noch einige Jahre gehen. Denn die Planung für das wohl größte Berliner Stadtentwicklungsgebiet verzögert sich: Inzwischen wird über den 19. Entwurf debattiert. Insider schätzen, dass zwischen den S-Bahnhöfen Heinersdorf und Pankow vor 2020 kein Stein auf den anderen gesetzt wird.
Der Berliner Möbelhändler Kurt Krieger will auf dem 40-Hektar-Gelände 1000 Wohnungen, eine Einkaufs-Mall, einen Höffner-Markt mit 49.000 Quadratmetern Fläche sowie zwei kleinere Fachmärkte bauen. Bereits 2010 hat seine Immobiliengesellschaft, die Krieger Grundstück GmbH, das Areal gekauft. 2011 stellte Krüger das Konzept vor, von dem es in seinem Umfeld heißt: „Es ist sein Baby, seine Herzensangelegenheit.“ Der Möbelhändler will mehr als 300 Millionen Euro investieren. Bisweilen ist sogar von 500 Millionen Euro die Rede – ohne die zwei auf dem Areal geplanten Schulen. 50 Millionen Euro hat Krieger laut Projekt-Website bereits in Grunderwerb und Vorplanung investiert.
Die Verfahrensbeteiligten scheuen die Öffentlichkeit – Senat und Investor gleichermaßen. „Wir verhandeln gerade einen Rahmenvertrag mit dem Investor“, sagt Martin Pallgen, der Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Auch Investor Kurt Krieger will sich nicht äußern. Sein Sprecher sagt: „Wir haben mit dem Senat Stillschweigen vereinbart.“ Und der Sprecher von Senator Andreas Geisel (SPD) ergänzt: „Uns ist sehr daran gelegen, dass er schnell unterzeichnet wird.“ Doch das scheint unwahrscheinlich. Denn das Papier hat mehrere Hürden noch nicht genommen.
Eigentlich sollte der Vertrag diesen Sommer unterzeichnet werden. Doch die Verhandlungen zogen sich hin. „Es geht um viel Geld“, sagt eine Person aus dem Umfeld der Verhandlungspartner. Und um Grundstücke. Die Verhandlungslage habe sich geändert. Erst wenn die Grundstückswerte durch Experten des Senats ermittelt sind, geht das Verfahren in die nächste Runde. Insider rechnen damit, dass sich das bis ins erste Quartal 2017 hinziehen kann. Danach erst wird der Rahmenvertrag dem Landesparlament vorgelegt. Geplant war, dass das noch vor der Wahl im September geschieht.
Ist der Boden kontaminiert? Das weiß niemand genau
„Wesentliche Fragen sind im Entwurf des Rahmenvertrags geklärt“, antwortet Pallgen auf eine schriftliche Anfrage. „Andere befinden sich noch in der Diskussion.“ Wie zum Beispiel die Frage des Umgangs mit den Baudenkmalen östlich der Prenzlauer Promenade – also dem Rundlokschuppen und der angrenzenden Bahngebäude. In dem Gebäude konnten 24 Dampflokomotiven gleichzeitig gewartet werden. Für die Nutzung der monumentalen Stahl-Glas-Konstruktion ist kein schlüssiges Konzept bekannt. Unklar ist auch die mögliche Kontamination des Bodens. Niemand weiß, was seit der Fertigstellung des Schuppens im Jahr 1893 an Schadstoffen versickert ist.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat bei diesem Thema eine rote Linie: „Eventuell notwendig werdende Altlastensanierung und die Übernahme der Kosten werden nicht auf das Land Berlin übertragen. Das werden wir vertraglich ausschließen“, heißt es in Pallgens Antwort. Aus dieser Äußerung könnte geschlossen werden, dass genau dies der Plan des Investors ist. Die Projektplanung sieht vor, direkt neben dem Lokschuppen eine Grund- und Sekundarschule für bis zu 1000 Schüler zu bauen. Ob das so kommt, ist fraglich. Zuletzt war darüber spekuliert worden, ob das wegen der Schadstoffbelastung der Luft durch den Verkehr auf der Autobahn A114 überhaupt möglich ist. „Für die Schule gibt es auch andere Grundstücke des Landes. Wir sind nicht von dem Investor abhängig“, heißt es selbstbewusst im Rathaus Pankow.
Auch der Naturschutz spielt eine Rolle. Die Umweltbehörde hat auf dem Baugrundstück „21 geschützte Vogelarten, zwei geschützte Reptilienarten und zwei Amphibienarten – darunter die Kreuzkröte, die hier ihr einziges Vorkommen in Berlin hat“ dokumentiert. Sie will sich damit erst befassen, wenn ein Nutzungs- und Erschließungskonzept vorliegt, so die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage vom April.
Konfliktpotenzial könnte noch die Ansiedlung von Einzelhandelsflächen in der 30.000 Quadratmeter großen Mall bieten, was ungefähr der Hälfte des „Alexa“ entspricht. Denn das Gesundbrunnen-Center ist gerade einmal zwei S-Bahn-Stationen entfernt, die Schönhauser Allee-Arcaden zwei U-Bahn-Stopps und das Rathaus-Center zwei Tram-Haltestellen. „Die in der Öffentlichkeit diskutierten Flächengrößen zum Einzelhandel kann ich nicht kommentieren, weil hierzu noch keine auswertbaren Untersuchungen vorliegen“, erklärte dazu der Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Für Nils Busch-Petersen, den Chef des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg, ist die Sache dagegen klar. „Pankow braucht als schnellstwachsender Berliner Bezirk einen qualitativen und quantitativen Zuwachs“, sagt er. „Die örtlichen Einzelhändler haben das Projekt vom ersten Tag an unterstützt.“ Denn der Pankower Einzelhandel habe kein Hauptzentrum. Am Pankower Tor zeichne sich ein vernünftiger Kompromiss ab.
„Die Zeit ist reif für eine Entscheidung“
Der Investor sei den Wünschen der Verwaltung ergebnisorientiert auf weiten Strecken entgegengekommen. „Gewiss braucht man in der Stadtplanung ein hohes Maß an Gründlichkeit. Aber jetzt ist die Zeit reif für eine Entscheidung.“
„Wir verhandeln schwerst mit dem Senat und dem Investor über den städtebaulichen Rahmenvertrag – fast im Wochentakt“, sagt Jens-Holger Kirchner (B90/Grüne), der stellvertretende Bürgermeister und Baustadtrat von Pankow. Er ist federführend mit der Planung des Projekts betraut und begründet die langen Verhandlungen mit der erforderlichen Planungssicherheit. „Es geht um die Wahrung unserer Interessen und um Weichenstellungen für die Zukunft von Pankow“, sagt Kirchner.
Bis zum ersten Spatenstich dürfte es noch eine Weile dauern. Die Bauleitplanung beginnt erst, wenn das Abgeordnetenhaus den Rahmenvertrag abgesegnet hat. Bis der Bebauungsplan beschlossen ist, dürften zwei Jahre vergehen. Mit einem ersten Spatenstich könnte dann 2020 gerechnet werden. Frühestens dann werden die Kreuzkröten umgesiedelt.